Seit mehr als 13 Jahren ist der Fall Maria Bögerl ein Rätsel. Die Bankiersfrau wurde damals aus ihrem Haus in Heidenheim entführt und Wochen später tot aufgefunden. Mehr als 10.000 Spuren, zahlreichen Pannen, falschen Fährten und intensiver medialer Berichterstattung später ist der Fall zu einem der bekanntesten Mordfälle Deutschlands geworden. Das Verfahren wurde jetzt eingestellt. Was über den Fall Maria Bögerl bekannt ist, ein Überblick.
Fall Maria Bögerl: Wie lief die Entführung ab?
Der Tag, an dem einer der rätselhaftesten Kriminalfälle der jüngeren Zeit in Deutschland begann, war der 12. Mai 2010. An diesem Tag wurde Maria Bögerl aus ihrem Wohnhaus in Heidenheim-Schnaitheim entführt. Vermutlich wurde sie von einem oder mehreren Tätern überwältigt, gefesselt, zu ihrem Auto gebracht und verschleppt. Bögerl war die Ehefrau des damaligen Heidenheimer Sparkassenchefs Thomas Bögerl. Der erhielt noch am Tag der Entführung einen Anruf eines unbekannten Mannes. Der forderte ein Lösegeld - in Höhe von 300.000 Euro.
Der Anrufer soll mittleren Alters gewesen sein und einen "ortsüblichen schwäbischen Dialekt gesprochen haben", heißt es später von der Polizei. Das Geld sollte der Sparkassenchef an einer mit einer Deutschlandflagge markierten Stelle an der Autobahn A7 ablegen. Die Übergabe scheiterte jedoch, das Geld wurde nie abgeholt. Und auf einen weiteren Anruf warten Polizei und Familie Bögerl vergeblich. Und Maria Bögerl bleibt vorerst verschwunden.
Fall Maria Bögerl: Wo wurde die Leiche gefunden?
Am 3. Mai, knapp drei Wochen nach der Entführung, wurde Maria Bögerls Leichnam südlich der Ortschaft Niesitz (Ostalbkreis) aufgefunden. Ein Spaziergänger mit seinem Hund entdeckte die Tote dort an einem Waldrand, nur wenige Kilometer vom Haus der Bögerls entfernt und in der Nähe der Geldübergabestelle. Die bereits verweste Leiche war mit Ästen abgedeckt. Die Polizei hatte das Gebiet ebenfalls schon an den Tagen nach der Entführung am 12. Mai durchsucht. Allerdings ohne Spürhunde. Um die Fundstelle herum finden die Ermittler auch das Handy der 54-Jährigen und etwas weiter entfernt das Auto der Bögerls, in dem die Frau offenbar entführt wurde.
Fall Maria Bögerl: Welche Rolle spielte die TV-Sendung "Aktenzeichen XY"?
Nur wenige Tage nach der Entführung und noch vor dem Fund der Leiche wendet sich die Familie an die Öffentlichkeit. Verzweifelt bitten Thomas Bögerl und seine Kinder unter Tränen in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" die Täter darum, die Ehefrau und Mutter am Leben lassen.
Aber auch im späteren Verlauf der Ermittlungen soll die TV-Sendung noch zwei weitere Male zu Hinweisen führen. Im Herbst 2012 wendet sich die Polizei über das Format an die Bevölkerung. Doch hier gibt es eine folgenschwere Panne: Nach der Sendung meldet sich ein Mann - führt die Polizei allerdings monatelang mit falschen Hinweisen in die Irre. Zunächst bringt ihm das mehrere Tausend Euro Belohnung. Doch schließlich bekommt er für die Aktion zwei Jahre Haft auf Bewährung. Im April 2017 wagen es die Polizisten dann erneut: Diesmal suchen sie über "Aktenzeichen XY... ungelöst" nach einem Verdächtigen. Sie finden den Mann, doch der Täter scheint er nicht zu sein.
Die Polizei setzt noch heute bei schwierigen Ermittlungen viel Hoffnung in die TV-Serie mit Moderator Rudi Cerne, wie etwa kürzlich bei einem Mord von vor 30 Jahren in St. Leon Rot.
Fall Maria Bögerl: Gibt es Tatverdächtige?
In der langen Historie des Falles gibt es zahlreiche Verdächtige. Bereits vier Tage nach der Entführung von Maria Bögerl gibt es einen Tatverdächtigen. Der Mann wird kurz nach seiner Festnahme wieder freigelassen. Anschließend treffen Ehemann Thomas Bögerl offensichtlich grundlose Spekulationen, er sei in die Tat verwickelt. Die Abläufe treffen den Bankdirektor hart: Etwa ein Jahr nach der Tat, im Juli 2011, nahm er sich das Leben. Die Verleumdungen, die erfolglosen Ermittlungen der Polizei und den Verlust seiner Frau habe er nicht ertragen, hieß es damals in der Traueranzeige der Familie. Auch die beiden Kinder gerieten ins Visier der Ermittler, allerdings ohne Ergebnis.
