So einen Shitstorm hat wohl noch kein deutscher Außenminister erlebt. „Eine Tasse Kaffee kann vieles sein“, stellt das Auswärtige Amt auf Twitter fest und fährt fort: Bei Auslandsreisen von Heiko Maas sei sie „oft eine Insel der Ruhe zwischen Terminen, eine Gelegenheit, Gespräche vorzubereiten oder eine Möglichkeit, die Kaffeekultur eines Landes und so ein Land kennenzulernen“. Zum Tweet wird ein Außenminister gezeigt, der gerade eine Tasse Kaffee trinkt. Seht her, soll wohl die Botschaft sein, Heiko kümmert sich um Euch, liebe Deutsche, und wenn es zu stressig wird, denkt er bei einer Tasse Kaffee erst mal in Ruhe nach. Was bei vielen im Volk tatsächlich ankommt: Es ist Krieg, und der deutsche Außenminister trinkt Kaffee.
Für viele ist Heiko Maas ausgerechnet jetzt abgetaucht
Der Tweet hängt Heiko Maas auch deshalb nach, weil er unfreiwillig die abwartende deutsche Außenpolitik beschreibt. Denn während die Türkei einen offenbar völkerrechtswidrigen Krieg in Syrien führt, hat sich der SPD-Politiker lange an die Devise „Abwarten und Kaffee trinken“ gehalten. Den Rüstungsexportstopp der Bundesregierung verkündete Maas erst, nachdem schon viele Tote am Boden lagen. Der Schritt ist noch dazu nur halbherzig. Das Exportverbot bezieht sich lediglich auf neue Genehmigungen für Waffenlieferungen. Bestehende Bestellungen dürfen noch ausgeliefert werden. Die türkische Regierung wird nicht wirklich hart getroffen: Sie hat im letzten Jahr deutsches Kriegsgerät für knapp 243 Millionen Euro bekommen. In den ersten vier Monaten dieses Jahres gingen Waffen und Munition für 184 Millionen Euro aus Deutschland an den Bosporus. Die Regale der türkischen Armee dürften gut gefüllt sein.
Beobachter fragen sich, warum Maas über halbherzige Ankündigungen hinaus nicht mehr Druck macht. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff stellt im ZDF-Morgenmagazin fest, der Außenminister sei „abgetaucht“. Linken-Fraktionsvize Sevim Dagdelen sagt in der ARD, Maas’ Vorschlag sei „nichts weiter als eine Nebelkerze“. Und der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, spricht im gleichen Sender von einem „reinen Lippenbekenntnis“.
Die Türkei und Syrien könnten ein Politikfeld sein, auf dem der SPD-Politiker sein politisches Profil schärfen könnte. Maas’ Vorgänger Sigmar Gabriel wäre sicherlich ganz anders aufgetreten, hätte Ankara vermutlich bereits einen medienwirksamen Besuch abgestattet. Auch Gabriels Vorgänger Frank-Walter Steinmeier wäre längst aktiv geworden. Bei Maas ist davon nichts zu merken. Wenn er initiativ geworden ist, dann versteckt er das gerade sehr gut.
Kanzlerin ist für die großen Linien der Außenpolitik zuständig
Die deutsche Außenpolitik und ihr internationales Ansehen waren in der Vergangenheit immer eng mit den jeweiligen Amtsinhabern verbunden. Hans-Dietrich Genscher, Joschka Fischer, Steinmeier, Guido Westerwelle, noch mal Steinmeier und dann Gabriel hatten vielleicht Anlaufschwierigkeiten, zeigten am Ende aber Gesicht. Maas zeigt sein Profil gerne in die Kameras.
Unerreicht ist sein Auftritt mit Freundin Natalia Wörner bei der Berlinale-Eröffnung. Der Außenminister und die Schauspielerin waren ziemlich früh da, und Maas fragte – so berichten übereinstimmend beteiligte Journalisten – in die Runde, was man denn nun machen solle. „Knutschen“, rief ein Fotograf. Maas nahm das, was eher als Scherz gedacht war, für bare Münze und küsste für die Kulisse.
Für jeden ersichtlich steht Maas im Schatten von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gerne die großen Linien der deutschen Außenpolitik absteckt. Und einfacher wird es für ihn nicht. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat bereits gezeigt, dass sie ein Gutteil in seinem Ressort mitzuwirken gedenkt. Von der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist zu erwarten, dass sie sich stark in die europäische Außenpolitik einmischen wird und das Betätigungsfeld von Maas damit weiter einengt.
Dabei gibt es Chancen zur Profilierung. Maas würde sich und der deutschen Außenpolitik zu wirklichem Glanz verhelfen, wenn er Deutschland als Vermittler im Syrien-Konflikt etablieren könnte. Einen entsprechenden Vorstoß hat er im vergangenen Jahr gewagt, musste dann aber zusehen, wie sein Angebot versandete. Es gab Zeiten, da wurde Deutschland aus dem Ausland häufig um eine aktive Vermittlerrolle gebeten. Das allerdings ist, um im Bild zu bleiben, schon lange kalter Kaffee.
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