Das Talent guter Karikaturisten besteht darin, das Humorvolle jeder Situation herauszustellen. "Es regnet nicht mehr in Frankreich", steht über einer Zeichnung des französischen Künstlers Sanaga von zwei Figuren, die auf einem braunen, ausgedörrten Boden stehen. "Man vermisst fast schon François Hollande", sagt eine von ihnen, und im Vordergrund marschiert der Ex-Präsident unter einer schwarzen Wolke, aus der es zielgenau auf ihn herabregnet. Hollande hatte das Pech, bei wichtigen Ereignissen unter freiem Himmel, beginnend mit seiner eigenen Amtseinführung 2012, erbarmungslos durchnässt zu werden.
Heute könnte Frankreich eine Art "Regengott" gebrauchen. Im Februar gab es keine nennenswerten Niederschläge – es ist die längste Trockenperiode zu dieser Jahreszeit seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Grundwasser-Reserven sind gering, die Böden in manchen Regionen jetzt schon so trocken wie sonst Ende Mai. Seen, Flüsse und Bäche haben einen äußerst niedrigen Wasserspiegel.
Das Ministerium für den ökologischen Wandel gab das Defizit von Regenwasser in den vergangenen sechs Monaten mit 15 Prozent an. "Kein einziges Departement befindet sich im Normbereich", warnte der zuständige Minister Christophe Béchu.
In mehreren Regionen Frankreichs musste Wasser schon rationiert werden
Deshalb führte Béchu Gespräche mit den Präfekten als den Verwaltungschefs der Departements, die für die wichtigsten Grundwasserreservoirs in Frankreich zuständig sind. Noch im März soll ein nationaler "Wasser-Plan" vorgestellt werden, um den Problemen, die auf das Land zukommen, so gut wie möglich vorzubeugen. Bereits 2022 galt als Hitze-Rekordjahr mit dramatischen Bränden und großer Dürre im Sommer, die nicht nur den Landwirten zu schaffen machte. "Im vergangenen Jahr hatten 700 Gemeinden zeitweise kein fließendes Wasser", erinnerte Béchu. „Wenn wir in diesem Sommer nicht 1500 oder 2000 Orte in dieser Situation haben wollen, müssen wir rationieren.“
In mehreren südfranzösischen Departements wurden erstmals bereits im Winter Dekrete zur Begrenzung des Wasserverbrauchs erlassen. Mancherorts dürfen Rasen oder Fußballfelder nicht mehr gesprengt, Terrassen und Autos nicht gewaschen werden. Die Bürgermeister von neun südfranzösischen Dörfern setzten für die nächsten vier Jahre alle Baugenehmigungen aus.
Im benachbarten Italien sieht die Lage nicht besser aus. Der vergangene Sommer war im Norden des Landes der trockenste seit 70 Jahren. Die Landwirte dort hofften nun auf die Regen- und Schneefälle im Winter, damit die Wasserspeicher sich vor dem kommenden Sommer wenigstens teilweise wieder füllen würden. Doch bis jetzt hat es kaum geregnet. "Es ist hier schon wie in den Tropen!, sagt der Agronom Francesco Giardina vom Landwirtschaftsverband Coldiretti. "Den langen Dürreperioden folgen heftige Unwetter, die mehr kaputt machen als dass sie helfen." Aber selbst die starken Regenfälle lassen in diesem Frühjahr auf sich warten. Italien droht ein neuer Dürre-Sommer.
In der Po-Ebene Italiens ist die Produktion von Lebensmitteln in Gefahr
Betroffen ist vor allem die Landwirtschaft in der Po-Ebene, eine der wichtigsten Gegenden in Europa für die Produktion von Lebensmitteln. Die Dürre im vergangenen Jahr bescherte den Landwirten in Italien einen Schaden in Höhe von sechs Milliarden Euro. Auch in diesem Jahr sei ein Drittel der gesamten Produktion in Italien in Gefahr, teilt Coldiretti mit. Nach den Jahren 2007, 2012 und 2017 folgte im vergangenen Jahr die vierte Dürre in der Emilia-Romagna und im Veneto. Wird auch der Sommer 2023 von extremer Trockenheit geprägt sein? Luca Mercalli, Präsident der italienischen meteorologischen Gesellschaft, sagt: "Die letzte Hoffnung ist, dass es im Frühjahr regnen wird."
Die Wasserstände der Flüsse und Seen in Norditalien lassen nichts Gutes ahnen. "Der Po, die Quelle unserer Landwirtschaft in Norditalien, ist auf einem Rekordtief, an manchen Stellen liegt der Pegel drei Meter unter dem Normalstand", sagt Francesco Giardina. Auch die Pegelstände der oberitalienischen Seen sind dramatisch niedrig. Gardasee und Lago Maggiore weisen derzeit gerade einmal 39 Prozent ihres Normalstandes zu dieser Jahreszeit auf.
Italiens Politik hat eigentlich erkannt, dass gehandelt werden muss. Schon die bis Oktober amtierende Regierung unter Mario Draghi stellte Mittel bereit für den Bau von 10.000 Becken zum Speichern von Regenwasser. 3,2 Milliarden Euro wurden dazu bis in das Jahr 2030 veranschlagt. Im Zuge der EU-Corona-Hilfen sollte dieses Geld zur Vorbeugung kommender Dürren investiert werden. Von den 10.000 geplanten künstlichen Seen sind derzeit aber erst 223 fertiggestellt worden. Längst noch nicht alle Standorte wurden bestimmt. Mancherorts sind Enteignungen notwendig. Und all das kostet Zeit.