Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Analyse: Es wird einsam um Donald Trump

Analyse

Es wird einsam um Donald Trump

    • |
    US-Präsident Donald Trump liegt in Wählerumfragen derzeit deutlich hinter Joe Biden.
    US-Präsident Donald Trump liegt in Wählerumfragen derzeit deutlich hinter Joe Biden. Foto: Evan Vucci, dpa

    Das Timing des Tweets verriet die Absicht. Fast zeitgleich mit der Bekanntgabe der Wirtschaftsdaten für das zweite Quartal dachte der Präsident laut darüber nach, die Wahlen am 3. November zu verlegen. Während drei Ex-Präsidenten auf der Beerdigung der Bürgerrechts-Ikone John Lewis sprachen, der sein Leben lang für faire Wahlen in den USA gestritten hatte, tat Trump so, als gäbe es keine Verfassung.

    Die Wahl verschieben? Die Kritik kam prompt und auch aus eigenen Reihen

    Die Gegenwehr kam schnell, entschieden und erstmals auch aus den eigenen Reihen. Mit einer Stimme wiesen Senatsführer Mitch McConnell und der Fraktionschef im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, sowie eine ganze Phalanx führender Republikaner eine Verschiebung der Wahl zurück. „Egal, was ein Einzelner in diesem Land sagt“, fasst der Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, Charles Grassley, den Tenor zusammen, „sind wir immer noch ein Rechtsstaat und folgen der Verfassung.“ Dort sind sowohl Wahldatum als auch Ende der Amtszeit des Präsidenten – 2021 ist es der 20. Januar – festgeschrieben. „Der Präsident hat keine Macht, das Datum zu ändern“, sagt Staatsrechtler Richard Hasen von der University of California in Irvine. „Er versucht nur, das Vertrauen der Wähler zu unterminieren, indem er ohne Beweise die Legitimität von Briefwahlen infrage stellt.“

    Mit dem Aufreger hatte Trump kurzfristig davon abgelenkt, dass die USA auch die Schallmauer von 150.000 Covid-19-Toten durchbrochen haben. Dass er sich mit der Kontroverse geholfen hat, bezweifeln Analysten. Selbst im eigenen Lager ist es einsam geworden um den „America First“-Präsidenten, der in Umfragen zum Teil zweistellig hinter Joe Biden zurückfällt.

    Die Wirtschaftszahlen alarmieren die Experten

    Michael Strain versucht, sich einen Reim auf die Politik des Präsidenten zu machen. Der Ökonom am konservativen American Enterprise Institute schaut sich die Fakten an und sieht dieselben Zahlen, die andere Experten auch besorgen:

    • den Rekordeinbruch der Wirtschaft um 9,5 Prozent im zweiten Quartal, der auf das Jahr hochgerechnet einen Verlust der Wirtschaftskraft um ein Drittel bedeutet.
    • die Arbeitslosenquote von 11,1 Prozent mit 19 Wochen in Folge, in denen jeweils mehr als eine Millionen Amerikaner Hilfe beantragen.
    • den Rückgang beim Konsum, der von einem massiven Vertrauensverlust begleitet wird.

    Aber der Präsident zeigt sich nicht besorgt

    Gefragt, ob er um die Wirtschaft besorgt sei, erklärte der Präsident in North Carolina: „Keinesfalls. Ich denke, die Erholung war sehr stark. Wir haben bei den Jobs Rekorde gesehen.“ Das war im Mai und Juni, als Trump allen Fakten zum Trotz auf eine Öffnung der Wirtschaft und Lockerung der Schutzmaßnahmen gedrängt hatte. Im Juni schwärmte er über eine V-förmige Erholung der Konjunktur, die nach steilem Absturz genauso stark zurückkommt: „Eine Raketen-Erholung.“

    Aber es kam, wie es nach den Warnungen seiner Gesundheitsexperten kommen musste. Just von Trump-Freunden regierte Staaten wie Texas und Florida, die so taten, als sei Corona kein Problem mehr, erleben nun Rekordzahlen an Neuinfektionen und Toten. 35 der 50 Bundesstaaten verzeichnen gerade Höchstwerte an Neuinfektionen.

    Notenbank-Chef Jerome Powell schrieb Trump bei seiner Pressekonferenz am Mittwoch ins Stammbuch, dass es keine nachhaltige Erholung geben könne, ohne das Virus unter Kontrolle zu haben. Doch das Gegenteil ist der Fall: 4,5 Millionen Betroffene, 70.000 Neuinfizierte und tausend Tote am Tag. Die Realität hat die Aussicht auf schnelle wirtschaftliche Erholung beerdigt. Die Rede ist nun von einer W-Konjunktur, die nach kurzer Erholung ein zweites Mal abstürzt. „Im Weißen Haus gibt es keine klare Strategie, die Wirtschaft zu unterstützen“, meint Ökonom Strain: „Er versteht nicht, wie schlecht es um die Wirtschaft steht und wie schwierig die Lage für Arbeiter und Familien geworden ist.“

    Demnächst laufen Hilfen für Arbeitslose und Unternehmen aus - und dann?

    Am Freitag erhielten die Arbeitslosen ihre letzte wöchentliche Corona-Hilfe von 600 US-Dollar. Den kleinen und mittleren Unternehmen gehen im August die nicht rückzahlbaren Überbrückungskredite aus. Ein neues Hilfspaket steckt im Kongress fest, weil sich schon die Republikaner untereinander nicht auf Details verständigen können. Ganz zu schweigen von dem Graben, der zwischen ihnen und den Demokraten liegt, die mit drei Billionen Dollar der Wirtschaft helfen wollen. Dem Kongress verbleiben zwei Wochen, vor den Ferien einen Kompromiss zu finden.

    Analysten sehen darin die letzte Chance Trumps, noch etwas zu tun, das ihm für die Wahl helfen kann. Doch der hält stur an seinem Glauben fest: „Basierend auf dem, was wir sehen“, verkündete Trump am Donnerstagabend vor Reportern im Weißen Haus, „wird es bald vorüber sein.“

    Lesen Sie dazu auch:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden