Auch sie haben beim Volksaufstand des 17. Juni 1953 in der DDR protestiert, auch sie haben Reden gehalten und Widerstand geleistet. Auch sie haben die Konsequenzen mit aller Härte zu spüren bekommen: Frauen - Arbeiterinnen, Künstlerinnen, Verkäuferinnen. Doch sind sie im historischen Gedenken weitgehend vergessen, verdrängt und ausgeblendet. Der Film "Aufstand der Frauen" von Sabine Michel will das ändern. Die Doku läuft am Mittwoch um 22.30 Uhr im RBB Fernsehen. (Zuvor ist sie am Montag, um 23.35 Uhr im Ersten zu sehen.)
Die Dokumentation macht sich auf die Suche nach Frauenschicksalen rund um den 17. Juni. Ausgehend von der ikonografischen Trümmerfrau als Vorbild der neuen "sozialistischen Frau" legt sie die tatsächlichen sozialen Bedingungen für Frauen Anfang der 1950er Jahre offen. Frauen genossen in der Arbeitswelt der DDR durchaus schon früh Anerkennung. Viele arbeiteten in klassischen Männerberufen wie Maurer oder Straßenbahnfahrer. Das war auch dem Krieg geschuldet. Viele Männer saßen nach in Gefangenenlagern, viele waren gefallen.
"Es war eine Zeit des Aufbruchs und der ganz großen Erwartungen. Und meine Mutter war überzeugt, dass sie dazu beiträgt, eine bessere Zeit zu schaffen", sagt Tanja Stern, Tochter der Journalistin Käthe Stern. Diese hatte sich, obwohl Journalistin beim SED-Zentralorgan "Neues Deutschland", im Juni 1953 auf die Seite der Bauarbeiter geschlagen. Ihr Artikel hatte die Proteste auf der Stalinallee mit ausgelöst.
Die Unruhen verbreiteten sich schnell. Auch zur Waggonbaufabrik in Ammendorf, heutzutage ein Stadtviertel von Halle (Saale). Dort stellte sich die Putzfrau Frieda Stephan im Sommerkleid mutig vor die unschlüssige Masse und klagte an: "Es hat in Halle mal wieder kein Brot gegeben. Und wenn es mal Brote gibt, dann nur schlechte. Ich verlange aber besseres Brot. Auch unsere Familien wollen vernünftig essen. Nicht nur die Familien der Besserverdienenden. Und wir haben so lange gewartet, dass es allen besser geht. Aber nun ist unsere Geduld zu Ende. Und alle müssen sich endlich dem Streik der Berliner Bauarbeiter anschließen", zitiert der Historiker Hans-Peter Löhn aus Aufzeichnungen von Augenzeugenberichten aus den Tagen des Aufstands.
Frauen versorgten in dieser Zeit ihre Familien allein. 1949 legte die Verfassung der DDR die Gleichberechtigung der Frauen und das Recht auf Arbeit gesetzlich fest, alte Rollenbilder sollten über den Haufen geworfen werden. 1953 arbeiteten in der DDR schon über 50 Prozent der Frauen. Sie hatten unter den 1952 beschlossenen planwirtschaftlichen Maßnahmen des "verstärkten Aufbaus des Sozialismus" in der DDR wie Normerhöhungen, Zwangskollektivierungen oder die knappe Versorgung genauso zu leiden wie die Männer. Und sie machten sich Luft.
Am 17. Juni 1953 stellten auch Frauen ihre Forderungen, sie stiegen auf Tische und hielten Reden auf den Demonstrationen. Sie forderten freie Wahlen und Demokratie, bessere Arbeitsbedingungen, die Rücknahme der Normerhöhungen, bessere Versorgung und die Freilassung ihrer gefangenen Familienangehörigen - und sie beteiligten sich auch an den Ausschreitungen. Aber auch auf der Gegenseite standen Frauen - als Aufseherinnen, Polizistinnen oder SED-Funktionärinnen.
Frauen, die an den Streiks beteiligt waren, wurden von der DDR-Staatsführung als asoziale Elemente und Prostituierte verunglimpft, andere instrumentalisierte man für das Narrativ des faschistischen Aufstandes. Die vielen schmerzlichen Erinnerungen in den Familien an für Jahre eingesperrte, als Provokateure verunglimpfte, gar getötete und heimlich verscharrte Männer mussten gerade auch Ehefrauen, Mütter und Töchter mittragen.
Die Dokumentation erzählt einfühlsam exemplarische Geschichten von Frauen aus Halle an der Saale, Rathenow und Ost-Berlin. Sie haben zum Aufstand des 17. Juni 1953 beigetragen und sind durch ihn geprägt worden.
(Von Christof Bock, dpa)