Benjamin Götz stören viele Dinge an seiner Schwiegermutter. Sie nehme ihn als Vater nicht ernst, spreche ihm Kompetenz bei der Erziehung ab. Noch dazu stellt die Schwiegermutter in seiner Wohnung jeden Abend den Geschirrspüler an, obwohl nur drei Tassen darin stehen. Benjamin Götz freut sich, wenn seine Schwiegermutter wieder abreist.
Bei David Braun ist das alles ganz anders. Er sieht seine Schwiegermutter jeden Tag. Mit ihr lebt er zusammen auf einem Bauernhof im Schwarzwald, immerhin in getrennten Wohnungen. Bei jedem Frühstück, Mittag- und Abendessen sitzen Schwiegermutter und Schwiegersohn an einem Tisch. Das Verhältnis sei gut, sagt David Braun. Auch wenn er manchmal die Augen rollt und denkt: „Wieder diese Leier, muss sie sich jetzt so aufregen?“ Es geht etwa darum, ob die Kühe im Winter auf die Weide sollen oder nicht. Zu kalt sei das, sagt die Schwiegermutter. Trotzdem bilden Schwiegermutter und Schwiegersohn ein Team, kümmern sich gemeinsam um den Hofladen und die zwei Kinder.
Ohne die Schwiegermutter würde es oft nicht laufen
Die Schwiegermutter ist immer wieder Thema. In Gesprächen mit Freunden, mit dem Partner, in Zeitschriften. Eine Überschrift lautet: „Warum Schwiegermütter böse sind“; ein Buchtitel: „Hassgeliebte Schwiegermutter“. Das Buch gibt Tipps, wie man mit ihr fertig wird. Und im Internet finden sich viele böse Witze: das Idealgewicht einer Schwiegermutter? Drei Kilo zwanzig – inklusive Urne.
Die Schwiegermutter ist aber auch eine sich liebevoll kümmernde Großmutter. Durchschnittlich acht Stunden je Woche übernehmen Großeltern die Enkelkinder. Ohne sie würde es also auch nicht laufen.
Was kann man tun, damit Konflikte nicht eskalieren?
Paartherapeuten berichten, dass die Schwiegermutter immer wieder auf die Beziehungen einwirkt. Häufig fühlt sich die Schwiegertochter als Opfer – und Eifersucht ausgesetzt, weil sie der Schwiegermutter ihren Sohn, ihr Herzblatt, wegnimmt.
Doch warum ist ständig vom schwierigen Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter die Rede? Leiden Schwiegersöhne nicht auch? Was kann man tun, um Konflikte nicht eskalieren zu lassen? Antworten geben eine Psychologin und zwei Familienväter.
Die Schwiegermutter übernimmt in der Küche das Kommando
Benjamin Götz glaubt, dass mehr als die Hälfte der Männer Probleme mit ihrer Schwiegermutter hat und nicht darüber sprechen will. Er zeigt sich bereit, zu reden, aber nur unter einem anderen Namen. Ihn kennen viele, er ist 43 Jahre alt und Professor an einer Universität. Man trifft ihn im Grünen, außerhalb der Stadt, unter einer Kastanie, daneben ein Ahornbaum. Die Gartenstühle sind noch nass vom vorherigen Schauer. Prinzipiell mag Götz seine Schwiegermutter. Bevor die Kinder, heute vier und ein Jahr alt, auf die Welt kamen, spielte die Schwiegermutter keine große Rolle. Seither habe sich das Verhältnis verschlechtert.
Gemeinsam mit der Schwiegermutter machte die Familie letztens Urlaub. Die Eltern saßen am Beckenrand eines Swimmingpools, die Vierjährige planschte im niedrigen Wasser. Die Schwiegermutter begleitete die Enkelin bei jedem Schritt, bestand darauf, dass sie eine Schwimmweste trug. Da fiel Götz auf, wie ängstlich die Schwiegermutter agiert. „Wir saßen direkt daneben, da konnte nichts passieren.“ Wenn sich die Oma so ängstlich zeige, werde das Kind selbst unsicher, sagt er. Die Schwiegermutter wohnt weit weg und besucht die Familie dreimal im Jahr, bleibt eine Woche. Sie in ein Hotel zu schicken, möchte das Ehepaar nicht. Doch bei ihnen zu Hause sei die Stimmung häufig angespannt, sagt Götz. „Sie übernimmt sofort das Kommando in der Küche und verleibt sich den Haushalt ein.“ Auf der einen Seite entlaste das: Götz muss nicht kochen und sich weniger um die Kinder kümmern. Auf der anderen Seite stört ihn, dass der Geschirrspüler permanent laufe und Ressourcen verbrauche. Die wenigen Teller müssten am nächsten Morgen sauber sein, sagt die Schwiegermutter. Benjamin Götz versuchte ein paar Mal, das zu ändern, ohne Erfolg.
