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64. Sudetendeutscher Tag in Augsburg: Horst Seehofer, der Eisbrecher

64. Sudetendeutscher Tag in Augsburg

Horst Seehofer, der Eisbrecher

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    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beim 64. Sudetendeutschen Tag.
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beim 64. Sudetendeutschen Tag. Foto: Andreas Gebert, dpa

    Horst Seehofer, der "Eisbrecher", der "geduldige Brückenbauer", der "Antreiber". Viel wird in den Festreden über ihn gesagt an diesem Pfingstsonntag in der voll besetzten Schwabenhalle im Augsburger Messezentrum. Mehrere tausend Menschen sind gekommen, um mitzuerleben, wie dem bayerischen Ministerpräsidenten in der Hauptkundgebung des 64. Sudetendeutschen Tags die wichtigste Auszeichnung der Landsmannschaft verliehen wird: der Europäische Karlspreis. Der CSU-Politiker revanchiert sich an Ort und Stelle und verspricht ab 2014 einen jährlichen Gedenktag in Bayern für Heimatvertriebene.

    Seehofer habe das Eis zwischen Bayern und Tschechien gebrochen

    Seehofer habe sich um ein vereintes Mitteleuropa verdient gemacht, sagt Bernd Posselt, Sprecher der Volksgruppe und CSU-Abgeordneter im Europaparlament. "Er hat das Eis zwischen Bayern und der Tschechischen Republik gebrochen." Nach Jahrzehnten der Funkstille habe Seehofer das Nachbarland als erster bayerischer Ministerpräsident offiziell besucht: "Und heute stehen wir an einem Wendepunkt."

    Ein offener, freundschaftlicher Dialog zwischen Sudetendeutschen und Tschechen auch auf politischer Ebene sei in Gang gekommen, bei dem nichts ausgespart werde - nicht die Verbrechen des NS-Regimes, nicht die Vertreibung der rund drei Millionen Sudetendeutschen nach dem Krieg. "Immer mehr Menschen auf beiden Seiten wollen die Wunden der Geschichte nutzen, um im Sinne eines Nie-Wieder zusammenzuführen."

    Historische Ansprache des tschechischen Premiers vor dem bayerischen Landtag

    Seehofer habe als Schirmherr der Sudetendeutschen Volksgruppe den Gegenbesuch des tschechischen Premiers Petr Nečas im Februar ermöglicht, sagt Posselt. Dessen Ansprache vor dem bayerischen Landtag wertet man hier als historisch, da sie das Leid der Vertriebenen thematisierte.

    Nun seien weitere Schritte der Annäherung geplant: ein bayerisch-tschechisches Parlamentariergremium etwa, eine Landesausstellung, ein Sudetendeutsches Museum in München und eines in Tschechien. "Wir haben gemeinsam in kurzer Zeit viel erreicht, obwohl die Rahmenbedingungen ungeheuer schwierig waren", sagt Seehofer.

    In Bayern ist ein Gedenktag im September beschlossene Sache

    Die Sudetendeutschen

    Als Sudetendeutsche werden die ehemaligen deutschsprachigen Einwohner des Sudetenlandes bezeichnet.

    Das - nicht zusammenhängende - Sudetenland erstreckte sich entlang der Grenzen der damaligen Tschechoslowakei zu Deutschland und Österreich.

    Der Name Sudetenland leitet sich von dem rund 330 Kilometer langen Gebirgszug der Sudeten ab, der sich durch Böhmen, Mähren und Schlesien zieht.

    Die Vorfahren der Sudetendeutschen waren im 12. und 13. Jahrhundert aus dem heutigen Bayern, aus Sachsen, Schlesien und Österreich in die Grenzgebiete Böhmens und Mährens eingewandert.

    Nach 1918 wurde das Gebiet der Sudetendeutschen Teil der Tschechoslowakei.

    1938 unterzeichnen Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland das Münchner Abkommen. Das Sudetenland wurde damit Teil des Deutschen Reiches.

    Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden mehr als zwei Millionen Sudetendeutsche vertrieben.

    Grundlage waren die Verordnungen, die der damalige Ministerpräsident der Tschechoslowakei, Edvard Benes, zwischen 1940 und 1945 erließ.

    Die so genannten Benes-Dekrete wurden im Nachhinein vom Prager Parlament abgesegnet.

    Ein Großteil der vertriebenen Sudetendeutschen fand in Bayern eine neue Heimat.

    1954 übernahm Bayern die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen.

    Klar bekennt er sich zur Sudetendeutschen Volksgruppe, zum "vierten Stamm" in Bayern, der den modernen Freistaat mitaufgebaut habe. "Wir Bayern sind stolz auf die Sudetendeutschen", ruft er. Die Menschen reagieren emotional, klatschen lange. Applaus erhält er auch für den in Bayern bereits beschlossenen Gedenktag, der ab dem kommenden Jahr immer am zweiten Sonntag im September an das "Unrecht der Vertreibung" erinnern soll, so Seehofer. "Ein Meilenstein", kommentiert Franz Pany, Vorsitzender der Landsmannschaft. Den Karlspreis bezeichnet der Ministerpräsident als "hohe Ehre" und Auftrag zugleich, den politischen Dialog weiter zu vertiefen. Er kündigt an, in Prag ein Verbindungsbüro einrichten zu lassen, das an der Staatskanzlei ansiedelt: "Der Draht zwischen Bayern und Tschechien ist Chefsache."

    Für die Versöhnung müssen Deutsche und Tschechen noch viel tun

    Dass noch viel zu tun ist, glaubt auch Bernd Posselt. Er denkt nicht zuletzt an die Beneš-Dekrete, die die Vertreibung der Deutschen ermöglichten und nach wie vor in Kraft sind. "Lasst uns gemeinsam diesen Zombie begraben", ermahnt er die "tschechischen Freunde". Im Sinne der Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen. Und das ist eine der wichtigsten Botschaften des Tages. Sie wird auch von der Sudetendeutschen Jugend getragen. Ihr Vorsitzender Peter Paul Polierer weitet das Motto der 64. Sudetendeutschen Versammlung aus: "Zukunft braucht Heimat", lautet es. "Und unsere Heimat ist Europa", sagt er.  

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