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70. Geburtstag: Cool Britannia und das Irak-Desaster – was von Tony Blair geblieben ist

70. Geburtstag

Cool Britannia und das Irak-Desaster – was von Tony Blair geblieben ist

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    Tony Blair wird 70. Der frühere britische Premierminister hat von 1997 bis 2007 eine Ära geprägt.
    Tony Blair wird 70. Der frühere britische Premierminister hat von 1997 bis 2007 eine Ära geprägt. Foto: Daniel Leal, dpa

    Mit ein bisschen englischem Humor könnte man sagen, dass die ehrwürdige Londoner Adresse Downing Street Nummer 10, in der die britischen Premierministerinnen und -minister residieren, zuletzt eher von Mietnomaden bewohnt wurde. Theresa May und Boris Johnson blieben jeweils nur drei Jahre. Liz Truss hatte womöglich noch nicht einmal alle Kisten ausgepackt, als sie nach gerade einmal 49 Tagen schon wieder ausziehen und Rishi Sunak die Schlüssel übergeben musste. Bei Tony Blair war das ganz anders.

    Als der Mann, der an diesem Samstag seinen 70. Geburtstag feiert, 1997 nach einem triumphalen Wahlsieg Premierminister wird, beginnt auf der Insel eine neue Zeitrechnung. Sein Mietvertrag läuft über ein ganzes Jahrzehnt. 

    Mit jugendlichem Charme reißt Tony Blair die Briten mit

    Mit jugendlichem Charme reißt der Sozialdemokrat, damals Mitte 40, seine Landsleute aus ihrer Lethargie. Krawatte weg, Ärmel hochkrempeln, lautet der neue Dresscode. Aus Großbritannien, dem kranken Mann Europas, wird Cool Britannia. Bands wie Oasis und Blur liefern den Soundtrack jener Jahre. Nach dem Tod von Prinzessin Diana ist es Blair, der die richtigen Worte findet, während die königliche Familie noch um selbige ringt. Man erzählt sich, dass Königin Elizabeth II. das forsche Auftreten ihres neuen Premiers durchaus irritiert, aber auch mit einer gewissen Sympathie zur Kenntnis nimmt. Später übrigens wunderbar verewigt im Film „Die Queen“ mit Helen Mirren in der Hauptrolle. 

    Doch Blair und der Brit-Pop prägen mehr als nur ein neues Lebensgefühl. Der gebürtige Schotte verschafft den stolzen Landesteilen fernab der Hauptstadt mehr Einfluss, die neuen Regionalparlamente in Schottland, Wales und Nordirland treten bis heute selbstbewusst gegenüber London auf. Blair gelingt es außerdem, den jahrzehntelangen Bürgerkrieg zwischen Iren und Nordiren beizulegen. Das Karfreitagsabkommen von 1998 gilt bis heute als historische Leistung des damaligen Premierministers. 

    Was die Briten zum 70. Geburtstag über Tony Blair denken

    Doch wenn man die Menschen in Großbritannien heute nach Tony Blair fragt, reden die meisten nicht von Cool Britannia, von Aufbruch oder dem Frieden auf der Grünen Insel. Was von seinen zehn Jahren vor allem hängengeblieben ist, spielt im Jahr 2003. Während etwa der deutsche Kanzler Gerhard Schröder den USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zwar „uneingeschränkte Solidarität“ zusichert, aber später nicht mit den Amerikanern in den Irak-Krieg ziehen will, stellt sich Blair ergeben an die Seite des US-Präsidenten. Ein Fehler, wie sich bald herausstellen wird.

    Dass er für seine Treue von den bitterbösen britischen Boulevardmedien als George W. Bushs Pudel verspottet wird, könnte er vielleicht noch verschmerzen. Doch der als „Kampf gegen den Terror“ deklarierte Einmarsch im Irak gerät zum Desaster. Die Massenvernichtungswaffen, die Washington bei Diktator Saddam Hussein vermutet, werden nie gefunden. Das Land versinkt im Chaos. Foltervorwürfe gegen amerikanische und britische Soldaten im

    Bis heute bewertet nur ein Viertel der Bevölkerung die Ära Blair positiv. Dass es nach ihm keiner mehr vermocht hat, eine Ära in Downing Street Nummer 10 zu prägen, dürfte da allenfalls ein schwacher Trost sein.

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