Götz fühlt sich von der Schwiegermutter nicht ernst genommen
Und es gibt noch mehr Konfliktpotenzial. Als Götz an einem Vormittag einmal mit den Kindern zu einem Ausflug starten wollte, kochte seine Schwiegermutter gerade und wollte mit allen gemeinsam essen. „Sie war dann nur total genervt und sagte zu meiner Frau: Was soll das jetzt? Wieso geht der jetzt? Wieso sagt mir das niemand?“ Götz entschuldigte sich, ging aber trotzdem, weil er mit einem anderen Vater verabredet war. Das Mittagessen gab es abends.
Diese Situation ließ sich schnell klären; ein strukturelles Problem hingegen ist, wenn der Schwiegersohn nicht ernst genommen wird. Das merkt Götz beim Anziehen der Kinder. „Wenn ich sage, Ronja braucht keine Jacke, zieht die Schwiegermutter ihr trotzdem eine an. Wenn meine Frau das sagen würde, würde sie das eher akzeptieren.“
Konflikt zwischen Mutter und Ehemann: Zu wem hält die Ehefrau?
In ihm sehe die Schwiegermutter eher den Geldverdiener statt Kümmerer, sagt Götz. „Ich glaube, das hat noch ein bisschen mit dem alten Rollenverständnis zu tun. Sie meint, dass allein Frauen Bescheid wissen, wie die Kinder zu erziehen sind.“ Früher konnte sich Götz mit seiner Schwiegermutter über viele Themen gut unterhalten: Natur, Tiere, was beide so mögen. „Seitdem die Kinder auf der Welt sind, spielt das keine Rolle mehr bei ihr. Das finde ich schade, weil wir dadurch die gemeinsame Basis verloren haben und uns eher bei den Konflikten treffen.“
Bei Konflikten fühlt sich Götz’ Frau oft zwischen den Parteien. „Sie hat das Gefühl, sich für eine Seite entscheiden zu müssen. Und das ist oft die Seite ihrer Mutter.“ Die Schwiegermutter habe die Tochter schließlich nach ihren Wertvorstellungen erzogen. Doch mit der Zeit hält Götz’ Ehefrau immer mehr zu ihm, weil Streitereien sonst zu häufig eskalierten. Benjamin Götz sagt: „Die Kernfamilie ist das Wichtigste. Wir halten zusammen, treten als Team auf und wollen uns nicht von unseren Eltern spalten lassen.“ Mittlerweile hat Benjamin Götz das Gefühl, sich bei seiner Schwiegermutter mehr Vertrauen erarbeitet zu haben. Sie erkenne an, dass er sich gut um die Kinder kümmert.
Schwiegermütter haben gewisse Vorstellungen
Eine, zu der Paare in die Paartherapie kommen, ist Felicitas Heyne. Sie hat vor 16 Jahren das Buch „Hassgeliebte Schwiegermutter – Der Ratgeber für gestresste Schwiegertöchter“ geschrieben. Das ist eine Weile her, doch das Thema immer noch aktuell. Fehlt ein Ratgeber für gestresste Schwiegersöhne? „Schwiegersöhne, die Probleme mit ihrer Schwiegermutter haben, treffe ich selten“, sagt Heyne, 57 Jahre alt. Sie ist Psychologin und systemische Paar- und Familientherapeutin, lebt mit ihrem Mann in der Pfalz und hat eine „sehr liebevolle“ Schwiegermutter.
