Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Abschied des Ex-Bundespräsidenten: Wulffs Zapfenstreich: Ode "An die Freude" und Vuvuzelas

Abschied des Ex-Bundespräsidenten

Wulffs Zapfenstreich: Ode "An die Freude" und Vuvuzelas

    • |
    Ex-Bundespräsident Christian Wulff vor Schloss Bellevue in Berlin zum Großen Zapfenstreich.
    Ex-Bundespräsident Christian Wulff vor Schloss Bellevue in Berlin zum Großen Zapfenstreich. Foto: afp

    Auch Beethovens Ode "An die Freude" konnte den Protestlärm zum Zapfenstreich des ehemaligen Bundespräsidenten vor dem Schloss Bellevue nicht übertönen. Einige hundert Demonstranten störten mit Vuvuzelas und anderen Lärminstrumenten die Zeremonie.

    Wulff hatte auf den Zapfenstreich bestanden

    Auf dem Zapfenstreich - wie er zu Ehren von scheidenden Staatsoberhäuptern üblich ist - hatte Wulff bestanden. Während der Zeremonie im Garten des Präsidialamtes wirkte er sehr ernst. Auf persönlichen Wunsch des Ex-Präsidenten hatte die Bundeswehr vier Musikstücke im Programm, darunter auch die Europa-Hymne und den Song-Klassiker "Over the Rainbow".

    Kritik und Kontroversen überschatteten den  Großen Zapfenstreich  für Wulff. Knapp 400 Gäste waren eingeladen. Lediglich um die 200 sind gekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die meisten ihrer Minister sind zu der Zeremonie gekommen.

    Bayerns Ministerpräsident und kommissarischer Bundespräsident Horst Seehofer lobte Wulff bei seiner Rede in Schloss Bellevue. Seehofer sagte: "Sie haben Deutschland würdig vertreten." Außerdem habe er wichtige Themen vorangetrieben.

    Kein Vorgänger Wulffs anwesend

    Von Wulffs vier noch lebenden Vorgängern war jedoch kein einziger dabei. Auch die Opposition fehlte praktisch komplett. Nach einer Umfrage für die Nachrichtenagentur dpa erwarten drei Viertel der Bundesbürger (73 Prozent), dass Wulff für immer der Politik fern bleibt.

    Die Ehrung ist wegen der Umstände des Rücktritts und der Vorwürfe gegen Wulff umstritten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Vorteilsannahme. Wulff war nach nur knapp 600 Tagen im Amt zurückgetreten. Rot-Grüne Spitzenpolitiker fehlten auf der Gästeliste ebenso wie Wulffs mutmaßlicher Nachfolger Joachim Gauck. Als Gastgeber fungierte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der als Bundesratspräsident das Staatsoberhaupt vertritt.

    Vuvuzelas sollen Feier stören

    Kritiker Wulffs wollten dessen Verabschiedung mit dem wenig feierlichen Klang von Vuvuzelas begleiten. Im Internet riefen sie dazu auf, am Donnerstagabend vor dem Schloss Bellevue in Berlin Krach zu machen. Die Vuvuzelas sind von der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika 2010 bekannt.

    Bei der Verabschiedung sagte Wulff: "Diesen Anlass hatte ich mir für das Jahr 2015 vorstellen können. Nun ist es anders gekommen." Er erinnerte an einen Spruch des Dichters Wilhelm Busch: "Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt." Seinem Nachfolger wünsche er "eine glückliche Hand für Deutschland und breite Unterstützung".

    Weiter sagte Wulff, Deutschland brauche eine "politische Kultur, in der die Menschen die Demokratie als wertvoll erkennen und sich gerne für die Demokratie einsetzen". Ausdrücklich bedankte er sich nicht nur bei Bundesregierung und Parlamenten, sondern auch bei "allen Bürgerinnen und Bürgern in unserer so aktiven Bürgergesellschaft". Er dankte auch seiner Frau Bettina, die Deutschland "auf großartige Weise überzeugend repräsentiert" habe.

    Zu seiner persönlichen Zukunft sagte Wulff nur: "Ich gehe mit dem Gefühl der Neugier und der Vorfreude auf das, was kommt." In 37 Jahren politischer Karriere habe er "Höhen und Tiefen" erlebt. Vor allem habe er aber die Erfahrung gemacht, "dass es wichtig und letztlich erfüllend ist, sich politisch zu engagieren". "Ich ermutige gerade junge Menschen, sich auf das Wagnis Politik einzulassen."

    Ehrensold spenden?

    Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel empfahl Wulff, einen Teil des Ehrensolds für gemeinnützige Zwecke zu spenden und "vielleicht selber eine gemeinnützige Arbeit" zu leisten. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Vogel, damit könnte Wulff "den Menschen eine akzeptable Botschaft vermitteln".

    Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland, würdigte im RBB-Radioeins Wulffs Haltung zum Islam. Er habe mit seiner Äußerung, dass der Islam zu Deutschland gehöre, erfolgreich zur kulturellen Vielfalt der Gesellschaft beigetragen, sagte Kolat.

    Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, lobte Wulffs Verhältnis zur Bundeswehr. "Was immer man über die Amtszeit und auch über die möglichen privaten Verflechtungen dieses Bundespräsidenten denken mag: Für die Soldaten war er ein guter und fürsorglicher Bundespräsident", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

    Im Ermittlungsverfahren gegen Wulff hat die niedersächsische Staatskanzlei die letzten Akten an die Staatsanwaltschaft Hannover übergeben. "Es handelt sich um mehrere tausend Seiten Papier", teilte ein Sprecher der Staatskanzlei mit. Weitere relevante Unterlagen für das Ermittlungsverfahren gebe es vermutlich weder in der Staatskanzlei noch in anderen Ministerien, sagte der Regierungssprecher der Nachrichtenagentur dpa.

    80 Prozent der Deutschen wünschen sich eine Direktwahl

    Fast 80 Prozent der Deutschen wünschen sich eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa hervor. Auf die Frage, ob das Staatsoberhaupt wie in Österreich direkt vom Volk gewählt werden soll, antworteten 47 Prozent, sie seien "voll und ganz dafür". "Eher dafür" sind noch einmal 31 Prozent, "eher dagegen" 12 Prozent. "Voll und ganz dagegen" sind nur 4 Prozent. Der Rest hat keine Meinung.

    73 Prozent der Befragten meinen, für Wulff werde es keine Rückkehr in ein politisches Amt geben. Nur 15 Prozent halten ein Comeback für möglich. 44 Prozent sehen das Amt des Bundespräsidenten durch die Affäre Wulff dauerhaft beschädigt, 47 Prozent glauben nicht an bleibenden Schaden. dpa/AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden