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Analyse: CDU und CSU entfremden sich: Ist die Union noch eine Union?

Analyse

CDU und CSU entfremden sich: Ist die Union noch eine Union?

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    Der tiefe Riss zwischen CDU und CSU, der im Wahlkampf nur mühsam gekittet worden war, tritt bei den Jamaika-Verhandlungen wieder in aller Schärfe in Erscheinung.
    Der tiefe Riss zwischen CDU und CSU, der im Wahlkampf nur mühsam gekittet worden war, tritt bei den Jamaika-Verhandlungen wieder in aller Schärfe in Erscheinung. Foto: Maurizio Gambarini, dpa

    Ein Politiker hat alles richtig gemacht, wenn sein Abgang bedauert und er auf der politischen Bühne vermisst wird. So gesehen hat Gerda Hasselfeldt alles richtig gemacht. Die CSU-Landesgruppenchefin, ihres leisen Auftretens und ausgleichenden Wesens wegen in der eigenen Partei gerne unterschätzt, von Angela Merkel dagegen als Mittlerin zwischen den beiden Schwesterparteien geschätzt, trat bei der Bundestagswahl nicht mehr an. Und nun bedauern nicht nur die CDU-Chefin, sondern auch die Liberalen und Grünen ihr Fehlen. Mit Hasselfeldt, heißt es bei Schwarz, Gelb und Grün unisono, wären die Sondierungsgespräche zur Bildung einer Jamaika-Koalition besser, auf jeden Fall konfliktfreier und harmonischer verlaufen.

    Denn Hasselfeldts Nachfolger Alexander Dobrindt ist aus einem völlig anderen Holz geschnitzt. Der neue Chef der bei der Bundestagswahl deutlich gestutzten weiß-blauen Landesgruppe setzt nach vier Jahren im Amt des Verkehrsministers nahtlos dort an, wo er als Generalsekretär aufgehört hat - als Mann, der keinem Konflikt aus dem Weg geht und mit Nachdruck die CSU-Positionen vertritt.

    In den Sondierungsgesprächen übernahm er die Rolle des Scharfmachers, um die gesamte Union auf einen strikten konservativen Kurs zu führen und die Grünen zu bekämpfen, auch wenn diese als potenzielle Koalitionspartner künftig mit am Regierungstisch sitzen. Vor allem aber schlüpfte er in die Rolle des Antipoden der Kanzlerin mit nur einem Ziel: möglichst viel Schwarz-Gelb statt Schwarz-Grün herauszuverhandeln und Merkel somit zu einer Revision ihres bisherigen Kurses zu zwingen.

    Jamaika-Verhandlungen offenbaren Riss zwischen CDU und CSU

    Wenn der CDU-Bundesvorstand heute und morgen zu einer Klausursitzung zusammenkommt, um über die Ursachen des schlechten Abschneidens bei der Bundestagswahl zu beraten, stehen sich innerhalb der Union zwei völlig konträre Sichtweisen gegenüber, die die Frage aufwerfen, ob die beiden Schwesterparteien überhaupt noch Schwestern sind. Denn in den Sondierungen trat der tiefe Riss zwischen CDU und CSU, der im Wahlkampf nur mühsam gekittet worden war, wieder in aller Schärfe in Erscheinung.

    Dabei geht es nicht nur um inhaltliche Fragen, sondern um die grundsätzliche Ausrichtung, sozusagen um die DNA der Partei, ihre Weltanschauung, ihr Gesellschaftsbild, ihre Grundstrategie. Während Angela Merkel und die Spitzen der CDU den eingeschlagenen Kurs der Mitte verteidigen, der es der Partei ermöglicht, wahlweise mit der FDP, der SPD und den Grünen Koalitionen einzugehen und sich so dauerhaft Mehrheiten zu sichern, ist es für die CSU geradezu existenziell, in Bayern die absolute Mehrheit der Mandate zu erobern. Vereinfacht gesagt: Die CDU, die auf Bundesebene immer auf einen Koalitionspartner angewiesen ist, kann mit der Existenz der AfD leben, die CSU nicht.

    Das erklärt denn auch das forsche Auftreten Dobrindts, Andreas Scheuers und anderer CSU-Größen in den Sondierungen, die, um in München zu überleben, in Berlin einen doppelten Kampf führen müssen: Auf der rechten Seite gilt es, durch einen strammen konservativen Kurs der AfD das Wasser abzugraben, auf der linken Seite dagegen müssen die Grünen, die sich in der bürgerlichen Mitte breitmachen, scharf attackiert und klein gehalten werden. Die SPD spielt als ernst zu nehmender Gegner im Freistaat ohnehin keine Rolle.

    Jamaika-Koalition sichert Merkel die Macht - könnte aber der CSU in Bayern schaden

    Die Jamaika-Koalition bringt das Schisma der beiden C-Schwestern in aller Deutlichkeit zum Vorschein. Für Angela Merkel ist das Bündnis mit den Gelben und Grünen die einzige Chance, ein viertes Mal zur Kanzlerin gewählt zu werden. Für die CSU dagegen bedeutet es, die Grünen, die man drei Jahrzehnte mit Inbrunst bekämpft hat, hoffähig zu machen und sie als gleichberechtigten Partner anzuerkennen. Was Merkel die Macht im Bund sichert, untergräbt die Chancen der CSU auf den Erhalt der absoluten Mehrheit im Freistaat. Die kleine Schwester hat nicht mehr viel mit der großen gemein.

    Neuigkeiten zu den Jamaika-Verhandlungen lesen Sie in unserem News-Blog zur Bundestagswahl.

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