Einige Namen auf der Liste bestätigen die schlimmsten Befürchtungen. Allen voran Siradschuddin Hakkani, Innenminister der Übergangsregierung. Er ist Chef eines nach ihm benannten berüchtigten Netzwerkes, das für einige der blutigsten Anschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht wird. Er gilt als bestens vernetzt mit der Terrorgruppe Al-Kaida. Hakkani steht seit Jahren weit oben auf der internationalen Fahndungsliste des US-Inlandsgeheimdienstes FBI. Derjenige, der Hakkani dingfest macht, kann mit einer Belohnung von immerhin fünf Millionen Dollar rechnen. Kein Wunder, dass Washington die Zusammensetzung des vorläufigen Kabinetts umgehend scharf kritisiert.
Insbesondere Frauen fürchten, dass das wachsende Maß an Selbstbestimmung, das sie in den letzten 20 Jahren zumindest in den größeren Städten gewonnen haben, verloren geht. Dass das bisherige afghanische Frauenministerium in „Ministerium für Tugend und Moral“ unbenannt wurde, ist ein Menetekel. Es droht der Weg zurück in die islamistische Steinzeit.
33 Männer – und nur Männer – sollen zustande bringen, was kaum einer den Taliban zutraut: Sie sollen als Minister einer Übergangsregierung den Ausnahmezustand durch Sicherheit und Stabilität ersetzen und damit die Grundlage für ein dauerhaftes islamistisches Emirat legen. Denn die Taliban wissen, dass ihre Macht ins Wanken geraten könnte, wenn es nicht gelingt, die Wirtschaftskrise, Korruption und Armut in den Griff zu bekommen.
Gegner der Taliban gehen auf die Straße
Schon jetzt wagen sich Gegner der neuen Herrscher regelmäßig auf die Straße – am Dienstag protestierten mehrere hundert Männer und Frauen gegen den Einfluss Pakistans im Land und damit indirekt auch gegen die Taliban
Die Zusammensetzung des Übergangskabinetts ist insofern aufschlussreich, als dass sie das Bestreben der Taliban widerspiegelt, die Strömungen innerhalb der Organisation zu beteiligen. Auf diese Weise sollen Fliehkräfte zwischen Pragmatikern und Heißspornen abgemildert werden. Dass keine Frauen unter den Ministern sind, wurde ebenfalls von der US-Regierung kritisiert, überraschend kam es nicht. Gleichzeitig widerspricht die Ministerliste dem Versprechen der Taliban-Führung, auch Politiker, die nicht zu den siegreichen Rebellen gehören, in die Regierung zu integrieren.
Die Taliban werden nicht bereit sein, ihre Macht zu teilen
Darauf angesprochen, verwies ein Taliban-Sprecher auf den vorläufigen Charakter des Kabinetts. Allerdings ist es eine Illusion anzunehmen, dass die Taliban bereit sein könnten, auch nur einen winzigen Teil ihrer Macht in fremde Hände zu legen – selbst wenn sie doch noch Minister ernennen sollten, die nicht aus ihren Reihen stammen. 30 der 33 Minister sind Paschtunen, hinzu kommen zwei Tadschiken und ein Usbeke. Für eine Kontinuität, die schreckliche Erinnerungen weckt, spricht der Umstand, dass viele Minister schon während der ersten Herrschaft der Taliban von 1996 bis 2001 eine wichtige Rolle spielten.
So wie der Chef der neuen Regierung, Mullah Mohammed Hassan Achund. Eine überraschende Personalie. Denn Achund, der bereits in den 90er Jahren Außenminister der Taliban-Regierung war, ist in den letzten Jahren kaum in Erscheinung getreten. Achund findet sich auf einer Sanktionsliste des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.
Beobachter hatten erwartet, dass Abdul Ghani Baradar, der in westlichen Medien als Gesicht der Taliban-Führung ausgemacht wurde, die Regierung leiten würde. Doch er landete in der zweiten Reihe. Weiter vorne, als Verteidigungsminister, steht Mullah Mohammed Yakub, der Sohn des Taliban-Gründers Mullah Omar. Der Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, erklärte, er erwarte, dass die Übergangsregierung nun zügig international anerkannt werde. Was die westlichen Staaten betrifft, spricht wenig dafür, dass dieser Wunsch in nächster Zeit in Erfüllung geht.