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Affäre: Wulff will Aufklärung über "Nord-Süd-Dialog"

Affäre

Wulff will Aufklärung über "Nord-Süd-Dialog"

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    "Sollte jetzt doch Steuergeld hineingeflossen sein, hätten wir dem Parlament gegenüber nicht die Wahrheit gesagt", sagte Wulff am Sonntag in Berlin.
    "Sollte jetzt doch Steuergeld hineingeflossen sein, hätten wir dem Parlament gegenüber nicht die Wahrheit gesagt", sagte Wulff am Sonntag in Berlin. Foto: dpa

    Der in die Kritik geratene Bundespräsident Christian Wulff will Aufklärung über möglicherweise falsche Angaben seiner früheren Landesregierung zur Finanzierung des "Nord-Süd-Dialogs". "Sollte jetzt doch Steuergeld hineingeflossen sein, hätten wir dem Parlament gegenüber nicht die Wahrheit gesagt", sagte Wulff am Sonntag in Berlin. Die niedersächsische SPD kündigte eine Klage gegen Wulff vor dem Staatsgerichtshof an.

    Wulff: "Kein Steuergeld geflossen"

    Wulff sagte auf der Veranstaltung "Zeit-Matinee" in Berlin: "Wir haben im Landtag gesagt, in diese Veranstaltung ist kein Steuergeld geflossen." Dies sei "nach bestem Wissen und Gewissen" geschehen. Der Vorgang müsse jetzt "zurecht vermutlich vor dem Staatsgerichtshof geklärt werden." Wenn Kochbücher für die Veranstaltung finanziert worden seien, "dann war die Frage falsch beantwortet, dass nichts bei der Veranstaltung finanziert worden ist", räumte der Bundespräsident ein.

    Vorwürfe gegen Glaeseker

    Presseberichten zufolge hatte das Landwirtschaftsministerium für den "Nord-Süd-Dialog" 3411 Euro für Bücher bezahlt, die den Besuchern des Festes von dessen privatem Veranstalter Manfred Schmidt geschenkt wurden. 2010 hatte Wulffs Staatskanzleichef erklärt, es habe für die Veranstaltung keine Beteiligung oder Finanzierung des Landes gegeben. Wulffs langjährigem engen Vertrauten und Sprecher Olaf Glaeseker wird zudem vorgeworfen, auf Landeskosten Studenten für die Bewirtung der Gäste des privaten "Nord-Süd-Dialogs" angeheuert zu haben.

    Chronologie der Affäre Wulff

    25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.

    18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.

    12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.

    13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.

    14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.

    15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.

    19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.

    20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.

    22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.

    2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.

    4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.

    19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.

    16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.

    17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.

    18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.

    29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.

    9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.

    9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.

    9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.

    12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.

    14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.

    9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.

    19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.

    27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)

    Laut "Bild am Sonntag" profitierte Glaeseker von seiner guten Beziehung zum Partyveranstalter Schmidt stärker als bislang bekannt. Demnach erhielt er neben Gratis-Urlauben auch mehrfach Gratisflüge. Der "Spiegel" berichtete zudem, Glaeseker habe anders als zuvor behauptet Sponsorengelder für den "Nord-Süd-Dialog" eingeworben. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen Glaeseker und Schmidt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung, am Donnerstag wurden Privat- und Geschäftsräume durchsucht.

    Wulff: "Keine einfache Situation"

    Wulff räumte ein, die gegen Glaeseker erhobenen Vorwürfe seien für ihn "keine einfache Situation". Er hob hervor, ihm selbst würden keine solchen Rechtsverstöße vorgeworfen. Er habe zwar Fehler gemacht, doch für die habe er sich entschuldigt. An Rücktritt denke er nicht, bekräftigte Wulff.

    Nach Ansicht des niedersächsischen SPD-Fraktionschefs Stefan Schostok ist die Unterstützung durch die Landesregierung zweifelsfrei belegt. Schostok sagte am Sonntag dem Sender n-tv: "Wenn festgestellt wird, dass Wulff die niedersächsische Verfassung gebrochen hat, wird er nicht als Bundespräsident im Amt bleiben können." Der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel sagte im Deutschlandfunk: "Wulff ist ein Lügner, und er sollte seinen Hut nehmen, bevor er Recht und Gesetz und Anstand noch mehr in den Dreck zieht." (AZ, afp)

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