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Umweltschutz: Alle warten auf den großen Wurf aus dem Klimakabinett

Umweltschutz

Alle warten auf den großen Wurf aus dem Klimakabinett

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    Schülerprotest von Fridays for Future vor dem Bundeskanzleramt: Pro Kopf gerechnet gehören die Deutschen nach wie vor zu den größten Klimasündern der Welt, obwohl die Energiewende hier erfunden wurde.
    Schülerprotest von Fridays for Future vor dem Bundeskanzleramt: Pro Kopf gerechnet gehören die Deutschen nach wie vor zu den größten Klimasündern der Welt, obwohl die Energiewende hier erfunden wurde. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Hunderttausende Kehlen wollen am Freitag den Klimaschutz herbei schreien. Hören sollen diesen Schrei die Kanzlerin und zahlreiche Minister, die sich am Freitag im Klimakabinett zusammensetzen und für dieses Land die wichtigste Weiche der nächsten Jahrzehnte stellen wollen. Die Erhitzung des Planeten zwingt die Regierung zu einer drastischen Reaktion, deren Folgen noch nicht überschaubar sind. Fest steht nur: Deutschland muss weniger Treibhausgas ausstoßen.

    SPD und Union haben unterschiedliche Vorstellungen im Klimakabinett

    Deutschland ist am rasanten Klimawandel als altes Industrieland schwer mitschuldig. Pro Kopf gerechnet gehören die Deutschen nach wie vor zu den größten Klimasündern der Welt, obwohl die Energiewende hier erfunden wurde. Am Freitag und beim Vortreffen am Abend zuvor wird sich die Regierung also daran machen, die Welt zu retten. Und gleichzeitig sich selbst. Deutschland soll der Welt zeigen, wie ein reiches Land mit starker Industrie CO2-frei wird.

    Union und SPD haben unterschiedliche Vorstellungen über die Rettungswege und es ist noch nicht ausgemacht, dass sie sich einigen werden. Gelingt das nicht, platzt mit ziemlicher Sicherheit die Koalition. Es soll also ein großer Wurf werden, und für den setzt sich der Koalitionsausschuss bereits am Donnerstagabend zusammen. Es wird mit einer Sitzung bis in den frühen Freitagmorgen gerechnet. Anschließend soll das Klimakabinett tagen und bis etwa Freitagnachmittag die finale Einigung formulieren.

    Selbst wenn das gelingt und am Ende ein kluges Konzept herauskommt, wird es brutal schwierig werden, die Worte in Wirklichkeit zu verwandeln. Bei der aktuellen Lebensweise wird beinahe überall Kohlendioxid freigesetzt - bei der Erzeugung des Stromes, beim Heizen der Häuser, bei der Fahrt zur Arbeit, beim Essen einer Bratwurst. Es steckt viel Wunschdenken darin, das Leben grundlegend umkrempeln zu können.

    In der Klimapolitik gibt es in Deutschland viele offene Fragen

    Beispiel Verkehr: Im Jahr 2030 sollen hierzulande mindestens sieben Millionen Elektro- und Hybridwagen herumfahren. Derzeit sind es rund eine halbe Million. Viel mehr Menschen als bisher sollen auf die Bahn umsteigen. Doch das Unternehmen steckt in einer schweren Krise. In der Bilanz klafft ein Loch von drei Milliarden. Bis die neuen Züge geliefert werden, dauert es mehrere Jahre. Der Bau neuer Strecken noch länger.

    Beispiel Gebäude: Pünktlich zu den Beratungen hat die Immobilienwirtschaft eine neue Studie vorgelegt. Immerhin 15 Prozent des CO2-Ausstoßes entstehen beim Heizen und im Sommer beim Kühlen von Gebäuden. Laut der Untersuchung lohnt sich eine außerplanmäßige Sanierung selbst mit Förderprogrammen für moderne Heizungen und einer CO2-Abgabe wirtschaftlich nicht. Verschärft wird das Problem durch das Dilemma, dass sich der Einbau einer neuen Heizung in einem Mietshaus nur für die Mieter auszahlt, weil die Nebenkosten sinken. Der Vermieter hat davon erst einmal nichts, außer Kosten und einem guten Gewissen.

