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Amazonas: Waldbrände in Brasilien: Kritiker sehen Ursache in Bolsonaros Agrar-Politik

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Waldbrände in Brasilien: Kritiker sehen Ursache in Bolsonaros Agrar-Politik

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    Kritiker sehen Brasiliens Präsident Bolsonaro als Schuldigen für die Waldbrände im Amazonas: Mit seiner Agrar-Politik sei er Konzernen gegenüber zu nachsichtig.
    Kritiker sehen Brasiliens Präsident Bolsonaro als Schuldigen für die Waldbrände im Amazonas: Mit seiner Agrar-Politik sei er Konzernen gegenüber zu nachsichtig. Foto: Christian Niel Berlinck/ICMBio, dpa

    Evaristo Alves de Souza ist das alles etwas unangenehm. Der Bauer hat auf seinem Acker ein Feuer gelegt, um es von Unkraut und Pflanzenresten zu befreien. Dann hat der Wind plötzlich gedreht und der Brand ist außer Kontrolle geraten. Am Ende wusste der Kleinbauer sich nicht mehr anders zu helfen und rief die Polizei.

    "Ich betreibe Brandrodung, um zu leben", sagt Alves. Er habe kein Geld, um sich teure landwirtschaftliche Maschinen zu kaufen. Das Abfackeln sei die einfachste und billigste Methode, um die Äcker zu reinigen und für eine neue Aussaat vorzubereiten.

    Während die Feuerwehr auf dem Feld am Stadtrand von Porto Velho im brasilianischen Amazonasgebiet die Flammen ausschlägt und Glutnester löscht, muss sich Alves eine Standpauke von Joelma Ferreira Bezerra anhören. Zerknirscht lässt der Bauer sich von der Inspektorin des Umweltamts zur Vorsicht ermahnen. Dann bekommt er eine Strafe aufgebrummt und darf gehen.

    Kritiker: Bolsonaros Regierung ermutigt die Agrar-Konzerne

    In Brasilien wüten derzeit die schwersten Brände seit Jahren. Seit Anfang des Jahres wurden in dem südamerikanischen Land über 87.000 Feuer registriert - 76 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Nach Einschätzung von Umweltschützern stecken meist Farmer bereits abgeholzte Flächen in Brand, um neue Weideflächen für Rinder und Ackerland für den Soja-Anbau zu schaffen. "Das ist ein übliches Vorgehen in der Region", sagt der Koordinator der Landwirtschaftskammer Porto Velho, Thiago Castro de Oliveira.

    Kritiker werfen dem rechten Präsidenten Bolsonaro vor, ein Klima geschaffen zu haben, in dem sich Farmer zu immer mehr Brandrodungen ermutigt fühlen. "Die Regierung will das", sagt Gilson da Costa Silva von der Universität Porto Velho. Er spricht vom "Banditentum des Agrar-Business", das den politischen Moment nutze, um die Grenze der landwirtschaftlichen Nutzung auf Kosten des Regenwaldes weiter auszuweiten und dabei die Zerstörung der Natur in Kauf nehme.

    Bolsonaro stützt sich im Parlament auf eine breite Fraktion über alle Parteigrenzen hinweg, die in Brasilien als "Bala, Boi e Bíblia" (Kugel, Vieh und Bibel) beschrieben wird. Die Rinder- und Soja-Barone sehen den strammen Ex-Militär als natürlichen Verbündeten, der im Amazonasgebiet auch mal beide Augen zudrückt. Bolsonaro hat eine Agrarlobbyistin an die Spitze des Landwirtschaftsministeriums gestellt, Umweltbehörden die Kompetenzen entzogen und die Schutzgebiete der indigenen Gemeinschaften in Frage gestellt.

    Brasilien: Neben Bauern sind auch Konzerne im Amazonas aktiv

    Am Tag, als es auf seinem Acker brannte, war Cleosson Ramos Lima nicht zu Hause. Der Maurer, der in seinem Haus arbeitete, rief ihn an und sagte, dass in der Nähe ein Feuer ausgebrochen sei. "Als ich eine Stunde später gekommen bin, war es schon zu spät", sagt er. Seine Maniok-Pflanzen, Bananenstauden und Palmen waren bereits ein Raub der Flammen geworden.

    Ramos sitzt auf der Terrasse seines Hauses in der Comunidade Terra Santa im Umland von Porto Velho im Bundesstaat Rondônia und blickt auf die Zerstörung, die das Feuer angerichtet hat. "So ist das hier eben. Die Leute machen rund um ihr Grundstück sauber, entfernen Unkraut und Gestrüpp und zünden dann alles an", sagt er. "Das ist die Kultur in Rondônia."

    Doch es sind nicht nur Kleinbauern, die am Amazonas zündeln. Das riesige und fast menschenleere Gebiet weckt viele Begehrlichkeiten bei Großgrundbesitzern und Bergbaukonzernen, Holzfällern und Goldsuchern, Energieunternehmen und Agrarfirmen. "Das ist nichts Kulturelles", sagt Costa Silva. "Das ist organisiertes Verbrechen."

    In Brasilien hat es zur Trockenzeit schon immer gebrannt, oft sogar noch viel mehr als in diesem Jahr. Die weltweite Aufregung über die Feuer im Amazonasgebiet können viele Brasilianer deshalb nicht verstehen. "Erst haben sie mich Käpt'n Motorsäge genannt, jetzt bin ich auf einmal Nero, der das Amazonasgebiet in Brand steckt", sagte Bolsonaro kürzlich. "Es ist eben gerade Saison für Brandrodungen."  

    Amazonas-Experte: "Internationale Reaktion unverhältnismäßig"

    Die internationale Reaktion auf die Brände im Amazonasgebiet sei unverhältnismäßig, sagt auch der Professor für Waldbewirtschaftung an der Universität von São Paulo, Luiz Carlos Estraviz Rodriguez. "Wir müssen uns daran erinnern, dass momentan Trockenzeit ist, in der sich Brände sehr leicht ausbreiten können. Die Brände, die wir gesehen haben, liegen an der Grenze zu Gebieten, die kürzlich für die Landwirtschaft geöffnet wurden." 

    Die Debatte um die Brände im Regenwald ist hochemotional. "Der Amazonas ist für mehrere Gruppen mit unterschiedlichen Ansichten zu Geopolitik, Gesellschaft und Wissenschaft zu einem Schlachtfeld geworden," sagt der ehemaliger Direktor des Instituts für Energie und Umwelt an der Universität von São Paulo, Ildo Luis Sauer. "Was wir heute sehen, ist ein Kampf zwischen Menschen, die alles ohne Rücksicht auf die Konsequenzen roden wollen, und anderen, die alles verhindern wollen, einschließlich nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten."

    Cleosson Ramos Lima will jetzt umsatteln. Im nächsten Jahr will er keinen Maniok mehr anbauen, zu groß ist die Angst, dass wieder ein Feuer seine Ernte vernichtet. Er will jetzt mit Solarenergie sein Geld verdienen. "Wir tun unseren Teil, versuchen uns zu schützen, aber wenn ein Funke fliegt, dann war's das", sagt er. (dpa)

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