Müssen deutsche Politiker wirkliche mehrere hundert Millionen Euro für externe Beratung ausgeben? In den vergangenen fünf Jahren kostete das die Bundesregierung mindestens 716 Millionen Euro. Seit dem 1. Januar 2014 seien 3804 Verträge mit externen Beratern abgeschlossen worden, wie das Finanzministerium auf eine Anfrage eines Linken-Abgeordneten Matthias Höhn mitteilte. Pro Jahr sind das mehr als 700 Beratungen.
Kritik: Die Regierung habe schon genug Mitarbeiter
Doch nicht alle halten es für sinnvoll, wenn sich die Regierung Hilfe von außen holt. Kritik kommt von vielen Seiten, zum Beispiel von der Opposition und dem Bundesrechnungshof. Es wird unter anderem angeprangert, dass das zu teuer sei, schließlich beschäftigen die Ministerien bereits mehr als 20.000 Mitarbeiter, die sich um die Beantwortung diverser Fragen kümmern.
Eine andere Meinung vertritt der Politikprofessor Werner Weidenfeld, der in München das Centrum für angewandte Politikforschung leitet und selbst mehrere Jahrzehnte als Politikberater tätig war. Der 71-Jährige sieht im Gegenteil wachsenden Bedarf an Beratung. Die Politiker würden mit unendlich vielen Themen konfrontiert. „Wenn sie dann mal einen Fehler machen, weil sie vorher nicht bei Experten nachgefragt haben, wäre die Kritik ebenfalls groß.“
Beratungsbedarf der Politiker wird weiter wachsen
Weidenfeld geht sogar davon aus, dass die Bundesregierung künftig noch mehr für externes Know-how wird ausgeben müssen: „Mit der Komplexitätssteigerung in der Gesellschaft wächst auch der Beratungsbedarf.“ Beispielsweise im High-Tech-Bereich. Cybersicherheit wird, gerade für Regierungsinstitutionen, immer wichtiger. Doch nicht jedes Ministerium kann laut Weidenfeld einen eigenen hoch spezialisierten IT-Experten beschäftigen. Schwierig werde es auch, wenn es etwa um naturwissenschaftliche Spezialfragen geht, beispielsweise ob eine bestimmte Forschung ungefährlich oder zu riskant sei.
Die Bundesregierung, aber auch Landesregierungen, nehmen dabei ganz unterschiedliche Beratungsleistungen in Anspruch. In juristischen Spezialfragen kann eine große Anwaltskanzlei helfen. Wenn es darum geht, eine komplexe Organisation umzustrukturieren, sollen Unternehmensberatungen weiterhelfen indem sie ihre Erfahrungen mit solchen Reformierungsprozessen teilen. So geschehen im Verteidigungsministerium unter Ursula von der Leyen (CDU), das deshalb in der Kritik steht. Der Bundesrechnungshof hatte dieses Ministerium für seinen Einsatz von Beratern scharf kritisiert und damit eine Affäre ausgelöst, mit der sich heute erneut der Verteidigungsausschuss des Bundestags befassen wird. In der Sitzung wird auch von der Leyen erneut Stellung beziehen.
Hat das Verteidigungsministerium Steuergelder verschwendet?
Ihre frühere Staatssekretärin Katrin Suder, die von der Unternehmensberatung McKinsey ins Verteidigungsministerium gewechselt war, kommt dagegen nicht. Sie will die Fragen der Abgeordneten nur schriftlich beantworten. Falls es keine ausreichende Aufklärung geben wird, will die Opposition einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Schließlich stehen die Vorwürfe der Verschwendung von Steuergeldern und Vetternwirtschaft im Raum. Laut Rechnungshof hat von der Leyens Ministerium in den Jahren 2015 und 2016 mindestens 200 Millionen Euro für Beratung ausgegeben.
Der Opposition geht es nicht nur ums Geld. Sie befürchtet auch, dass durch die vielen externen Berater der Einfluss von außen auf die Regierungsarbeit zu groß wird. Der Linken Politiker Höhn sagte: „CDU/CSU und SPD haben ein 16. Ministerium eingerichtet - das der Berater, das inzwischen in alle Ressorts hineinregiert.“ Die Unabhängigkeit und die Neutralität des Staates würden unterlaufen. Höhn fordert deshalb: „Externe Berater müssen raus aus den Ministerien.“
Manchen Experten beraten die Bundesregierung auch ehrenamtlich
Weniger kritisch sieht das wiederum Politikwissenschaftler Weidenfeld. Die Leute, die für die Bundesregierung tätig sind, seien Profis. Sie würden sich schon genau überlegen, wer die Kompetenz hat, in Fachfragen Auskunft zu erteilen. Auch die Sorgen über zu hohe Ausgaben versucht der Professor zu entkräften. Denn gemäß des alten Sprichworts „Fragen kostet nichts“ erfolgt ein großer Teil der Politikberatung ehrenamtlich – ohne dass die betreffenden Experten Geld dafür nehmen. (mit dpa)