Als am 6. Januar Trump-Anhänger das Kapitol stürmten, ging ein Beben durch die USA. Selbst hochrangige Vertreter der Republikaner gingen auf Distanz zum Präsidenten, ihrem Parteikollegen - vier Jahre, nachdem er ins Amt gekommen war. Wenig später entsteht die Idee eines zweiten Impeachments, um Trump schlussendlich aus dem Amt zu entfernen. Bereits im Januar 2020 war es zu einem Impeachment Trumps gekommen. Der Senat sprach ihn damals aber frei.
Vergangene Woche beschloss das Repräsentantenhaus ein weiteres Impeachment gegen Donald Trump. Am Mittwoch, 20. Januar, wird sein Nachfolger Joe Biden Präsident. Donald Trump wäre dann ohnehin nicht mehr im Amt. International berichteten Medien, ein Urteil würde eine weitere Kandidatur unmöglich machen. Der Deutschlandfunk etwa schrieb: "Ein erfolgreiches Impeachment-Verfahren würde verhindern, dass Donald Trump zur Präsidentschaftswahl 2024 erneut antreten oder je ein anderes öffentliches Amt bekleiden kann." Doch das ist nicht korrekt.
Ein Tweet zum Impeachment verbreitete Falsch- und Halbwahrheiten in den USA
Zuvor war in den USA ein Tweet viral gegangen, der ähnliches behauptete. Er wurde Hunderttausende mal geteilt, erhielt fast eine Million Likes. Der mittlerweile gelöschte Beitrag stellte vier Behauptungen für den Fall eines Impeachments auf:
- Trump würde seine Pension von jährlich mehr als 200.000 Dollar verlieren.
- Er hätte keinen Anspruch mehr auf ein Reisebudget von einer Million US-Dollar pro Jahr.
- Er verliere seinen Schutz durch den Secret Service.
- Trump könnte 2024 nicht mehr als Präsidentschaftskandidat antreten.
Ein Missverständnis liegt bereits in der Formulierung: Ein Impeachment führt nicht dazu, dass Trump seine Pension verliert - denn sonst hätte er sie bereits nach dem Impeachment 2020 verloren. Denn "impeached", also angeklagt, wurde der Präsident bereits zwei Mal.
Für Kirk Junker, Professor für US-Recht an der Universität zu Köln, ist der Wirbel um den Twitter-Beitrag ein Zeichen dafür, dass die Fähigkeit Meinungen und Fakten zu unterscheiden verloren gehe, wie er gegenüber unserer Redaktion sagt. Zum einfacheren Verständnis vergleicht er das Verfahren mit dem, das auf eine einfache Straftat folgt.
Das Impeachment-Verfahren gegen Trump läuft ab wie vor Gericht
Am Anfang steht eine mögliche Anklage. Bei einer Straftat sammelt die Staatsanwaltschaft Beweise. Wenn sie genügend hat, fertigt sie eine Anklageschrift. Das hat das Repräsentantenhaus getan. Anschließend stimmte das Gremium darüber ab, ob die Beweise für eine Anklage ausreichen - in vielen US-Bundesstaaten ist das bei Gericht Aufgabe einer Jury. Auch dieser Ansicht war das Repräsentantenhaus mehrheitlich - mit einigen Stimmen der Republikaner. Damit ist Trump bereits "impeached", wie der Experte für US-Recht feststellt. Dadurch sind die Aussagen des Tweets bereits falsch - denn noch gibt es keine Konsequenzen für Trump.
Im zweiten Schritt kann ein Urteil folgen. Dafür ist ein Prozess nötig. Bei einer Straftat geschieht das vor Gericht, bei diesem Verfahren vor dem Senat. Dafür muss das Repräsentantenhaus dem Senat aber noch einen Anklageartikel vorlegen. Das hat beim zweiten Impeachment bislang nicht stattgefunden. Sobald er vorliegt, beginnt ein Prozess. Er endet mit einem Freispruch oder mit einer Verurteilung, wenn zwei Drittel der Senatoren dafür stimmen. Die Amerikaner nennen so ein Urteil "removal" - eine Entfernung aus dem Amt.
Damit ist aber noch gesagt, welche Strafe Trump im Falle einer Verurteilung befürchten müsste. Es gibt mehrere Strafen, die das Gesetz vorsieht. Der Senat entscheidet mit einfacher Mehrheit darüber. Er könnte tatsächlich ein Verbot für Trump aussprechen, jemals wieder Bundesämter zu bekleiden. Ob der Senat ein solches Verbot wählen würde, ist nicht sicher. In jedem Fall geht es nicht automatisch mit der Entfernung aus dem Amt einher. Junker nennt einen Fall, in dem das Verbot trotz einer Verurteilung nicht ausgesprochen wurde: Ein Richter namens Alcee Hastings wurde in den 1980er-Jahren nach einem Impeachment aus dem Amt entfernt. Er durfte aber weiter Bundesämter bekleiden. Später kandidierte er erfolgreich für das Repräsentantenhaus.
Die vier Behauptungen zum Trump-Impeachment sind falsch
- Pension: Wenn Trumps Steuerunterlagen stimmen, ist er auf die Pension nicht angewiesen. Dabei handelt es sich nach Junker um "ein großes Wenn". Donald Trump schuldet mehreren Städten nach Wahlkampf-Rallyes Geld, auch die Deutsche Bank hat sich kürzlich von ihm abgekehrt. Gegebenenfalls könnten Schuldner Trumps Pension pfänden, sollte er sie nicht verlieren. Wird er aber nach seinem bereits erfolgten Impeachment auch verurteilt und aus dem Amt entfernt, gilt er nach dem Former Presidents Act nicht mehr als ehemaliger Präsident und hat möglicherweise keinen Anspruch mehr auf die Pension. Manche Experten vertreten gar die Auffassung, solche Ansprüche verfielen nur, wenn Trump innerhalb seiner Amtszeit verurteilt und aus dem Amt entfernt wird - was ausgeschlossen ist. Am Ende müsste wohl ein Gericht darüber entscheiden.
- Reisebudget: Wenn Trump lebenslangen Schutz durch den Secret Service erhält, hat er ohnehin keinen Anspruch auf das Reisebudget. Nach dem Former Presidents Act ist es nämlich auch für Sicherheitsleistungen vorgesehen.
- Schutz durch Secret Service: Es ist nicht genau geregelt, ob Donald Trump Anspruch auf Schutz durch den Secret Service hätte, sollte er aus dem Amt entfernt werden. Aus Sicht des US-Recht-Professors Junker wäre es in niemandes Interesse, ihm diesen Schutz zu entziehen.
- Präsidentschaftskandidatur: Das bereits durch die Entscheidung des Repräsentantenhaus erfolgte Impeachment hat keine Auswirkungen auf eine weitere Präsidentschaftskandidatur. Selbst wenn Trump verurteilt und aus dem Amt entfernt wird, wäre diese Frage noch offen. Zusätzlich müsste der Senat Trump verbieten, jemals wieder öffentliche Ämter zu bekleiden. CNN zitiert einen Experten, der darauf hinweist, dass bisher nur Richter und noch nie ein Präsident aus dem Amt entfernt wurden - weshalb unklar sei, ob ein solches Verbot beim Präsidentenamt überhaupt greifen würde.
Übrigens: CNN hat den Autor des Tweets kontaktiert und mit der Falschheit seiner Aussagen konfrontiert. Der Mann namens Ben Costiloe, der sich selbst als "Niemand" bezeichnete, gab an, er habe nur etwas auf Twitter wiedergegeben, was er auf Facebook gelesen hatte.
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