Warum ist das Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter häufiger belastet? „Sie haben im Alltag mehr Reibungspunkte“, sagt Heyne. Zum Beispiel die Arbeit zu Hause: putzen, kochen, einkaufen, Kinder betreuen – das machten zum großen Teil immer noch Frauen. „Von einer hälftigen Teilung sind viele Paare weit entfernt. Dann kommt die Schwiegermutter und hat gewisse Vorstellungen, wie das und das zu machen ist. Doch die Schwiegertochter macht vieles ganz anders.“
Nicht warten, bis der Konflikt eskaliert
Doch egal welches Geschlecht: Unterschiedliche ideologische Ansichten bieten immer Konfliktpotenzial, sagt Heyne. Nehmen wir den Geschirrspüler in der Wohnung von Benjamin Götz: Die Schwiegermutter in diesem Fall einfach machen zu lassen, sei eine gute Entscheidung, sagt die Therapeutin. Das habe in diesem Fall keinen Einfluss auf die Ressourcen des Planeten. „Man sollte seine Schlachten sorgfältig wählen und sich immer die Frage stellen: Wie wichtig ist der Konflikt und wie häufig tritt er auf?“ Gehe es etwa um die Sicherheit des Kindes, sei das nicht verhandelbar. Cola trinken an drei Abenden sei sicher zu vernachlässigen. „Aber wenn die Schwiegermutter ständig die Balkontür offenstehen lässt und das Kind hinunterfallen könnte, ist das ein Risiko.“
Wohne man Tür an Tür mit den Schwiegereltern, sollte man einen Konflikt eher ansprechen, sagt Heyne. Die Faustregel lautet: „Nicht warten, bis es eskaliert, sondern lieber vorher mit den üblichen Regeln sprechen.“ Die Expertin meint damit: Wenn beide Parteien ausgeglichen und nicht aufgewühlt sind; nicht anklagend sprechen, sondern aus der Ich-Perspektive: Das macht mir zu schaffen, können wir mal gucken, ob.
Wohnung an Wohnung: Da muss man miteinander funktionieren
Entscheidend ist Heyne zufolge auch, wie viel Einfluss die Schwiegerkinder den Schwiegereltern zugestehen. „Je mehr räumliche Nähe und Verstrickungen es gibt, desto mehr Macht und Einfluss hat die Schwiegermutter.“ Einfluss ermögliche man, wenn die Schwiegermutter im Haushalt und bei der Kinderbetreuung hilft oder finanziell unterstützt.
David Braun, 49, lebt mit seiner Frau, den Kindern und seinen Schwiegereltern seit acht Jahren auf einem Bauernhof im Südschwarzwald, fünfunddreißig Mutterkühe, 130 Hühner. Den Schwiegereltern gehört der Hof und alle packen mit an. Die Schwiegermutter, 66 Jahre alt, backt, der Schwiegersohn verkauft die Brötchen und Hefezöpfe auf dem Markt. Sie putzt nachher die leeren Kisten und die Auslage. Er stellt Wurst aus eigener Schlachtung her, sie macht nachher die dafür nötigen Gläser sauber. Die zwei Kinder, vier und sechs Jahre alt, übergeben sich die Eltern und die Schwiegermutter stets für die Betreuung. Man muss miteinander funktionieren. Und alle, Schwiegereltern und -kinder, haben ein gemeinsames Konto – für betriebliche Einnahmen und private Ausgaben.
„Meine Schwiegermutter entlastet uns massiv“
David Braun heißt eigentlich anders, ihn kennen in dem kleinen Ortsteil viele, zu viel Privates könne das Geschäft schädigen. Nun setzt er sich vor dem Hofladen an einen Tisch, oben am Hang grasen die Kühe, über die Landstraße knattern Motorräder. Sein gutes Verhältnis zu seiner Schwiegermutter mache aus, dass beide Teil der Großfamilie und fest eingebunden in den Betrieb sind, sagt er. Man profitiere gegenseitig. „Wir erledigen die schweren Arbeiten, dafür werden wir mit gutem Essen bekocht und die Wäsche wird uns gemacht. Meine Schwiegermutter entlastet uns auch massiv, weil sie häufig die Kinder betreut.“ Um die Mahlzeiten vorzubereiten, verbringt Brauns Schwiegermutter viel Zeit in der Küche. „Wir laufen am Tag fünfzig Mal aneinander vorbei, wenn‘s reicht“, sagt er.
Bei so viel Kontakt gibt es aber auch Differenzen. Doch Braun versucht stets, keinen Streit aufkommen zu lassen. „Man schluckt auch vieles einfach runter. Nach dem Motto: Komm, wir lassen das jetzt gar nicht hochkochen.“ Das sei in so einer großen Runde auch Taktik von jedem. Besonders sein Schwiegervater habe immer mal etwas zu kritisieren und „verrennt sich in irgendwas.“ Dabei geht es häufig um das Management des Hofes, das für alle ja wirtschaftlich wichtig ist. David Braun und seine Schwiegermutter halten dann zusammen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden