Alice Weidel scheint sich ihrer Sache sicher zu sein. Mit stoischer Ruhe sitzt die Chefin der AfD-Bundestagsfraktion in der ersten Reihe, bis die gut 1000 Mitglieder endlich im Saal sind und der Landesparteitag mit einstündiger Verzögerung beginnt. Von der wachsenden Nervosität um sie herum lässt sich die 41-Jährige nicht anstecken.
Vier Stunden später ist sie mit 54 Prozent der Stimmen zur neuen Vorsitzenden der badenwürttembergischen AfD gewählt. Ihr Gegenspieler, der Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel, bringt es nur auf 41 Prozent, fällt auch bei der Wahl der Stellvertreter durch. Das Weidel-Lager gewinnt alle Kampfabstimmungen um die vier Posten der engeren Parteiführung. Es ist ein Durchmarsch der Gemäßigten, für die Anhänger des völkisch-nationalistischen „Flügel“, zu denen auch Spaniel gerechnet wird, ist das Treffen in Böblingen ein Desaster.
Weidel lobt Björn Höcke in den höchsten Tönen
Schon vor drei Jahren wollte Weidel, die einen Wohnsitz in Überlingen am Bodensee hat, AfD-Landeschefin werden. Nach einer schlechten Rede verlor sie gegen den ziemlich unbekannten Ralf Özkara, einem Vertrauten des Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen. Özkara hat 2019 die AfD mit der Begründung, „die Partei wird von Idioten geleitet“, verlassen. Als „schlafenden Riesen“ beschreibt Weidel den Landesverband. Den müsse man nur wecken, dann seien auch im Südwesten Ergebnisse wie im Osten mit mehr als 20 Prozent möglich. Die AfD sei ein Fels geworden, an dem die anderen Parteien wie Nussschalen zerschellen würden. Dafür erntet sie auch ein paar „Buhs“.
Den Thüringer AfD-Chef und Anführer des völkisch-nationalistischen „Flügels“, Björn Höcke, lobt Weidel in den höchsten Tönen: „Was er letzte Woche geschafft hat, das hat noch keiner vor ihm geschafft. Dafür gebührt ihm der höchste Respekt.“ Den „Flügel“ bewertet Weidel nach ihrer Wahl als „ganz wichtige Strömung in der Partei“. Dieser Teil der Partei müsse eingebunden werden.
"Flügel"-Anhänger haben in der Landtagsfraktion eine klare Mehrheit
Natürlich weiß Weidel, wie stark das rechtsextreme Lager auch in der Südwest-AfD ist. Insider weisen darauf hin, dass es im letzten Jahr erhebliche Verschiebungen in der Mitgliedschaft gegeben habe. Gemäßigte mit bürgerlichem Hintergrund hätten die AfD verlassen, gesellschaftlich Abgehängte seien verstärkt eingetreten. Nach dem personellen Aderlass in der einst 23-köpfigen Landtagsfraktion haben dort die „Flügel“-Anhänger eine klare Mehrheit.
Der im Machtkampf unterlegene Spaniel macht aus seiner tiefen Enttäuschung keinen Hehl. „Das war keine Personenwahl. Das ist ein stabiles Netzwerk“, sagt er. Das Lager Weidels sei besser organisiert gewesen. Auf die Frage, ob Weidel den seit Monaten durch internen Streit gelähmten Landesverband befrieden könne, hat er eine klare Meinung: „Nein. Das können Sie vergessen.“ Schon am Dienstag wird der Streit weitergehen, wenn sich der AfD-Bundesvorstand mit Ordnungsmaßnahmen gegen Spaniel beschäftigt.
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