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Afghanistan: EU und Nato reagieren auf Afghanistan verzweifelt und planlos

Afghanistan

EU und Nato reagieren auf Afghanistan verzweifelt und planlos

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    In Köln protestierten diese Afghanen gegen die Machtübernahme durch die Taliban in ihrem Heimatland.
    In Köln protestierten diese Afghanen gegen die Machtübernahme durch die Taliban in ihrem Heimatland. Foto: dpa

    Eigentlich hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg an diesem Dienstag eine seiner stets nüchternen Stellungnahmen angekündigt. Afghanistan sei ein „beispielloser Kollaps der militärischen und politischen Strukturen“ führte der Norweger aus. Er dankte den amerikanischen und britischen Einheiten, die gerade die Evakuierung „organisieren und absichern“. Von der Bundeswehr sprach er nicht. Aber dann brachte den trotz der schrecklichen Bilder aus Kabul steril wirkenden Chef der Militär-Allianz die Frage einer italienischen Korrespondentin aus der Fassung.

    Unter Tränen flehte die Kollegin den Nato-Generalsekretär an, die Frauen und Mädchen zu beschützen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten endlich leben konnten. Sie bat Stoltenberg, keine Gespräche mit den Taliban ohne Auflagen und Bedingungen zum Schutz der Frauen zu akzeptieren. Der Nato-Generalsekretär rang erkennbar um Worte, verwies darauf, dass das Bündnis auch weiter für die Menschenrechte kämpfen werde. Nur wie und womit? Darauf hatte Stoltenberg keine Antwort.

    Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherte, dass die Nato weiter um die Menschenrechte kämpfen werde.
    Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherte, dass die Nato weiter um die Menschenrechte kämpfen werde. Foto: dpa

    Die Nato ist ebenso geschockt wie die EU. „Wir hatten befürchtet, dass die Uhrzeiger innerhalb von zwanzig Wochen um zwanzig Jahre zurückgestellt werden, doch unglücklicherweise reichten stattdessen weniger als zwanzig Tage“, räumte der italienische General Claudio Graziano, der Vorsitzende des

    Lage in Afghanistan: Maas verteidigt das Vorgehen

    Längst geht es nur noch darum, die Evakuierung der Europäer und der einheimischen Helfer zu organisieren. Die Außenminister der Gemeinschaft, die ebenfalls gestern per Video tagten, versprachen sich gegenseitig, dass „jeder jeden Europäer“ mitnimmt, egal, ob es sich nun um deutsche, amerikanische, französische oder (ab dem heutigen Mittwoch) belgische Maschinen handelt. Ob das reicht, das wollte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag noch nicht abschätzen. „Wir bemühen uns. Die Umstände am Flughafen Kabul sind mehr als schwierig“, sagte er und verteidigte zugleich sein Vorgehen. Berichte über einen regelrechten Hilferuf der deutschen Botschaft in Afghanistans Hauptstadt schon am Freitag wies er zurück. „Alle Mitgliedstaaten (der Nato, d. Red.) haben gleich gehandelt und seit Samstag in Krisenstäben die Evakuierung vorbereitet“, sagte Maas. „Ich würde meine Entscheidungen so wieder treffen“, betonte der Minister, als er nach möglichen persönlichen Konsequenzen gefragt wurde.

    Die EU-Staaten richteten ihren Blick gestern bereits nach vorne und wollen mit den Nachbarländern Afghanistans die „humanitäre Zusammenarbeit“ intensivieren, um Asylsuchende, die dort ankommen, auch möglichst fern von Europa zu betreuen. „Wir sind bereit, zu helfen“, sagte der Bundesaußenminister. Andere wohl auch. Eine Fluchtwelle in Richtung Europäischer Union soll vermieden werden.

    Noch überlagern die schwer verdaulichen Bilder aus Kabul den nächsten Schritt, nämlich die Auseinandersetzung mit der Frage, warum sowohl die Allianz wie auch die EU-Gemeinschaft derart unvorbereitet auf die schnelle Machtübernahme der Taliban waren.

    Nato-Generalsekretär Stoltenberg: "Es müssen Lehren gezogen werden"

    Im militärischen Hauptquartier der Nato im belgischen Mons sagen hochrangige Militärs, der Zusammenbruch der afghanischen Streitkräfte, die man fast 20 Jahre lang trainiert habe, war nicht vorherzusehen. Die Schuld, so hieß es gestern gegenüber unserer Redaktion, „liegt bei der Staatsführung in Kabul, die ihren eigenen Sicherheitsapparat bloßgestellt hat und lieber selbst geflohen“ ist.

    Ob das die einzige und wichtigste Erklärung ist? Für Jens Stoltenberg, den Chef des größten Militärbündnisses der Welt, steht jedenfalls fest: „Es müssen Lehren gezogen werden.“ Welche das sein könnten? An diesem Dienstag hatte er auch darauf keine Antwort.

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