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10H-Regel in Bayern für Windräder: Schafft der Bund sie ab?

Windkraftausbau

Ampel-Ministerium droht Bayern mit Abschaffung der 10H-Regel

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    In Bayern werden kaum noch Windräder gebaut. Der Bund erhöht deshalb den Druck auf den Freistaat.
    In Bayern werden kaum noch Windräder gebaut. Der Bund erhöht deshalb den Druck auf den Freistaat. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Die Bundesregierung erhöht beim Windkraftausbau den Druck auf den Freistaat und stellt eine Abschaffung der bayerischen 10H-Regelung in Aussicht. Das geht aus einem kürzlich veröffentlichten Referentenentwurf des Bundesbauministeriums hervor. Die bayerische Regel besagt, dass Windräder zehnmal so weit von Wohnhäusern entfernt sein müssen, wie sie hoch sind. Gängige Anlagen sind heute mehr als 200 Meter hoch. Sie müssen also in solchen Fällen mindestens zwei Kilometer Abstand einhalten – oder noch mehr. Die Fläche für Windkraft schrumpft im größten Bundesland, Bayern, auf kleine Flächen.

    Kritikerinnen und Kritiker der Regel sagen, die Regel verhindere den Windkraftausbau in Bayern. Tatsächlich ist er quasi zum Erliegen gekommen. Vergangenes Jahr gingen im Freistaat – dem größten Bundesland der Republik – nur acht Anlagen ans Netz. Zum Vergleich: In Niedersachsen waren es 104. Das geht aus Zahlen der Fachagentur Windenergie an Land hervor.

    Der Bund könnte der bayerischen 10H-Regel die Grundlage entziehen

    Der Krieg in der Ukraine, die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas erhöhen den Druck auf die Politik, die Energiewende schneller voranzutreiben. Dabei verlangt die Bundesregierung einen größeren Beitrag vom Freistaat – und will ihn notfalls dazu zwingen. Dazu muss man wissen, dass der Freistaat die 10H-Regel ohnehin nur erlassen konnte, weil der Bund ihm das vor vielen Jahren gesetzlich ermöglichte. Diese Befugnis könnte der Bundestag jederzeit zurücknehmen. Und genau diese Drohung steht nun ganz offiziell, schwarz auf weiß in einem Entwurf des Bundesbauministeriums. Danach soll das Gesetz zunächst so geändert werden, dass Bundesländer keine neuen Vorschriften wie die 10H-Regel erlassen können – bestehende gelten aber weiter. Allerdings kündigt der Entwurf an, dass im Zusammenhang mit weiteren Gesetzesänderungen "auch bestehende landesgesetzliche Mindestabstandsregelungen abgeschafft werden" sollen. Das würde ein Ende der 10H-Regel bedeuten. Das Bundesministerium stimmt sich gerade mit dem Rest der Bundesministerien darüber ab und will sich deshalb nicht dazu äußern.

    Auch nach Bayern hat man den Entwurf geschickt und um Stellungnahme gebeten. Beim zuständigen Bauministerium der Staatsregierung heißt es auf Anfrage unserer Redaktion lediglich, zu der angekündigten Abschaffung lägen keine Informationen vor.

    Der Bundesverband WindEnergie fordert von der Ampel-Koalition, die Grundlage der 10H-Regel "unverzüglich mit sofortiger Wirkung aufzuheben" und eine Übergangsregel. Der notwendige Abstand zwischen Windkraftanlagen und Wohnhäusern würde ohnehin in jedem Verfahren geprüft. Eine pauschale Regel brauche es daher nicht. Sie habe nachweislich keinen Einfluss auf die Akzeptanz der Anlagen.

    Geht die Bundesregierung auf Konfrontationskurs mit der Staatsregierung?

    Es sind allerdings Zweifel angebracht, ob die Ankündigung des Referentenentwurfs am Ende tatsächlich umgesetzt wird. Erst müsste das Ministerium die Ankündigung in einen eigenen Gesetzesentwurf gießen, sich mit der Bundesregierung darauf einigen, ihn in den Bundestag einbringen, der ihn schließlich beschließen müsste – ein langer Weg.

    Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Grünen. Sie haben die 10H-Regelung in Bayern seit jeher bekämpft. Noch vor wenigen Wochen forderte Grünen-Co-Landeschef Thomas von Sarnowski Markus Söder auf, "seinen Klammergriff um 10H zu lösen und Windkraft in Bayern endlich zu erlauben". Warum also fordert die Partei von der Staatsregierung, die Regel abzuschaffen – wenn es doch die Ampel-Koalition mit Grünen-Beteiligung in Berlin selbst könnte? Noch im Januar hatte von Sarnowski gesagt, 10H sei bereits "Geschichte".

    Auf dem Papier sind die Machtverhältnisse klar: Die Ampel-Koalition sitzt mit ihrer Parlamentsmehrheit im Bundestag am längeren Hebel. Aber würde sie Söder und seine Staatsregierung frontal konfrontieren, so die Sorge, könne die sich beim Windkraftausbau immer noch querstellen. Der Energiewende wäre damit nicht geholfen, heißt es. Dass der Bund den Freistaat in der Pflicht sieht, hatte Habeck dem Ministerpräsidenten bei seinem Antrittsbesuch klargemacht.

    Ludwig Hartmann, Co-Fraktionschef der Grünen im Bayerischen Landtag, nennt sein wichtigstes Anliegen: In Bayern brauche es zwei Prozent der Landesfläche als Vorrangfläche für Windkraft. "In diesen Gebieten braucht es die Abschaffung der 10H-Regelung", betont er. Er hält einen Neubau von 170 Windkraftanlagen pro Jahr für notwendig. Söder hatte kürzlich "500 plus X" in Aussicht gestellt – allerdings insgesamt. "Was den Ausbau der erneuerbaren Energien und insbesondere die Abstandsregelungen für Windkraft angeht, stehe ich im engen und regelmäßigen Austausch mit dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck."

    Ein Kompromiss könnte größere Vorrangflächen ohne 10H-Regel vorsehen

    Dessen Ministerium betont auf Anfrage ebenfalls die Forderung nach zwei Prozent der Landesflächen für die Windkraft. Aktuell seien es bundesweit gerade einmal 0,8 Prozent. Das Wirtschafts- und Klimaministerium arbeite "mit Hochdruck an einer Regelung zur Umsetzung des Flächenziels und plant, zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen". Das Vorhaben war für Sommer geplant, soll aber nun vorgezogen werden. Ob der Bund die 10H-Regel damit abschaffen wird? Unklar.

    Eine Alternative könnte ein politischer Kompromiss sein, der sich in München andeutet: Bayern folgt der Forderung der Grünen sowie Habecks Ministerium und reserviert zwei Prozent des Freistaats für die Windkraft. Im Gegenzug dürfte die 10H-Regel im Rest des Freistaats weiter gelten – denn dort würde dann ohnehin niemand mehr ein Rad bauen wollen, so die Argumentation.

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