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Zürich-Tatort: Tatort am Sonntag: So gut wird "Schattenkinder"

Zürich-Tatort

Tatort am Sonntag: So gut wird "Schattenkinder"

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    Wie wird der Tatort am Sonntag?
    Wie wird der Tatort am Sonntag? Foto: AZ Grafik

    Um Menschen ihre Identität zu nehmen, reicht es oft, ihnen den Schädel kahl zu scheren, was besonders gerne in Straflagern praktiziert wurde. Gleich zu Beginn der neuen Schweizer Tatort-Folge „Schattenkinder“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) verlieren drei junge Menschen in fahlen Videoschnipseln ihre Haare und ihr altes Leben. Bald tragen sie Tattoos im Gesicht, die wie unentzifferbare Schriftzeichen wirken, ihre Augäpfel sind dunkel tätowiert und die Blicke sind die von Zombies. Wenig später hängt einer von ihnen an Ketten in einer Industriehalle: tot, mit Formalin getränkt und dick eingewickelt in Plastikfolie – der Kokon eines riesigen Insekts. So beginnen Filme über durchgedrehte Serienmörder, die ihre Leichen schauderhaft drapieren. So beginnen eher selten Krimis aus der Schweiz. Doch nach einem kleinen bisschen Horrorshow in der ersten starken Viertelstunde geht es dann doch eher routiniert weiter mit akribischer Fahndung, Handydatenauswertung, Vernehmungen im kalten Verhörzimmer. Und dennoch wird das Ganze nicht schon nach einer halben Stunde ein Fall für den gelangweilten Griff zur Chipstüte.

    Kommissarin Tessa Ott am Tatort.
    Kommissarin Tessa Ott am Tatort. Foto: Sava Hlavacek/ARD Degeto/SRF, dpa

    Sarah Hostettler strahlt eine unfassbare Kälte aus

    Und das liegt nicht zuletzt an Sarah Hostettler. Sie spielt die Künstlerin Kyomi, die drei junge kahl geschorene Menschen um sich geschart hat wie der Guru seine Sektenjünger. Sie hat sie zu lebenden Kunstobjekten gemacht, die in Bildern und Videoinstallationen ihre Haut zu Markte tragen – und sich dabei dennoch wohlfühlen. Denn sie alle sind Schattenkinder, also solche, die nie die nötige Aufmerksamkeit bekamen, die nur eine Nebenrolle in ihrer Familie und ihrem Leben spielten. Kyomi stellt sie in den Mittelpunkt, gibt ihnen ein neues Leben, aber aus schwer durchschaubaren Motiven.

    Sarah Hostettler strahlt eine unfassbare Kälte aus, die sich in vielen fahlen Bildern widerspiegelt, auch in den üppig eingestreuten Luftansichten des winterlichen Zürich mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund und einem See, der jeden Moment schockgefroren zu erstarren scheint.

    Sie stiehlt den beiden Ermittlerinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) sozusagen eiskalt die Schau, wobei Carol Schuler eine ganz starke Szene bekommt: Um beim Rumschnüffeln nicht enttarnt zu werden, setzt sie sich ans Klavier, singt – und wie! Die Frau hat Soul in der Kehle. Es lohnt sich, ihre Videos bei Youtube zu suchen und ihr zuzuhören, wie sie als Amy Winehouse-Double deren Hit „Valerie“ in Grund und Boden röhrt. Als Kommissarin wirkt sie fast unterfordert.

    Ach ja: Gegen Ende nimmt „Schattenkinder“ noch einmal mächtig und feurig Fahrt auf. Dranbleiben lohnt sich, auch ohne Chipstüte. Ronald Hinzpeter

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