Vitamin D ist streng genommen gar kein Vitamin, sondern ein Hormon. Es kann nämlich mithilfe der Sonne vom Körper selbst hergestellt werden. Nicht nur bei der Bezeichnung, sondern auch bei der täglichen Dosierung gibt es Unklarheiten, die in den Medien immer wieder diskutiert werden. Meistens wird vor einer Überdosierung gewarnt, aber wie gefährlich ist Vitamin D und welche maximale Tagesdosis sollte man tatsächlich nicht überschreiten?
Maximaler Tagesbedarf: Wie viel Vitamin D am Tag brauchen wir?
Vitamin D unterstützt die Aufnahme von Phosphor und Calcium und ist wichtig für gesunde Knochen, Zähne, Muskeln und das Immunsystem. Ein Vitamin-D-Mangel oder selbst eine nicht optimale Versorgung können sich anhand verschiedenster Symptome zeigen. Aber wie viel der Körper tatsächlich braucht, ist nicht ganz klar.
„Auf kaum einem Gebiet gibt es so viele unterschiedliche Angaben und Empfehlungen zum Normbereich wie bei 25-OH-Vitamin D“, sagt uns Kai-J. Lüthgens, Facharzt für Laboratoriumsmedizin. Auch internationale medizinische Institute geben zum täglichen Bedarf keine einheitlichen Angaben. Hier der Überblick zum Tagesbedarf für Erwachsene zwischen 19 und 70 Jahren:
- Deutschland (DGE): 800 IE
- Vereinigtes Königreich (NHS): 400 IE
- USA (NIH): 600 IE
- Endocrine Society: 1.500–2.000 IE für Erwachsene
Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind höher als die des National Health Service (NHS) und der National Institutes of Health (NIH) in den USA. Trotzdem denken einige Experten, dass die Dosierung zu gering ist. Eine pauschale Empfehlung ist für Vitamin D laut der Nephrologin und Stoffwechselexpertin Helena Orfanos-Boeckel nicht angemessen. „Jeder Mensch hat seine eigene Vitamin-D-Schuhgröße. Was für den einen passt, kann für den anderen zu wenig oder zu viel sein“, sagt sie uns im Interview. Wie viel Vitamin D der Körper braucht, ist von mehreren Faktoren abhängig. Dazu gehören die Hautfarbe, der Lebensstil, das Alter, das Gewicht und genetische Unterschiede. Auch der Wohnort spielt eine große Rolle, denn die Intensität der UV-Strahlung beeinflusst die körpereigene Vitamin-D-Produktion.
In den Übergangszeiten, also im Frühling und Herbst, kann es bis zu einer Stunde Sonnenlicht pro Tag brauchen - und das nur in der Mittagssonne -, um Vitamin D in geringen Mengen zu bilden. Im Winter reicht die Sonneneinstrahlung in vielen Regionen nicht aus – besonders für Menschen mit dunkler Haut.
Wie viel Vitamin D am Tag sollte man maximal einnehmen?
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die sicheren Höchstaufnahmemengen (Tolerable Upper Intake Levels, UL) für Vitamin D für verschiedene Bevölkerungsgruppen 2012 neu bewertet. Der UL legt die maximale tägliche Aufnahmemenge fest, die langfristig als sicher gilt und keine gesundheitlichen Risiken birgt. Das ist der Überblick:
Altersgruppe | maximale Tagesdosis | Begründung |
---|---|---|
Erwachsene (inkl. Schwangere & Stillende) | 100 µg (4000 IE) | Basierend auf Studien mit Männern, bei denen bis zu 250 µg/Tag (10.000 IE) keine Nebenwirkungen (z. B. Hyperkalzämie) zeigten. Zur Sicherheit wurde der Wert auf 100 µg festgelegt. |
Jugendliche (11–17 Jahre) | 100 µg (4000 IE) | Da sich die Knochen in dieser Altersgruppe schnell entwickeln und wachsen, vertragen Jugendliche ähnlich hohe Mengen an Vitamin D wie Erwachsene. |
Kinder (1–10 Jahre) | 50 µg (2000 IE) | Wegen kleinerer Körpergröße wurde die UL auf die Hälfte des Erwachsenenwertes gesetzt. |
Säuglinge (<1 Jahr) | 25 µg | Frühere Daten zeigen, dass höhere Mengen mit Wachstumsstörungen und Hyperkalzämie verbunden sein könnten. |
Laut der DGE können aus medizinischen Gründen allerdings sogar höhere Vitamin-D-Zufuhrmengen notwendig sein. Für die langfristige Einnahme ohne ärztliche Kontrolle empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Nahrungsergänzungsmittel mit bis zu 20 µg (800 IE) Vitamin D pro Tagesdosis.
