Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Analyse: 100 Tage in Amt: Söder kratzt am Wertefundament der CSU

Analyse

100 Tage in Amt: Söder kratzt am Wertefundament der CSU

    • |
    Markus Söder wurde am 16. März 2018 von Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) auf das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten vereidigt. Am 24.06.2018 ist Söder 100 Tage im Amt.
    Markus Söder wurde am 16. März 2018 von Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) auf das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten vereidigt. Am 24.06.2018 ist Söder 100 Tage im Amt. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archiv)

    Es gibt einen Spruch von Franz Josef Strauß, der für die CSU seit rund einem halben Jahrhundert ein Glaubensbekenntnis war: „Bayern ist unsere Heimat, Deutschland ist unser Vaterland, Europa ist unsere Zukunft.“ Markus Söder, der zwei Generationen nach Strauß bayerischer Ministerpräsident wurde, ist drauf und dran, sich von diesem grundsätzlichen Bekenntnis seines großen politischen Vorbilds zu verabschieden.

    Mit seinem leichtfertigen Gerede vom „Ende des geordneten Multilateralismus“ stellt Söder das Projekt Europa infrage. Das ist die mit Abstand gefährlichste Entwicklung in seinen ersten 100 Tagen als Regierungschef in Bayern. Denn was, bitte schön, soll die Alternative zur Zusammenarbeit in Europa sein? Etwa ein ungeordneter Nationalismus? Jeder gegen jeden?

    Ginge es nur um seine erste Zwischenbilanz als Ministerpräsident, könnte hier viel Bemerkenswertes über Söder stehen. Dass er mit Leidenschaft und Fleiß zu Werke geht, können ihm nicht einmal seine härtesten Kritiker absprechen. Dass es ihm gelungen ist, die CSU im Landtag als geschlossene Truppe hinter sich zu bringen, verschafft ihm auch an der Parteibasis Anerkennung und Respekt. Seine persönlichen Zustimmungswerte in Umfragen lassen die CSU hoffen.

    Söder kennt im Wahlkampf nur einen einzigen Gegner

    Söder ist ein herausragender Techniker der Macht und ein Großstratege bei der Vermarktung politischer Inhalte. Seine Regierungserklärung, seine Bierzeltreden, seine Formelbotschaften, sein offener Umgang mit Medien – alles, was er sagt und tut, ist ausschließlich auf das Ziel ausgerichtet, bei der Landtagswahl am 14. Oktober die absolute Mehrheit der CSU im Landtag zu verteidigen.

    Kritik von linker, liberaler oder grüner Seite stört ihn nicht. Im Gegenteil. Sie ist ihm sogar willkommen, weil er in diesem Wahlkampf nur einen einzigen Gegner kennt: die AfD. Wer von links kritisiert wird, der wird rechts wählbar. Dieser simplen Logik folgt der Rechtsruck, den Söder der CSU in Bayern verordnet hat.

    Die Liberal- und Wertkonservativen in der Partei, denen Kampfbegriffe wie „Asyltourismus“, „Asylgehalt“ oder „Belehrungsdemokratie“ zu demagogisch sind, schweigen dazu (noch). Und auch die CSU-Wirtschaftspolitiker, die sich um die Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft sorgen, halten sich (noch) zurück.

    Der Lebenslauf von Markus Söder

    1987 - 1991
    Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen, juristisches Staatsexamen, Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht

    1992 - 1993
    Volontariat beim Bayerischen Rundfunk, anschließend Redakteur beim BR

    1998
    Promotion an der FAU Erlangen/Nürnberg

    seit 1983
    Mitglied in CSU und JU

    seit 1994
    Mitglied des Landtags

    1995 - 2003
    Landesvorsitzender der Jungen Union Bayern, Mitglied im CSU-Präsidium

    1997 - 2008
    Kreisvorsitzender der CSU Nürnberg-West

    2000 - 2011
    Vorsitzender der CSU-Medienkommission

    2003 - 2007
    CSU-Generalsekretär

    2007 - 2008
    Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Bayerischen Staatskanzlei

    seit Juni 2008
    Vorsitzender des CSU-Bezirksverbands Nürnberg-Fürth-Schwabach

    2008 - 2011
    Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Gesundheit

    2011 - 2013
    Bayerischer Staatsminister der Finanzen

    2013 - 2018
    Bayerischer Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat

    seit 16. März 2018
    Bayerischer Ministerpräsident (Quelle: Bayerische Staatsregierung)

    Kräftig auf den Putz zu hauen, aber in der Praxis dann doch pragmatisch zu handeln, ist eine von der CSU seit Jahrzehnten erfolgreich praktizierte Strategie. Im Landtagswahljahr 2018 aber hat sich die Partei unter der Doppelspitze Horst Seehofer und Markus Söder in eine Situation manövriert, in der alles auf dem Spiel steht: der Zusammenhalt mit der Schwesterpartei CDU, die Stabilität und das Wertefundament des politischen Systems in Deutschland und die Zukunft der Europäischen Union, die den Bürgern in Bayern und Deutschland wirtschaftlichen Wohlstand, soziale Sicherheit und Reisefreiheit von Portugal bis Finnland beschert hat.

    Seit 100 Tagen im Amt: Ministerpräsident Söder

    Söder hält es für eine Stärke, sich ausschließlich auf den 14. Oktober zu konzentrieren und alles andere diesem einen Ziel unterzuordnen. Er meint, dass das Schicksal der CSU als Volkspartei allein dadurch schon besiegelt ist, wenn sie sich im Landtag einen Koalitionspartner suchen muss. Er meint, der Zeitgeist rücke nach rechts, also müsse auch die CSU weiter nach rechts.

    Dass er damit der AfD nur in die Hände spielt, dass die CSU dann nicht mehr dieselbe ist wie zuvor, dass sie ihre Kraft zur Integration breiter Wählerschichten verlieren könnte, klammert er ebenso aus wie alle anderen Risiken auch. Für einen härteren Kurs in der Asylpolitik mag es eine Mehrheit geben, für einen Anti-Europa-Kurs mit Sicherheit nicht.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden