Der Frieden von Bremen hat nicht lange gehalten. Auf dem Parteitag in der Hansestadt am Wochenende jubelten die Mitglieder der AfD in den beiden Sitzungssälen ihrem Gründer und Vorsitzenden Bernd Lucke zu. Sie folgten seinen Vorschlägen, die Führungsstrukturen der Partei zu professionalisieren. Doch hinter den Kulissen waren ganz andere Töne zu hören.
Auf den Gängen und Fluren des Bremer „Congress Centrums“ übten zahlreiche Mitglieder massive Kritik an Lucke. Sie unterstellten ihm „Eitelkeit“ und „Machtstreben“ und warfen ihm vor, seine persönlichen Interessen über die Belange der Parteimitglieder zu stellen und die Anliegen der Basis zu ignorieren. „Lucke denkt nur an sich, er braucht uns nur als Claqueure“, schimpfte ein Mitglied offen am Kaffeestand.
Parteichef Alexander Gauland kritisiert Bernd Lucke
Keine Einzelmeinung. In der Partei gärt es. Auch auf dem Parteitag in Bremen gelang es nicht, die innerparteilichen Gräben zu schließen und die Konflikte zu klären. Der Unmut über Lucke geht bis in die Führungsspitze. So bezeichnete der stellvertretende Parteichef Alexander Gauland in einem Interview Luckes Aussage, die Arbeit der bisherigen Parteispitze sei „stümperhaft“ gewesen, als „Schwachsinn“. Diese Einschätzung sei „völlig falsch“ sowie „unsinnig und unkollegial“. Luckes Rede sei „nicht sehr zielführend und für die Einheit der Partei nicht klug und nicht glücklich“ gewesen.
Das sind die Ziele der AfD
Währung: Die Alternative für Deutschland fordert die Abschaffung des Euros. Stattdessen soll jedes Land wieder eine eigene Währung bekommen. Im Parteiprogramm heißt es: "Die Wiedereinführung der DM darf kein Tabu sein."
Europa: Die AfD setzt sich für eine Reform der EU ein. Sie fordert vor allem, dass weniger in Brüssel entschieden wird und mehr in Berlin.
Demokratie: Auch Volksabstimmungen gehören zu den Forderungen der AfD. Die Partei wünscht sich nach eigenen Angaben allgemein mehr direkte Demokratie.
Finanzen: Die AfD unterstützt den Kurs der Bundesregierung, Schulden abzubauen. Bei den Steuern fordert die Partei vor allem ein verständlicheres System. Sie schreibt in ihren Leitlinien: "Der Bürger muss verstehen können, warum er in welcher Höhe besteuert wird."
Rente: Die Höhe der Rente solle gesetzlich garantiert werden. Die AfD bezeichnet vor allem die Eurokrise als Gefahr für die Altersvorsorge.
Bildung: Die AfD wirbt beim Schulsystem für einheitliche Standards in ganz Deutschland. An den Universitäten solle die Rückkehr zu Staatsexamen und zum Diplom möglich sein.
Energie: Die Energiewende unterstützt die AfD zwar - aber nicht deren Finanzierung. Sie halte es für unfair, Sonnen- und Windenergie über die Strompreise zu fördern. Stattdessen solle das Geld dafür aus den allgemeinen Steuereinnahmen kommen.
Integration: Die AfD sieht nach eigenen Angaben die Zuwanderung in das deutsche Sozialsystem als Gefahr. Sie wolle das mit neuen Regeln unterbinden. Ernsthaft politisch verfolgte Menschen hätten aber ein Recht auf Asyl und sollten auch arbeiten dürfen.
Auch Co-Sprecherin Frauke Petry kritisierte Lucke. Dieser müsse „integrativ wirken“ und an dieser Stelle „nacharbeiten“. Mit seiner Feststellung habe er viele Mitglieder und Vorstandsmitglieder „vor den Kopf gestoßen“. Und die stellvertretende Vorsitzende Patricia Casale empörte sich: „Ich lasse mich nicht als Stümper bezeichnen.“
Bernd Lucke will die AfD nicht Frauke Petry und Alexander Gauland überlassen
Der verbale Schlagabtausch ist auch ein Kampf um die Ausrichtung der Partei. Bernd Lucke ist entschlossen, die AfD nicht Frauke Petry und Alexander Gauland zu überlassen, die sie klar rechts von der Union positionieren wollen. Auf dem Parteitag in Bremen ließ er keinen Zweifel aufkommen, dass er den Platz seiner Partei in der politischen Mitte sehe. Unterstützt wird er dabei von Hans-Olaf Henkel sowie mehreren ihm loyal zur Seite stehenden Landesvorsitzenden im Westen. So gehört der Chef von Baden-Württemberg, Bernd Kölmel, ebenso zu seinen Verbündeten wie die Vorsitzenden von Bayern, Schleswig-Holstein, Berlin und Bremen, Ulrike Trebesius, Andrè Wächter, Günter Brinker und Christian Schäfer.
Im nordrhein-westfälischen Landesvorstand sitzt Luckes Schwester Beate Forner. Auf sie ist der 52-jährige Hamburger Wirtschaftsprofessor vor allem in der nun beginnenden Programmdebatte angewiesen, damit schon im Vorfeld allzu radikale und weitreichende programmatische Forderungen abgewehrt werden und erst gar nicht den für November geplanten Parteitag erreichen. Umgekehrt dürften die Unterlegenen von Bremen nichts unversucht lassen, ihre inhaltlichen Positionen ins Parteiprogramm zu schreiben. Frauke Petry ahnt schon, was das heißt: „In der Programmdebatte werden wir um jede Position hart ringen müssen.“