Die Affäre um den CDU-Politiker Philipp Amthor soll zu weitreichenden Konsequenzen für die Arbeit der Bundestagsabgeordneten und Lobbyisten in Deutschland führen. Noch in diesem Jahr will die Koalition nach Aussage der SPD ein seit Jahrzehnten umstrittenes Lobbyregister im Bundestag beschließen. „Die Koalitionsfraktionen haben verabredet, dass wir noch in diesem Herbst ein Lobbyregister im Deutschen Bundestag einführen“, sagte der Sprecher der Arbeitsgruppe Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Bartke, unserer Redaktion. Die Wende kommt überraschend: Noch bei den Koalitionsverhandlungen waren die Sozialdemokraten mit einer entsprechenden Forderung am Widerstand der Union gescheitert.
„Lobbyisten sollen sich einem Verhaltenskodex unterwerfen“, kündigte der SPD-Abgeordnete an. „Einflussnahmen auf parlamentarische Entscheidungsprozesse sollen künftig klar erkennbar sein“, betonte Bartke. „Darüber hinaus prüfen wir derzeit die Offenlegungspflicht aller Formen von Unternehmensbeteiligungen inklusive Aktienoptionen“, fügte Bartke hinzu. Er forderte zugleich den CDU-Abgeordneten Amthor auf, die Vorwürfe gegen ihn aufzuklären: Die bislang ans Licht gekommenen Informationen seien „besorgniserregend“.
Die CDU sperrte sich bislang gegen ein Transparenzregister
Anti-Korruptions-Organisationen wie Lobbycontrol und Transparency International fordern seit langem ein öffentliches Register für die Einflussnahme von Interessenvertretern und Unternehmen auf die Politik. So wie man heute dem Bürger beim Surfen im Internet einen digitalen oder hinsichtlich des Treibhausgasausstoßes einen ökologischen „Fußabdruck“ zurechnet, so setzen die Befürworter eines Transparenzregisters auf eine nachweisbare ganze „Fußspur“ von Lobbyisten-Einfluss bei jedem neuen Gesetz.
Eine solche Regelung gibt es seit vergangenem Jahr im Europaparlament. Laut der Geschäftsordnung muss jeder EU-Abgeordnete, der an Ausarbeitung und Verhandlung von Gesetzen beteiligt ist, Sitzungen mit Lobbyisten online veröffentlichen. In den USA gibt es bereits seit Mitte der neunziger Jahre ein strenges Lobbyregister, das nach mehreren Skandalen um Kongressabgeordnete beschlossen wurde.
Die CDU sperrte sich bislang gegen ein solches Register. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, warnte lange Zeit, dass am Ende eines solchen Prozesses „ein völlig ,gläserner‘ Abgeordneter“ stehe: „So bekämen wir bald Parlamentarier, die jeden Gesprächstermin, jedes Telefonat, jeden Kontakt, jeden Besuch einer Veranstaltung dokumentieren müssten.“ Der Verlust derlei vertraulicher Kontakte steht im Widerspruch zur grundgesetzlich garantierten Ausübung des freien Mandats.
Die Grünen verlangen seit Jahren die Einführung eines Lobbyregisters
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte jedoch schon Mitte der Woche eine Wende angekündigt und betont, dass seine Partei einem Lobbyregister sehr offen gegenüberstehe.
In der Opposition wird seit Jahren auf ein entsprechendes Gesetz gedrungen: „Die FDP-Fraktion fordert seit Langem die Einführung eines Lobbyregisters, in dem Geldquellen offengelegt werden“, sagt der stellvertretende Fraktionschef Stephan Thomae. „Auch bei der Offenlegung der Nebeneinkünfte müssen Unternehmensbeteiligungen berücksichtigt werden.“
Auch die Grünen verlangten seit Jahren „die Einführung eines verbindlichen gesetzlichen Lobbyregisters, einen legislativen Fußabdruck und klarere Veröffentlichungspflichten bei Nebeneinkünften von Abgeordneten“, sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann: „Der europäische Vergleich zeigt, dass Deutschland bei der Transparenz großen Nachholbedarf hat“, betont sie. „Die Union ist jetzt aufgerufen, nicht länger zu blockieren.“
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