Orfanos-Boeckel plädiert dazu, die Blutwerte von beiden Vitamin-D-Formen bei einer Vitamin-D-Therapie einzubeziehen. Ohne die sogenannte D-Ratio (1,25-OH-VD in pg/ml/25-OH-VD in ng/ml), sei eine wirksame und sichere Therapie schwer. Zu einem funktionierenden Vitamin-D-Haushalt gehören außerdem auch andere Nährstoffe, wie Bor, Vitamin K2, Calcium und Magnesium. Helena Orfanos-Boeckel gibt in ihrem Ratgeber „Nährstofftherapie“ Vitamin-D-Dosierungen an, die sich an den Blutwerten orientieren. Gemessen werden immer Calcidiol (25-OH-VD) und Calcitriol (1,25-OH-VD). Hier die Empfehlungen der Ärztin:
- <20 ng/ml: Ein Wert unter 20 ng/ml gilt als schwerer Mangel. Orfanos-Boeckel empfiehlt eine Dosierung von 3000 bis 6000 IE am Tag mit zusätzlich Ca, Mg, Bor und K2 je nach Blutwerten und D-Ratio.
- 20-30 ng/ml: Bei diesen Werten spricht die Ärztin von einem Mangel und empfiehlt 2000 bis 3000 IE am Tag mit zusätzlich Ca, Mg, Bor und K2. Die Dosierung ist immer abhängig von der eigenen Ausgangssitutation.
- 30-40 ng/ml: Dieser Vitamin-D-Spiegel ist laut der Ärztin noch nicht optimal und sie empfiehlt 2000 IE täglich mit zusätzlich Ca, Mg, Bor und K2 je nach Blutwerten und D-Ratio.
- 40-50 ng/ml: Trotz dieser bereits relativ guten Blutwerte sollten 1000 IE zusätzlich am Tag genommen werden mit zusätzlich Ca, Mg, Bor und K2 je nach Labor und D-Ratio. Optimal sei ein Spiegel zwischen 50 und 70 ng/ml mit einer D-Ratio von 0,5.
Zum Vergleich: Bei Blutwerten zwischen 20 und 50 macht das Robert Koch-Institut (RKI) keine Unterscheidung und geht von einer ausreichenden Versorgung aus. Bei Werten von mehr als 50 ng/ml geht das RKI von einer möglichen Überversorgung aus. Orfanos-Boeckel sieht das differenzierter: Sie hält bei entsprechender Indikation auch hohe Calcidiol-Spiegel von 150 ng/ml für unproblematisch, solange das Serum Calcium im Normbereich und die D-Ratio unter 1,0 ist. Eine Überdosierung sei kein akutes Problem, solange der Calciumstoffwechsel richtig reguliert ist.
Ist das aber nicht der Fall, können laut RKI schwerwiegende Symptome entstehen. In akuten Fällen kann es bei Hyperkalzämie zu Nierenschäden und Herzrhythmusstörungen kommen – im Extremfall sogar zum Tod. Laut Orfanos-Boeckel müsse man aber „über lange Zeit richtig viel falsch machen, bis ein Calcium-Problem entsteht, deswegen sind Blutwerte bei höheren Dosierungen so wichtig“. Die Ärztin empfiehlt unter Therapie eine Messung alle drei bis sechs Monate. Nur so kann die individuelle Erhaltungsdosis, also die tägliche Dosierung, die nötig ist, um zur Prävention bestimmter Krankheiten optimale Blutwerte zu halten, herausgefunden werden. „Die meisten Menschen in meiner Praxis mit Hauttyp 2-3 brauchen 4000 bis 5000 IE täglich, begleitet von den Cofaktoren Calcium, Magnesium, Bor und Vitamin K2, um einen 25-OH-VD Spiegel von 60 ng/ml mit einer D-Ratio von 0,5 zu halten“. Aber die Bandbreite ist laut Orfanos-Boeckel groß. „Einige wenige brachen nur 1000IE täglich, um sehr gut versorgt zu sein, andere brauchen bis zu 20.000 IE täglich, um gut eingestellt zu sein. Wenn man mit dem Hormon Vitamin D sicher und effektiv arbeiten will, muss man den dazugehörigen Stoffwechsel messen, so wie man das auch sonst in der Inneren Medizin macht. Man gibt ja auch keine Blutdrucksenker ohne vorher und unter Therapie den Blutdruck zu messen“, erklärt die Ärztin.
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