Gute Nachrichten über die Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK)? Doch, so etwas gibt es noch. Im Januar vermeldete ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, dass erstmals eine Frau die erste Runde der extrem fordernden Zulassungsprüfungen für die Spezialtruppe der Bundeswehr im württembergischen Calw bestanden habe. „Wir freuen uns, dass sie sich dieser anspruchsvollen Herausforderung stellt“, sagte er weiter.
Anspruchsvolle, ja mitunter karrieregefährdende Herausforderungen stellen sich in diesen Wochen für viele, die mit der durch rechtsextremistische Umtriebe in Verruf geratenen Einheit zu tun haben. Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie den Laden noch im Griff hat. Der zuständige Generalinspekteur des Heeres, Alfons Mais, fasste die Lage in einem internen Schreiben an den Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, so zusammen: „Organisatorische Fehlansätze in der Grundaufstellung“ des KSK und der starke Druck auf die Soldaten hätten ein Klima geschaffen, „in dem Einzelne und Gruppen (...) offensichtlich Orientierung, Maß und Mitte verloren“ hätten. Mais berichtete von „Vorgängen in nie vorstellbaren Dimensionen“.
Dem KSK gehören etwa 1600 Soldaten an
Das 1996 gegründete KSK mit seinen knapp 1600 Männern sowie einigen Frauen, die organisatorische Aufgaben wahrnehmen, gilt auch international als gut ausgebildet und schlagkräftig. Eigentlich geschaffen für spezielle Aktionen und Befreiungskommandos, war die Einheit immer wieder als Kampftruppe der Bundeswehr in Afghanistan gefordert – das weiß man, trotz der strengen Geheimhaltung, die jeden Schritt des KSK begleitet. Konkreter Anlass für den Brandbrief von Mais war ein Fall vom Mai 2020, als in Sachsen ein mit Sprengstoff, Schusswaffen und Munition gefülltes Waffendepot im Garten eines KSK-Soldaten entdeckt wurde. Während der Prozess gegen den 46-jährigen Elitesoldaten bereits läuft, beschäftigt sich die Öffentlichkeit mit einer eigenwilligen Amnestie-Aktion, die den KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr in arge Bedrängnis bringt. Er soll seinen Soldaten von März bis Mai 2020 die Möglichkeit eingeräumt haben, über Jahre gehortete, also letztlich gestohlene Munition diskret abzugeben – ausdrücklich soll den reuigen Munitionssammlern versichert worden sein, dass es keine disziplinarischen Konsequenzen geben werde.
Letztere muss nun allerdings Kreitmayr selber befürchten. Ausgerechnet der Mann also, der 2018 geholt wurde, um das KSK aus den Negativschlagzeilen zu manövrieren. So gelang es seit Ende der 90er Jahre nicht, rechtsextremes Gedankengut aus der Truppe zu verbannen. Da wurde bei einem Saufgelage der Hitlergruß gezeigt, es wurde aufgedeckt, dass sich KSK-Soldaten rechtsextremen Netzwerken angeschlossen hätten, und vieles mehr.
Abgeschlossene Strukturen des KSK bringen Probleme mit sich
„Wenn man sich mit den Strukturen des KSK seit Jahren beschäftigt, kann einen das alles nicht überraschen“, sagt der Autor und Filmemacher Dirk Laabs im Gespräch mit unserer Redaktion. Der international gefragte Terrorismusexperte hat sich in seinem aktuellen Buch „Staatsfeinde in Uniform“ unter anderem auch akribisch mit dem KSK befasst. „Mich stört an der Debatte, dass es jetzt darum geht, wie diese Munition verschwunden ist, aber nicht darum, was die Leute damit anfangen wollten. Das ist doch der viel brisantere Punkt.“ Natürlich handele es sich bei einer großen Mehrheit der Männer nicht um Rechtsextreme, sondern um aufrechte Leute. Doch leider sei es so, dass bei einer sehr abgeschlossenen Eliteeinheit wie dem KSK einige wenige großen Schaden anrichten könnten. Hinzu komme, dass Soldaten, die in der Vergangenheit rechtsextreme Vorfälle gemeldet hätten, „systematisch fertiggemacht“ worden seien, „Problemfälle“ hingegen nicht selten Karriere gemacht hätten.