Eine Hoffnung in den Ermittlungen lieferte die DNA-Spur, die in Bögerls Auto gefunden worden war. Auf der Suche nach einem Täter führten die Ermittler mehrere DNA-Massentests an Tausenden Männern aus der Region durch. Doch auch hier: keine Spur. Die gefundene DNA eignete sich allerdings auch noch später dafür, mehrere Tatverdächtige zu überprüfen. So gab das Bundeskriminalamt April 2017 nach einer Veröffentlichung eines Phantombilds und einer Stimmaufzeichnung bekannt, dass ein Verdächtiger festgenommen worden sei. Die DNA-Probe bei dem Mann war allerdings negativ. Im Januar 2020 durchsuchte die Polizei in Bayern und Baden-Württemberg Wohnungen von drei Beschuldigten. Der Tatverdacht erhärtet sich aber nicht.
Ein Experte für Entführungen erklärte, dass der Täter mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Umgebung kam und allein und ungeplant handelte. Die Begründungen: Das geforderte Lösegeld sei vergleichsweise gering gewesen, der Täter habe schnell an Geld kommen wollen und sei nicht besonders professionell vorgegangen.
Fall Maria Bögerl: Machte die Polizei Fehler?
Der Fall ist auch als Aneinanderreihung von Pannen, Polizei-Fehlern und Kritik an den Behörden in die deutsche Kriminal-Geschichte eingegangen. Das beginnt schon kurz nach der Entführung: Das Lösegeld konnte nicht rechtzeitig an dem vereinbarten Ort abgelegt werden. Das gaben die Ermittler später zu. Die Kinder von Thomas und Maria Bögerl gingen noch weiter: In einem Interview mit dem Magazin Zeitenspiegel kritisierten sie 2012, ihr Vater habe sich allein um die Beschaffung des Lösegeldes kümmern müssen: "Wir haben den Soko-Chef in einem späteren Gespräch so verstanden: Wenn ein Bankdirektor das nicht könne, wer dann?" Weil ihm die Polizei nicht geholfen habe, sei der Ehemann zu spät zum Übergabeort gekommen.
Aber hätte die Polizei die Tat durch schnelles Arbeiten überhaupt verhindern können? "Mutmaßlich wäre sie nicht zu retten gewesen", sagte Thomas Friedrich, der die Ermittlungen in dem Fall damals leitete, zum zehnten Jahrestag des Mordfalls. Die Ermittler vermuteten, dass Maria Bögerl bereits kurz nach ihrer Entführung erstochen wurde - vermutlich zwischen Erpresseranruf und Geldübergabe.
Doch auch im späteren Verlauf der Ermittlungen gab es zahlreiche Vorwürfe gegen die Polizei: Die Ermittler hätten erst zwölf Stunden nach der Entführung damit begonnen, Spuren im Haus der Bögerls zu sichern. Die Garage, in der der Entführungswagen stand, sei trotz wiederholten Drängens der Familie erst vier Monate nach der Tat inspiziert worden.
Fall Maria Bögerl: Warum wird der Fall eingestellt?
13 Jahre nach dem Tod von Maria Bögerl ist vorerst Schluss mit den Mordermittlungen. In einer aktuellen gemeinsamen Pressemitteilung erklären das Polizeipräsidium Ulm und die Staatsanwaltschaft Ellwangen: "Nachdem derzeit keine weiteren Ermittlungsansätze vorliegen, kamen das Polizeipräsidium Ulm und die Staatsanwaltschaft Ellwangen überein, das Ermittlungsverfahren nunmehr einzustellen."
Fall Maria Bögerl: Welche Fakten sind bekannt?
Diese Fakten und zeitlichen Abläufe sind zum Fall Maria Bögerl bekannt:
- Maria Bögerl wurde am 12. Mai 2010 aus ihrem Wohnhaus in Heidenheim-Schnaitheim entführt
- Am Tag der Entführung erhielt ihr Ehemann einen Anruf eines unbekannten Mannes mit einer Lösegeldforderung
- 300.000 Euro Lösegeld wurden gefordert. Die Übergabe des Lösegeldes einen Tag später scheiterte.
- Am 03. Juni 2010 wurde Maria Bögerls Leichnam in einem Waldstück südlich der Ortschaft Niesitz aufgefunden.
- Die Ermittler haben eine DNA-Spur, die laut Polizei eindeutig einem männlichen Täter zugeordnet werden kann.
Fall Maria Bögerl: Könnten die Ermittlungen wieder aufgenommen werden?
Mord verjährt nicht. Deshalb können die Ermittlungen auch jederzeit wieder aufgenommen werden. Polizei und Staatsanwaltschaft teilen in ihrer Pressemeldung mit, dass der Fall weiterhin beim Polizeipräsidium Ulm geführt werde und dort in der Zuständigkeit des polizeilichen Hauptsachbearbeiters und des ehemaligen Leiters der bereits länger aufgelösten Sonderkommission "Flagge" verbleibe, um dadurch alle notwendigen Detailkenntnisse zum Sachverhalt in erfahrener Hand zu belassen.
Das hat einen Grund: "Das Verfahren kann daher bei Vorliegen neuer Ermittlungsansätze jederzeit von Amts wegen wiederaufgenommen werden." Ende des Jahres 2015 wurde die Sonderkommission "Flagge" - benannt nach der Deutschlandflagge, die den Übergabeort an der A7 markierte - zwar formell aufgelöst, doch ein Ermittlerteam der Ulmer Polizei arbeitete weiter an dem Fall.