Fynn Kliemann ist Influencer, aber eigentlich viel mehr als das. Der 34-Jährige ist nur in erster Linie für einen Youtube-Kanal mit unterhaltsamen Handwerker-Videos bekannt. Er hat auch ein Nummer-1-Album veröffentlicht, verkauft eigene Gemälde für zehntausende Euro und hatte vergangenes Jahr mit einer Dokumentation, in der er und Musiker Olli Schulz das alte Hausboot von Sänger Gunter Gabriel sanieren, großen Erfolg auf Netflix. Er wirkt dabei häufig schusselig, verplant, aber sympathisch. Wie jemand, der anpackt und einfach handelt. Er ist als Unternehmer in zig verschiedenen Feldern aktiv und beteiligt sich an einer Vielzahl von Firmen.
Was dabei herausstach: Kliemann hat sich den Ruf erworben, dass da zwar einer Business macht, aber es nicht einfach nur ums Geld geht. Wer bei ihm ein Ferienhaus mietet, kann freiwillig mehr zahlen, um Bedürftigen einen Urlaub zu ermöglichen. Er unterstützt regelmäßig Aktionen von NGOs wie etwa Viva con Agua. Und seine Klamotten – ja, er hat auch noch ein Modelabel – sind natürlich fair und in Europa produziert.
Zu Beginn der Pandemie bot Fynn Kliemann mit seinem Geschäftspartner Corona-Masken an
Mit seinem Geschäftspartner Global Tactics, der die Klamotten produziert, arbeitet er dann auch zusammen, als in der Corona-Pandemie 2020 dringend Schutzmasken gesucht werden. Auf Instagram schreibt er damals: "'Komm, wir stellen mal eben unsere Klamottenproduktion auf Masken um' ... Eine Woche später sind wir einer der größten Masken-Produzenten Europas." Er verkauft die Masken in seinem Onlineshop günstiger als andere Hersteller zu dieser Zeit. An so einer Krise solle man sich nicht bereichern, sagt er in einem Interview mit Focus Online, der Preis decke gerade so die Kosten. Und, das hebt Kliemann hervor, er lässt die Masken fair produzieren, in Portugal und Serbien. Dann spenden er und sein Geschäftspartner auch noch 100.000 Masken an Geflüchtetenunterkünfte in Griechenland und Bosnien.
Der Instagram-Post, in dem Kliemann von der Umstellung auf die Masken-Produktion berichtet, hat mehr als 127.000 Likes. Die Kommentare, die 2020 darunter geschrieben wurden, sind voller Lob, Anerkennung, Dankbarkeit. "Ihr leistet Großes!" schreibt eine Nutzerin, "Kannst du auch Bundeskanzler ;)" ein anderer. Die Kommentare sind schlecht gealtert.
Jan Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" behauptet, die Masken seien in Asien gefertigt worden
Denn in der Nacht auf Freitag veröffentlichte das "ZDF Magazin Royale", die Satire-Show von Jan Böhmermann, ein Video mit einem scharfen Vorwurf: Kliemann habe die "fairen" Masken 2020 in Bangladesch und Vietnam fertigen lassen. Es geht demnach nicht um ein Versehen oder um eine schlecht kontrollierte Handelskette. Der Sendung zufolge haben sich Kliemann und sein Geschäftspartner für die Herstellung in Asien entschieden, weil dort die Kapazitäten schnell hochgefahren werden konnten, Kliemann selbst sei in die Entscheidungen involviert gewesen.
Das Team der ZDF-Sendung stützt sich auf interne Mails, WhatsApp-Nachrichten und Sprachnachrichten, die von Kliemann und seinem Geschäftspartner stammen sollen. Aus einer Mail gehe etwa hervor, dass die Kartons, in denen die Masken geliefert wurden, neutral gehalten werden sollten, um deren Herkunft zu verschleiern.
Das "ZDF Magazin Royale" geht von einem möglichen Millionen-Gewinn aus
Mindestens 2,3 Millionen Masken sollen Kliemann und sein Geschäftspartner in Bangladesch und Vietnam bestellt haben, das "ZDF Magazin Royale" errechnet daraus einen Millionengewinn. Eine bittere Pointe gibt es dann noch zu den an Geflüchtetencamps gespendeten Masken: Dabei handelt es sich laut den Recherchen um eine Testproduktion minderer Qualität. Da sie nicht für den Verkauf geeignet gewesen seien, habe der Hersteller sie kostenlos überlassen.
Nachdem das Video des "ZDF Magazin Royale" veröffentlicht wurde, meldete sich Kliemann am Freitagnachmittag mit einem mehrseitigen Statement zu Wort, in dem er Fehler einräumt. "Ich möchte mich in aller Form bei allen Personen, Organisationen, Institutionen entschuldigen, die nun 'auf den ersten Blick' enttäuscht und geschockt sind", beginnt es.
Er erklärt aber auch, die über seine Website angebotenen Masken "kamen zu 100 Prozent aus Portugal oder Serbien". Andere Masken seien ein Großhandelskontingent für Handelspartner und Großabnehmer gewesen, die diese weiterverkauft hätten. Die seien über die Herkunft der Masken informiert gewesen, behauptet Kliemann.
Er müsse sich aber klar eingestehen, dass er den Prozess nicht mehr überblicken habe können. „Das darf niemals passieren und somit übernehme ich, auch wenn ich weder Produzent noch Verkäufer war, eine Verantwortung“ , so Kliemann. Zugleich bat er um einen differenzierten Blick auf die Details.