Wolodymyr Selenskyj ist mittlerweile geübt darin, vor Europas Politikern um mehr Unterstützung zu werben. Doch wer seinen Auftritt beim EU-Gipfel in Budapest oder aber die Videobotschaft an diesem Dienstag vor dem Europaparlament verfolgte, den beschlichen Unbehagen und Nervosität. 1000 Tage nach der Invasion Russlands klingt aus der Stimme des ukrainischen Präsidenten Verzweiflung. Daran dürften auch die Worte von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola während der Sondersitzung in Brüssel nichts geändert haben; „Wir werden weiterhin an der Seite der Ukraine stehen, heute und morgen und jeden Tag – so lange dies nötig ist.“
In EU-Ländern werden die finanziellen Spielräume enger
Solche Versprechen sind auch von Europas Staats- und Regierungschefs sowie von EU-Abgeordneten zu vernehmen. Doch in Zeiten knapper Haushalte steht die finanzielle Unterstützung für das kriegsgebeutelte Land auf dem Spiel. Muss Kiew um die überlebensnotwendigen Gelder fürchten, insbesondere wenn Donald Trump im Januar als US-Präsident zurück ins Weiße Haus kehrt? Oder könnte sich die Ukraine dann gar auf verlorenem Posten wiederfinden, weil die Vereinigten Staaten die mit Abstand größten Geldgeber darstellen und die EU-Staaten das nicht ausgleichen können oder wollen?
Gerade erst machten die G7-Staaten die Hilfen „Trump-sicher“, indem sie grünes Licht für den 50-Milliarden-Dollar-Kredit an die Ukraine gaben. Jeweils 20 Milliarden stellen die Amerikaner und die EU bereit, den Rest übernehmen Briten, Japaner und Kanadier. Mit den Finanzmitteln – die ersten Tranchen werden wohl im Januar ausbezahlt – soll die Regierung unter Selenskyj Waffen auf dem Weltmarkt kaufen sowie in die Energie- und Verkehrsinfrastruktur investieren können. „Idealerweise“, so heißt es von Brüsseler Diplomaten, würden Zinsen und Tilgung durch die sogenannten „Windfall profits“ bezahlt werden. Dabei handelt es sich um „Zufallsgewinne“ aus Zinserträgen aus eingefrorenem russischem Staatsvermögen.
G7-Staaten sichern Ukraine finanzielle Hilfe gegen Trump-Risiko
Etwa 260 Milliarden Dollar wurden seit Wladimir Putins Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 in westlichen Ländern blockiert, rund 200 Milliarden davon liegen allein in der EU. Die anfallenden überschüssigen Profite stehen Russland nach der Rechtsauffassung der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten nicht zu. Nun sollen sie als Absicherung für die Kredite dienen. Was aber, wenn der Krieg endet und der Kredit platzt, weil die Vermögenswerte nicht länger eingefroren sind und die Russen sie abziehen? Die Hoffnung sei, so meinte ein EU-Diplomat, dass Moskau dann in Form von Reparationszahlungen einen Teil des Kredits übernimmt.
Andernfalls wären die nationalen Regierungen gezwungen, Haushaltsgelder in Milliardenhöhe für die Rückzahlung des Kredits zu verwenden – eine Option, die man in Brüssel derzeit allzu gerne ignoriere, hieß es kleinlaut von EU-Vertretern hinter den Kulissen. Genauso wie der Gedanke an die Zeit, wenn die 50 Milliarden aufgebraucht sind.
Selenskyj beim EU-Gipfel: Nervosität und verzweifelte Appelle
Immerhin darf die Ukraine noch mit langfristigen Finanzierungshilfen planen. So soll Kiew demnächst die zweite reguläre Zahlung aus dem neuen milliardenschweren Hilfsprogramm der EU überwiesen bekommen, um Löhne und Pensionen schultern zu können, zudem den Betrieb von Krankenhäusern, Schulen und Notunterkünfte zu garantieren.
Das EU-Hilfsprogramm sieht Finanzhilfen von 50 Milliarden Euro bis 2027 vor – im Gegenzug zur Erfüllung von Reformauflagen. 33 Milliarden Euro sollen als Darlehen ausgezahlt werden, der Rest als nicht rückzahlungspflichtige Zuschüsse, wobei kaum jemand damit rechnet, das Geld jemals zurückzubekommen. „Politisch ist es aber leichter, Kredite zu vergeben“, sagte ein Diplomat.
Ob der UA verzweifelt ist, wird den Lauf der Geschichte wohl kaum ändern. Die EU und G7 können noch so viele Zusagen wie sie wollen, wenn aber die USA nach dem Präsidentenwechsel ihre Unterstützungspolitik für Kiew herunterfahren, wird die UA gezwungen sein sehr rasch in Friedensverhandlungen ohne die bekannten Maximalforderungen des " Siegesplanes" einzusteigen. Persönlich ist der Mann aus der UA ja finanziell abgesichert und kann notfalls rasch ins Exil entschwinden. Die EU bleibt dann auf den Schulden sitzen.
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