    Beispiel Energiewirtschaft: Spätestens im Jahr 2038 soll das letzte Kohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Das kann aber nur gelingen, wenn in den nächsten Jahren tausende neue Windräder errichtet werden und tausende Kilometer zusätzliche Stromleitungen gezogen werden. Doch dort, wo es konkret wird mit der Energiewende, kämpfen Bürgerinitiativen vehement dagegen und haben Erfolg. Der Ausbau der Windkraft ist beinahe zum Erliegen gekommen, bei den Leitungen ist ein jahrelanger Rückstand aufgelaufen. Klimaschutz ja, aber nicht in meinem Vorgarten.

    CO2-Steuer: Ja oder Nein?

    Größtes Hindernis für den Klima-Masterplan ist der Streit innerhalb der Großen Koalition, wie der Ausstoß von Kohlendioxid verteuert werden soll. Einen solchen Preis für die Verursacher wollen Union wie SPD. CDU und CSU plädieren für einen Handel mit Zertifikaten: Unternehmen kaufen solche Zertifikate für eine bestimmte Menge CO2 und können diese wieder verkaufen, wenn sie weniger Treibhausgas produzieren. Die SPD hingegen will eine CO2-Steuer. Beiden Modell gemeinsam ist, dass der Ausstoß von CO2 in Zukunft Geld kosten wird. Es wird deshalb erwartet, dass sich Schwarz und Rot hier einigen werden. Offen ist lediglich, welchen Namen die Abgabe am Ende bekommt.

    Für die CDU haben sich die Abgeordneten Andreas Jung (CDU) und Georg Nüßlein (CSU) in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zwar auf den Zertifikatehandel festgelegt und die CDU-Spitze ist diesem Vorschlag auch gefolgt. In Regierungskreisen wird aber darauf verwiesen, dass Jung und Nüßlein dem Klimakabinett nicht angehören. Mit anderen Worten: Ihre Vorschläge können durchaus noch abgeändert werden. Viel wichtiger dürfte, so ist aus Regierungskreisen weiter zu hören, die Frage werden, wohin das Geld aus der CO2-Bepreisung fließt.

    Eine zweite wichtige Frage für die Verhandlungspartner ist, wie die Fläche von den angedachten Förderprogrammen zum Klimaschutz profitiert. Hier steht vor allem der Verkehrssektor im Mittelpunkt, denn über E-Autos und einen besser ausgebauten Öffentlichen Personen-Nahverkehr, über vergünstige Bahntickets und andere Maßnahmen ließe sich viel CO2 einsparen. Doch den drei Parteien ist klar, dass sich solche Ideen in den Ballungszentren relativ einfach umsetzen lassen, es auf dem Land mit mehr Ladestationen oder Fahrplänen mite einer höheren Bus-Taktung hingegen schwierig wird.

    Die Opposition kritisiert Pläne des Klimakabinetts

    Die Defizite sind so groß, dass schon jetzt klar ist, dass die erwarteten Klimaschutzmaßnahmen der Regierung nicht alle überzeugen werden. Bei führenden Grünen-Politikern etwa herrscht gewaltige Skepsis. Lisa Badum, die klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, sagt unserer Redaktion: „Man kann nicht die Glasur anrühren, ohne den Kuchen zu backen. Wir sehen aktuell nur Beiwerk und Einzelmaßnahmen, aber keinen Willen zur strukturellen Veränderung, wie ein umfassendes Klimaschutzgesetz, das gar nicht mehr auftaucht.“

    Stattdessen solle die Last unfairerweise bei den Verbrauchern liegen, kritisiert Badum. Besser wäre es, die Unternehmen zum Schutz der Bevölkerung zu zwingen, endlich selbst Verantwortung übernehmen. Als Beispiel nennt Badum das „Ende des Verbrenners bis 2030“. In der Grünen-Bundestagsfraktion wird in vertraulichen Gesprächen aber auch die Angst laut, ein scheinbar großer Wurf der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz könnte ihrer Partei schaden. Wenn das grüne Ur-Thema Klimaschutz in der Bevölkerung als erledigt gilt, wäre das ein Nachteil bei den nächsten Wahlen.

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