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4. Corona-Welle: Warum sie so unberechenbar ist

Corona-Pandemie

Warum die vierte Corona-Welle so unberechenbar ist

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    Die Infektionszahlen erreichten zuletzt Rekordwerte, die Lage in den Krankenhäuser ist angespannt, Labore arbeiten auf Hochtouren. Die Pandemie ist mit Wucht zurück.
    Die Infektionszahlen erreichten zuletzt Rekordwerte, die Lage in den Krankenhäuser ist angespannt, Labore arbeiten auf Hochtouren. Die Pandemie ist mit Wucht zurück. Foto: Alexander Kaya

    Mediziner erwarten einen weiteren starken Anstieg der Corona-Fälle auf den Intensivstationen – mit schwerwiegenden Folgen für Kliniken und andere Patienten. Schon jetzt müssen Krankenhäuser viele planbare Operationen verschieben, um Kapazitäten für Corona-Kranke und akute Notfälle freizuhalten. Das hat der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, unserer Redaktion bestätigt. „Wir werden die Last aller Notfälle nur dann stemmen, wenn irgendwo anders eingespart wird“, sagt der Intensivmediziner, betont aber, das werde „in keinem Fall bei operativen Krebsbehandlungen“ passieren.

    Vierte Corona-Welle: Schon jetzt liegen 2500 Corona-Patienten auf den Intensivstationen

    Schon jetzt müssten mit knapp 2500 Fällen genauso viele Corona-Patientinnen und -Patienten auf den Intensivstationen versorgt werden wie zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr. In den kommenden Wochen werde sich die Zahl voraussichtlich fast verdoppeln, fürchtet Karagiannidis. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek warnt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Eine weitere Verdoppelung würde von unserem Gesundheitssystem in Deutschland nicht mehr verkraftet werden.“ Hauptursache für die Zuspitzung sei die niedrige Impfquote: „Auch in Bayern fluten insbesondere die Ungeimpften unsere Krankenhäuser.“

    Welchen Effekt hat die Booster-Impfung und vor allem wann?

    Karagiannidis macht zu schaffen, dass der Corona-Winter so unberechenbar ist. „Ich habe immer betont, dass es die schwierigste aller Wellen wird, genau das bestätigt sich gerade“, sagt er. „Wir können anhand der Inzidenzen relativ klar vorhersehen, was in den nächsten Wochen passieren wird. Was wir nicht vorhersehen können, ist, auf welchem Niveau das Ganze zum Stillstand kommt. 2G und Boostern könnte einen Effekt haben – nur welchen? Irgendwann ändert auch die Bevölkerung ihr Kontaktverhalten – nur wann?“

    Längerfristige Vorhersagen seien schwierig: „Wir navigieren gerade ohne GPS durch den Nebel“, sagt Karagiannidis, der die Folgen der früheren Wellen noch treffgenau prognostizieren konnte. Politik und Kliniken müssten sich deshalb auf alle denkbaren Szenarien vorbereiten. „Ich spreche mich sehr für eine generalstabsmäßige Planung der kommenden Monate bis Ende April aus.“

    Verschärft wird die Lage durch zwei weitere Faktoren: Das Klinikpersonal ist knapp und die Patienten werden länger behandelt. Waren es in den ersten Wellen vor allem ältere Menschen, die auf den Intensivstationen landeten, befinden sich dort inzwischen viele Jüngere. Diese haben glücklicherweise bessere Chancen, den Kampf gegen das Virus zu gewinnen. Doch dieser Kampf kann viele Wochen dauern. „Die Liegezeiten der Covid-Patienten sind wahrscheinlich etwas länger geworden, weil die Jüngeren besser überleben“, erklärt Karagiannidis.

    Er rechnet damit, dass sich die Personalnot noch verschärfen wird. „Wir sehen von Monat zu Monat eine Abnahme der mit Pflege betreibbaren Betten. Im Winter rechnen wir wieder mit etwa 20 Prozent Personalausfällen in der Pflege, weil man selbst natürlich auch krank werden kann – vor allem je höher die Last steigt“, sagt der Mediziner.

    Gesundheitsminister Klaus Holetschek fordert finanzielle Anerkennung für Pflegekräfte

    „Unsere Ärzte und Pfleger sind oftmals am Rand ihrer auch psychischen Belastung“, betont auch Holetschek und fordert mehr Anerkennung für deren Arbeit. „Es kann nicht sein, dass sie, die auch in der vierten Welle wieder über sich hinauswachsen, weiterhin nur vom Applaus profitieren sollen. Für die Pflegekräfte fordere ich, Zuschläge oder einen Teil des Gehalts steuerfrei zu stellen“, sagt Holetschek und nimmt die künftige Bundesregierung in die Pflicht: „Das kann der Bund jetzt schnell und unbürokratisch regeln.“

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