Er war ein politischer Senkrechtstarter, ab 2009 erst Bundeswirtschaftsminister, anschließend Bundesverteidigungsminister und für viele Bürgerinnen und Bürger schon Kanzler in spe, bevor er 2011 über eine Plagiatsaffäre stolperte. Der frühere CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich den Fragen unserer Chefredakteure Andrea Kümpfbeck und Peter Müller gestellt und zahlreiche Fragen aus dem Publikum beantwortete. Der Mann fasziniert - noch immer. Rund 370 Interessierte waren am Donnerstagabend in die ausverkaufte Teehalle in das Hotel Maximilian's in Augsburg gekommen. Das Interesse war groß, zu Guttenberg, 52, wurde mit warmem Beifall begrüßt.
Rund zehn Jahre hatte zu Guttenberg nach seinem Rücktritt in den USA gelebt. Er bezeichnet es als eine glückliche Zeit in seinem Leben, als seine Rettung. "Ich habe zurück zu mir gefunden und zu Menschen, die mir wirklich etwas bedeuten", sagte er. "Sich mit Dingen zu befassen, mit denen man sich befassen will und nicht befassen muss, das war heilsam."
Guttenberg blickt mit Sorge auf die US-Wahl
Umso besorgter beobachtet er, was sich in den USA mit einer möglichen zweiten Präsidentschaft von Donald Trump abzeichnet. Die Spaltung der Gesellschaft in den USA sei tief. "Ich habe die Befürchtung, dass die USA in eine Verfassungskrise schlittern, egal wie die Wahlen ausgehen", sagte er. "Keine Partei wird sich mit einer Wahlniederlage zufriedengeben." Auch bei den Demokraten sei der Hass auf Trump gewachsen. Europa, Deutschland müssten sich auf einen Wahlsieg Trumps zumindest vorbereiten: "Dann wird der schnelle Deal mit Putin gesucht. Das hat dann unmittelbare Auswirkungen auf uns."
Auch der Krieg in der Ukraine stand im Fokus: "Wir dürfen keine Situation schaffen, in der Putin denkt, dieser Angriffskrieg hat sich gelohnt", sagte zu Guttenberg. Die rot-grün-gelbe Bundesregierung leiste aber mehr zur Unterstützung als manche Beobachter anfangs erwartet hätten.
Abschaffung der Wehrpflicht: "Es gab ein Spardiktat"
Zurückgeblickt wurde auf die Regierungsjahre von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zu Guttenberg verwahrte sich dagegen, aus der Sicht von heute nur zu kritisieren, was damals alles falsch gelaufen sei. Angela Merkel habe "unbestreitbare Qualitäten" gehabt. Mit Ruhe, Sicherheit, Gelassenheit habe sie zum Beispiel die Euro-Krise gemeistert. "Das sind keine Kleinigkeiten, sondern große Leistungen."
Seine Entscheidung, die Wehrpflicht auszusetzen, verteidigte er: "Der Hintergrund war, dass es ein Spardiktat gab, das von der Bundeskanzlerin und Finanzminister Wolfgang Schäuble ausging. Die 100 Milliarden Euro Sondervermögen hätte ich damals gerne gehabt." Stattdessen habe jedes Ressort nach der Finanzkrise Milliarden-Einsparungen vorlegen müssen, zugleich sei die Bundeswehr bereits in einem miserablen Zustand gewesen. Der Afghanistan-Einsatz band damals große Ressourcen und forderte Opfer. In dieser Situation sei die Wahl gewesen: Entweder die Wehrpflicht zu halten oder den Bündnisverpflichtungen nachzukommen und die Streitkräfte zu professionalisieren.
Guttenberg zieht es nicht mehr in die Politik zurück
Der frühere Minister ließ keine Zweifel daran, dass es ihn nicht mehr in die Politik zurückzieht: "Ich bin ein vergleichsweise alter Sack mit 52 Jahren", scherzte er. "Ich hatte das Glück, nach der politischen Zeit in ein neues Leben eintauchen zu können. Lebt man am Ende ein zufriedeneres Leben, wenn man sich konstant mit seiner Vergangenheit befasst oder erlaubt man sich auch etwas Gegenwart?" Zu Guttenberg investiert heute in junge Unternehmen und ist "mit großer Freude" in den Bereich Dokumentarfilm eingestiegen, zuletzt zu Putin und zur Macht der Kirchen. Zusammen mit Gregor Gysi (Die Linke) nimmt er regelmäßig einen Podcast auf. Gysi sage dazu "Pooodcast", "er hat hier ein ganz neues Wort geprägt", freute sich zu Guttenberg, der locker mit Jackett, Turnschuhen und Blue Jeans auftrat. Einbringen will er sich künftig trotzdem. "Wir alle sind dazu aufgerufen, uns in der Gesellschaft einzubringen, wir dürfen nicht schweigen", sagte er.
Zu Guttenberg ist heute auch als Autor aktiv. Geschrieben hat er das Buch "3 Sekunden - Notizen aus der Gegenwart", in dem er das widersprüchliche Lebensgefühl unserer Zeit in kurze Geschichten fasst. Seine Erlebnisse und Überlegungen halte er gerne in einem kleinen grünen Notizbüchlein fest. Aus den Notizen sind Kurzgeschichten geworden. Und daraus das Büchlein.
Natürlich stellt sich dabei eine Frage: "Haben Sie's selbst geschrieben?" Zu Guttenberg beweist Humor: "Ich habe Frau Giffey gebeten, es zu schreiben", scherzt er. Die frühere Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte auch eine Plagiatsaffäre. Doch dann stellt er klar: "Es reicht, sich einmal im Leben mit fremden Federn zu schmücken." Jede Zeile ist selbst geschrieben.
Hören Sie sich das ganze Gespräch mit Karl-Theodor zu Guttenberg auch im Podcast an: