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Analyse: Jetzt könnte der Weg der AfD weiter nach rechts führen

Analyse

Jetzt könnte der Weg der AfD weiter nach rechts führen

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    Der Bundesvorsitzende Bernd Lucke im Jahr 2014 mit dem Landeschef Björn Höcke. Das war vor nur fünf Jahren. Doch inzwischen ist einiges passiert in der AfD.
    Der Bundesvorsitzende Bernd Lucke im Jahr 2014 mit dem Landeschef Björn Höcke. Das war vor nur fünf Jahren. Doch inzwischen ist einiges passiert in der AfD. Foto: Sebastian Willnow

    Die Zahlen sind beeindruckend: Die Alternative für Deutschland (AfD) feiert seit Jahren fast ausnahmslos Wahlerfolge, ist in allen Landesparlamenten sowie im Europaparlament präsent und enterte mit 12,6 Prozent bei der Wahl 2017 den Bundestag. Mit einer solchen Erfolgsgeschichte konnten weder die Grünen in den 80er Jahren noch die Linke in den 90ern – die bis dahin nach der Etablierung der CDU/CSU spektakulärsten Neugründungen der deutschen Parteiengeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg – aufwarten.

    Das zweite Alleinstellungsmerkmal der AfD ist, dass es ihr als erste Partei aus dem rechten Spektrum gelungen ist, über Achtungserfolge hinauszukommen. Das hat die Partei der rechtsextremen NPD, den in Bayern gegründeten Republikanern oder der norddeutschen Schill-Partei voraus, die nicht in der Lage waren, sich dauerhaft in den deutschen Parlamenten zu halten.

    Dabei ist die AfD-Historie eine Geschichte der Spaltungen, des andauernden Richtungsstreits und der Flügelkämpfe. Mit der „Professoren-Partei“, die sich 2013 auf dem Höhepunkt der Währungskrise als euroskeptische Partei gründete, hat die AfD dieser Tage nicht mehr viel gemein. Im Gegenteil: Fast verblasst ist die Erinnerung an die Zeiten, als der Professor für Volkswirtschaft aus Hamburg, Bernd Lucke, die Partei führte. Zwar gab es schon damals schrille Töne, doch im Vergleich zu heute ging es fast betulich, ja bieder zu. Allerdings agierten schon damals in der AfD Gruppen, die die Zukunft der Partei im tiefen rechten politischen Spektrum sahen.

    Lucke erkannte Anfang 2015, dass ihm die AfD zu entgleiten drohte. Er versuchte fast verzweifelt, die Lage inn den Griff zu bekommen. Zu spät, denn die ostdeutschen Landesverbände hatten den Richtungswechsel längst vorweggenommen. Die Wähler in Thüringen, Sachsen und Brandenburg belohnten die AfD 2014 dafür, dass die Partei dort von wirtschaftsliberal auf rechtspopulistisch umgeschaltet hatte. Die alte Garde um Lucke, den Ex-Topmanager Olaf Henkel oder den Eurokritiker Joachim Starbatty hatte ausgespielt und verabschiedete sich mit gut 20 Prozent der schon rund 20 000 Mitglieder aus der AfD. Auf diese Weise wurde aus einem schleichenden Rechtsdrall ein veritabler Sprung nach rechts.

    Aus einem schleichenden Rechtsdrall wurde ein veritabler Sprung nach rechts

    Damit wähnte sich die ehrgeizige Frauke Petry am Ziel. Doch zunächst schien es, als liefe das Wahlvolk der AfD nach der spektakulären Spaltung davon. Bis das kam, was Alexander Gauland mit entwaffnender Offenheit ein „Geschenk“ für seine Partei nannte: Die Flüchtlingskrise, gefolgt von islamistischem Terror, brachte der AfD das Gewinnerthema Migration, das sie bis heute in das Zentrum ihrer Politik stellt. Einerseits. Andererseits hat sich die Partei gleichzeitig – und zwar mit besonderem Erfolg im Osten Deutschlands – als Sammelbecken derjenigen etabliert, die sich abgehängt, benachteiligt und verunsichert fühlen.

