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Bürokratie: Ämter drohen Eltern in Briefen mit Inobhutnahme der Kinder

Bürokratie

Ämter drohen Eltern in Briefen mit Inobhutnahme der Kinder

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    Der Kinderschutzbund beklagt das unsensible Vorgehen mancher Behörden bei der Anordnung von Quarantäne bei Kindern.
    Der Kinderschutzbund beklagt das unsensible Vorgehen mancher Behörden bei der Anordnung von Quarantäne bei Kindern. Foto: Gero Breloer, dpa/lbn

    Die amtlichen Schreiben lösen nicht nur wegen ihres Inhalts Angst aus. Auch der Ton ist einschüchternd. „Sehr geehrte Eheleute. Ihren Kindern gegenüber wird eine Isolation in sogenannter häuslicher Absonderung in der Wohnung angeordnet“, heißt es etwa militärisch knapp in einem Brief, der aus einer Amtsstube in Baden-Württemberg verschickt wurde. Im Norden ist der Ton nicht besser. „Sehr geehrte Eltern, hiermit bestätige ich Ihnen die häusliche Absonderung Ihres Kindes“, heißt es in der Quarantäne-Anordnung einer niedersächsischen Behörde. Die Grünen im Bundestag haben Gesundheitsminister Jens Spahn jetzt aufgefordert, diese Praxis zu beenden.

    Isolierung der Kinder: Briefe von Ämtern wirken auf Eltern bedrohlich

    Wer von einer Corona-Infektion betroffen ist, hat es allein deswegen schon schwer genug. Fragen und Probleme türmen sich bei denjenigen auf, die nach Paragraf 30 des Infektionsschutzgesetzes zur Quarantäne verdonnert werden. Sind die eigenen Kinder betroffen, wächst die Not – und ein bisschen Trost könnte da durchaus hilfreich sein. Aber nicht, wenn es nach der Denke in einigen deutschen Amtsstuben geht: Da wird es dem Kind im Kasernenhofton „untersagt, die Wohnung beziehungsweise den Haushalt ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen“. Eltern werden aufgefordert, „bis zum Ende der Absonderung“ zweimal täglich Fieber zu messen. Entsprechende Schreiben liegen unserer Redaktion vor.

    Und wehe, die betroffenen Haushalte kommen der Anordnung nicht nach, wird es richtig heftig. Für den Fall der Zuwiderhandlung nämlich können die Kinder „zwangsweise in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung abgesondert werden“, wie es bei einer Behörde heißt. Die Entscheidung darüber obliege einem Familiengericht.

    Ein anderer Behördenmitarbeiter formuliert es so: Werde den Anordnungen nicht nachgekommen oder bestehe nur der entsprechende Verdacht, „werde ich beim zuständigen Amtsgericht…beantragen, Ihr Kind zwangsweise in einer geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abzusondern“. Dies ist die Horrorvorstellung für Eltern: Der Staat nimmt ihnen die Kinder weg.

    Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz bringt den Eindruck, den Briefe dieser Art hinterlassen, so auf den Punkt: „Diese Schreiben sind furchtbar.“ Im Grunde genommen würden „Eltern dazu aufgefordert, das Kindeswohl massiv zu verletzen“, sagte die Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik unserer Redaktion. Deligöz wies darauf hin, dass man „hier auch über Kindergartenkinder im Alter von drei, vier oder fünf Jahren“ rede, die notfalls von ihren Eltern getrennt werden könnten.

    Kinderschutzbund schaltet Gesundheitsminister Spahn ein

    Der Kinderschutzbund mit seinem Präsidenten Heinz Hilgers an der Spitze geht diesen amtlichen Drohbriefen seit einiger Zeit nach und hat per Brief Gesundheitsminister Jens Spahn eingeschaltet. Der CDU-Politiker wird darin gebeten, dafür Sorge zu tragen, „dass in allen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie dem Kindeswohl und den Kinderrechten Vorrang eingeräumt wird“. Eine Quarantäne sei für Familien mit Kindern ohnehin sehr belastend. Kinder in dieser Phase von ihren Eltern und Geschwistern zu isolieren, sei unverhältnismäßig.

    Bislang erfolgte aus dem Hause Spahn keine Reaktion – doch das soll sich nun ändern. Deligöz, die auch Vizepräsidentin des Kinderschutzbundes ist, sprach den Minister bei einer Haushaltssitzung im Bundestag direkt an – und Spahn habe zugesagt, dass er nächste Woche beim Treffen mit seinen Länderkollegen auf das Thema eingehen werde. Wenn solche Schreiben verschickt werden, dann zukünftig angemessen in Ton und Forderung, so der Tenor. „Ich freue mich, dass der Minister das Problem nun angeht“, sagte Deligöz. Sie hoffe, dass das Problem schnell gelöst werde „und die Schreiben umgehend aus dem Verkehr gezogen werden“. Denn klar sei doch: „Wir sollten Menschen in einer so verunsicherten Zeit nicht noch stärker verunsichern.“

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