Als ehemaliger Oberfeldwebel der Fallschirmjäger der Bundeswehr ist Andreas Kalbitz mit Nahkampftechniken vertraut. Dass ein heftiger Fausthieb schwere Verletzungen anrichten kann, muss ihm also bewusst sein. Dennoch endete ein angeblicher „Begrüßungsboxschlag“ des umstrittenen Politikers, den die AfD-Spitze so gerne loswerden möchte, für einen Parteifreund im Krankenhaus. Dennis Hohloch, 31, musste sich nach der schmerzhaften Begegnung mit Kalbitz in den Fraktionsräumen des brandenburgischen Landtags vor gut einer Woche in Behandlung begeben. Er hatte einen Milzriss erlitten.
In der AfD kocht seither die Gerüchteküche hoch. Ist Kalbitz wirklich nur ein „Missgeschick“ passiert, wie er selbst behauptet? Oder handelte es sich um eine „Prügelei“, wie Berichten zufolge in Parteikreisen spekuliert wurde? Der Riss jedenfalls, der zwischen dem gemäßigten Lager um Parteichef Jörg Meuthen und dem völkisch-nationalen Teil um den Thüringer Björn Höcke und Kalbitz klafft, wird immer tiefer.
Kalbitz kümmerte sich im Flügel um die Strategie
Während Höcke das Gesicht der Rechtsnationalen ist, agierte Kalbitz als Strippenzieher des sogenannten Flügels. Er organisierte, führte Leute zusammen, kümmerte sich um die Strategie im Ringen mit den Gemäßigteren. Doch auf Druck des Parteivorstands hatte sich der Flügel aufgelöst, weil er vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Weil aber Flügel-Vertreter wie Kalbitz weiter prominente Rollen in der Partei spielten, musste Parteichef Meuthen fürchten, dass die AfD auch als Gesamtpartei als „Beobachtungsfall“ ins Visier des Verfassungsschutzes gerät.
Wohl deshalb betrieb er den Parteiausschluss des ehemaligen Zeitsoldaten. Die Begründung: Kalbitz habe 2013 bei seinem Eintritt in die AfD gelogen und eine Mitgliedschaft in einer berüchtigten Neonazi-Truppe verschwiegen. Dem Verfassungsschutz zufolge hat Kalbitz der seit 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) angehört. Dieser aber bestreitet, jemals HDJ-Mitglied gewesen zu sein. Aus seinen jahrzehntelangen Verstrickungen in die rechtsextreme Szene macht der 47-Jährige keinen Hehl, bestreitet auch nicht, dass er an einem Zeltlager der HDJ teilgenommen hat. Gegen seinen Ausschluss klagte Kalbitz vor dem Landgericht Berlin, das ihm im Juni recht gab. Die AfD-Fraktion im Potsdamer Landtag wählte Kalbitz daraufhin erneut zu ihrem Vorsitzenden.
Keiner der früheren Unterstützer sprang Kalbitz nun zur Seite
Zu seinen Unterstützern zählten bis vor kurzem auch Tino Chrupalla, der sich den AfD-Vorsitz mit Meuthen teilt, sowie die Bundestagsfraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland. Doch nach dem Milzriss-Skandal sprang keiner von ihnen Kalbitz zur Seite. Gleichwohl hat er im Osten Deutschlands viele AfD-Anhänger, die noch hinter ihm stehen. Das AfD-Bundesschiedsgericht entschied trotzdem, dass es bei dessen Ausschluss bleibt.
An diesem Freitag will sich Kalbitz vor dem Berliner Landgericht wieder in die Partei einklagen. Egal wie der Prozess ausgeht, der Streit zwischen ihm und der Parteispitze dürfte noch lange nicht zu Ende sein. Es wird damit gerechnet, dass die unterlegene Seite das Urteil anfechten wird. Teil der Partei, hat Kalbitz klar gemacht, will er unbedingt bleiben.
Der Kampf in der Partei geht weiter
Nach der Milzriss-Affäre ist der gebürtige Münchener aber als Fraktionschef der AfD im brandenburgischen Landtag zurückgetreten. In diesem Amt hatte ihn während des Parteiausschlusses Dennis Hohloch vertreten, der als loyaler Unterstützer gilt und die Darstellung stützt, der Schlag gegen ihn sei weder im Streit noch in Verletzungsabsicht erfolgt.
Trotz dieser Beteuerungen geht der erbitterte innerparteiliche Nahkampf um Kalbitz in eine neue Runde. Auf Facebook etwa rechnet der Mitarbeiter eines brandenburgischen Abgeordneten hart mit dem Ex-Fraktionschef ab. Er schreibt: „Du hättest beinahe Dennis Hohloch fahrlässig getötet. Du verspottest ihn danach noch mir selbst gegenüber als ,zerbrechliches Weich-ei’.“ Kalbitz, so der Eintrag weiter, habe zudem bereits 2019 am Rande einer Klausurtagung im betrunkenen Zustand einem Parteifreund „in die Fresse geschlagen“. Der Autor, der Kalbitz seinen Job verdankt, nennt seinen ehemaligen Förderer „Parteikrebs“ und fordert ihn auf: „Andreas, bitte geh.“
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