    2016 erreichte die AfD mit dieser Attitüde im Osten Ergebnisse jenseits der 20-Prozent-Marke, konnte aber auch im Westen Fuß fassen. Dass innerparteilich durchweg Feuer unterm Dach war, Missgunst und Intrigen öffentlich ausgetragen wurden, vermochte den Aufstieg der AfD nicht nachhaltig zu stoppen. Auch das Unfertige, Heterogene, das in ihrer Programmatik steckt, hat ihr kaum geschadet – oder wurde kaum beachtet.

    Doch ein leichtes Schwächeln bei Wahlen im Frühjahr 2017 sollte ausreichen, um das Ende von Frauke Petry an der Spitze der Partei einzuleiten. Allerdings half sie selber gehörig mit – ihr autoritärer, ja mitunter divenhafter Führungsstil führte dazu, dass sie, als es darauf ankam, kaum noch einflussreiche Freunde hatte. Duplizität der Ereignisse: Wie zuvor Lucke kehrte auch Petry der AfD den Rücken, um – ohne messbaren Erfolg – eine neue Partei aufzubauen. Oder kennt jemand die von ihr gegründeten „Blauen“ näher? Trotz der erneuten Spaltung blieben die AfD-Wähler treu, ja es wurden deutlich mehr: Die 12,6 Prozent bei der Bundestagswahl 2017 bedeuteten eine Verdreifachung ihres Ergebnisses von 2013.

    Denkbar wäre, dass Höcke den offenen Machtkampf sucht

    Zuverlässiger Begleiter der AfD sind die Debatten, ob und wann eine weitere Radikalisierung der Partei langfristig schaden könnte. Das Thema wird außerhalb, aber auch innerhalb der AfD diskutiert. Bisher jedoch ist zwar die Aufregung groß, wenn der Chef des rechten „Flügels“, Björn Höcke, das Berliner Holocaust-Denkmal als „Schandmal“ bezeichnet oder Verbindungen von AfD-Politikern zu rechtsextremen und antisemitischen Kreisen publik werden. In den Umfragen steht die AfD aber dennoch gut da. Daran hat auch der Umstand nichts geändert, dass der Verfassungsschutz den „Flügel“ und den Parteinachwuchs als Verdachtsfall führt und Teilen der Partei „extremistische Bestrebungen“ attestiert.

    Dennoch ist davon auszugehen, dass Co-Parteichef Jörg Meuthen die nationalen, völkischen Töne von Höcke mit gemischten Gefühlen registriert. Schließlich könnte es nach den drei Landtagswahlen beim Bundesparteitag im November auch um seine eigene politische Zukunft gehen. Denkbar wäre, dass Höcke und seine Anhänger – möglicherweise gestärkt durch gute Wahlergebnisse im Osten – den offenen Machtkampf suchen.

    Nichts anderes wäre eine Kandidatur Höckes für einen der beiden Bundessprecher-Posten – so nennt die AfD ihre Parteichefs. Seit das Parteiausschlussverfahren gegen den Lehrer aus dem Westfälischen im Sande verlaufen ist, scheint das Selbstbewusstsein Höckes keine Grenzen mehr zu kennen. Der 47-jährige Thüringer AfD-Chef wird zudem registriert haben, dass ein parteiinterner Appell gegen einen weiteren Ruck nach rechts nur überschaubare Durchschlagskraft entwickelt hat und dass weder die Parteichefs Meuthen und Alexander Gauland noch Fraktionschefin Alice Weidel den Anti-Höcke-Aufruf unterzeichnet haben. D

    er Schluss liegt nahe, dass auch beim Spitzenpersonal die Überzeugung fehlt, dass der rechte „Flügel“ überhaupt noch gestutzt werden kann – in der AfD kursieren Schätzungen, dass rund 40 Prozent der Parteimitglieder mit der Gruppe sympathisieren.

    Es wird spannend sein, zu beobachten, was das Abschneiden der Partei bei den Wahlen in Brandenburg, Sachsen und später in Thüringen für die Politik in Deutschland bedeutet. Kaum weniger interessant wird sein, wie die Ergebnisse die AfD selber verändern werden.

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