Selbst wohlwollende Beobachter bestreiten nicht, dass das KSK bis heute unter den gravierenden Geburtsfehlern leidet. So waren langgediente Ausbilder und Führungskräfte des Fallschirmjägerbataillons 313 aus dem norddeutschen Varel an Bord, als das Kommando Spezialkräfte 1996 gegründet wurde. Als prägend erwies sich ihr erster Kommandeur Reinhard Günzel, der bis 2003 amtierte. Eine Ära, in der die Disziplin der Wehrmacht, ja sogar der Waffen-SS als Quell der Tradition glorifiziert wurde. Günzel selber suchte Kontakt zu früheren Wehrmachtsoffizieren. Zwar wurde der Kommandeur 2003 von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) ohne ehrende Veranstaltung in den Ruhestand versetzt. Doch auch diese Gelegenheit, die Missstände offensiv anzugehen, verstrich.
Für eine klare Zäsur plädiert Laabs: „Wir brauchen einen kompletten Neustart. Das KSK sollte aufgelöst werden. Ein Untersuchungsausschuss über disziplinarische Missstände und rechtsradikale Tendenzen bei der Einheit hatte bereits 1998 haarsträubende Zustände ans Licht gebracht. Doch geschehen ist nichts. Die Selbstreinigung funktioniert nicht.“ Das habe auch nach 1998 unter der rot-grünen Bundesregierung nicht funktioniert. Auf der KSK-Kommandoebene sei weggeschaut und vertuscht worden.
Wie kann ein Neuanfang gelingen?
Laabs ist überzeugt davon, dass die Bundeswehr speziell ausgebildete Sondereinheiten brauche. Wie kann ein Neuanfang gelingen? „Wichtig ist, dass das Parlament endlich mehr Kontrollrechte erhält und nicht um jede Akte betteln muss. Gleichzeitig sollte bei Vergehen und rechtsextremen Vorfällen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden und nicht die Gerichtsbarkeit der Bundeswehr, denn dann ändert sich meistens nichts.“
Auch Ministerin Kramp-Karrenbauer hat eine komplette Auflösung des KSK nicht ausgeschlossen – die zweite Kompanie des Kommandos, die als besonders anfällig für rechtsextreme Agitation galt, wurde bereits am 1.August 2020 geschlossen. Jetzt soll mehr Kontrolle Abhilfe schaffen. Ein Gesetz zur Verschärfung der „Sicherheitsüberprüfung von Soldaten mit besonderen Fähigkeiten“ ist auf dem Weg – es zielt auf das KSK. Gleichzeitig gibt es Überlegungen, alle Spezialkräfte der Bundeswehr unter einem Kommando zusammenzufassen. So sollen Strukturen aufgebrochen werden, die das schwer kontrollierbare Eigenleben begünstigt haben dürften.
Längst ist offensichtlich auch der Leidensdruck unter den Angehörigen der Einheit, die ja in ihrer großen Mehrheit nicht für die Defizite verantwortlich sind, immens: 100 der rund 1600 Angehörigen des Verbandes seien gesundheitlich angeschlagen, viele davon in klinischer Behandlung, teilte ein Sprecher des Heeres mit. Ängste wegen einer drohenden Auflösung des KSK und die öffentliche Kritik hätten dabei „eine Rolle gespielt“, heißt es.
Lesen Sie auch:
- Wie kann man Rechtsextremisten bei der Bundeswehr stoppen?
- Warum MAD-Chef Gramm gehen musste
- Gibt es eine rechte Schattenarmee in der Bundeswehr?
- Tiefer Blick in die Truppe: Neue Wehrbeauftragte legt ersten Bericht vor
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.