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USA: Rechtsextremer US-Moderator muss Milliardenstrafe zahlen

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Rechtsextremer US-Moderator muss Milliardenstrafe zahlen

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    Sieht sich als Opfer des Systems: der aus Texas stammende rechte Verschwörungsideologe Alex Jones (Mitte).
    Sieht sich als Opfer des Systems: der aus Texas stammende rechte Verschwörungsideologe Alex Jones (Mitte). Foto: Cheney Orr, Zuma Wire/dpa

    Der Angeklagte übertrug das eigene Urteil live im Internet. „Kommt, kreuzigt mich!“, feuerte er aus seinem Studio in Texas die Richterin in Connecticut an, die das vernichtende Verdikt der Geschworenen verlas: Insgesamt 965 Millionen Dollar (knapp eine Milliarde Euro) muss der Verschwörungsideologe Alex Jones an die Hinterbliebenen des Schulmassakers von Sandy Hook zahlen, die im Gerichtssaal kaum die Fassung bewahren konnten. „Yeah, Yeah“, grölte derweil der rechtsextreme Hetzer, machte sich feixend über den Prozess lustig und empörte sich am Ende sarkastisch: „Warum ist das nur eine Milliarde? Warum nicht Billionen? Ich bin beleidigt!“

    Das bizarre Schauspiel zehn Jahre nach dem Blutbad, bei dem 26 Menschen getötet wurden, war der Höhepunkt der zynischen Kampagne, mit der Jones die Angehörigen der Opfer diffamiert und dabei über seine Webseite „Infowars“ viele Millionen Dollar verdient hat. Kurz nachdem ein 20-Jähriger im Dezember 2012 in Sandy Hook mit einem Schnellfeuergewehr 20 Erstklässler sowie sechs Erzieher und Erzieherinnen erschossen hatte, zweifelte der Verschwörungsideologe den Tathergang an und behauptete, die Massenschießerei sei mit den Eltern als Schauspielern von der Regierung inszeniert worden, um das Einziehen von Waffen vorzubereiten.

    Für die Hinterbliebenen des Sandy-Hook-Massakers hatten Jones' Lügen furchtbare Folgen

    Jahrelang wiederholte Jones vor einem wachsenden Publikum seiner Webseite und seiner Radio-Show „Infowars“ diese Lüge. Für die Hinterbliebenen des Massakers hatte das furchtbare Folgen. In dem Prozess berichteten Eltern und Geschwister unter Tränen, wie sie von Jones-Fans aus dem rechtsextremen Milieu belästigt und bedroht wurden. Bei ihnen zu Hause tauchten Fremde auf, um sie zu filmen. In den Online-Medien wurden sie mit beleidigenden Kommentaren überhäuft. Die Gedenkseite für ein getötetes Mädchen im Internet wurde geschändet und mit vulgären Beleidigungen geflutet. Die Tochter der getöteten Schulleiterin, Erica Lafferty, wurde von Fremden mit Vergewaltigung bedroht. Schließlich taten sich die Angehörigen von fünf Kindern und drei Lehrern zusammen und reichten Klage gegen den Lügenpropagandisten ein. Wohl, um das drohende Urteil abzumildern, hatte Jones Anfang des Jahres eingeräumt, das Massaker sei „100 Prozent real“ und sich für seine Falschaussagen entschuldigt.

    Im Prozess zeigte er keine Reue. „Sind wie hier in China?“, wetterte er bei einer Befragung. Er habe sein Bedauern bereits einmal ausgedrückt: „Das reicht jetzt“. Gleichzeitig schürte der 48-Jährige in seiner Radio-Show neue Zweifel am Tathergang: „Ich weiß nicht, was da wirklich geschehen ist.“ Die Geschworenen entschieden denn auch auf eine Strafe, die in den USA als beispiellos gilt: Insgesamt 965 Millionen Dollar muss Jones an 14 Hinterbliebenenfamilien und einen FBI-Beamten zahlen, den er ebenfalls diffamiert hatte. Das Geld soll die Schäden der Reputation und die emotionalen Leiden wiedergutmachen, die den Betroffenen zugefügt wurde. Ein strafrechtliches Urteil steht noch für den nächsten Monat aus. Bereits im August hatte ein texanisches Gericht den Eltern eines weiteren getöteten Kindes fast 50 Millionen Dollar zugesprochen.

    Jones sieht sich selbst als Opfer

    Allerdings ist unklar, wie viel Geld Jones tatsächlich zahlen wird. Die Finanzen des „Infowars“-Gründers sind undurchsichtig. Experten schätzen sein Vermögen, das er unter anderem durch den Verkauf eines bizarren Sortiments von kugelsicheren Westen, Zahnpasta und „Gehirnpillen“ aufgehäuft hat, auf rund 270 Millionen Dollar. Um sich vor dem Zugriff von Gläubigern zu schützen, hatte Jones’ Firma im April Insolvenz angemeldet. Seine Zuschauer rief der Radiomoderator schon einmal zur Unterstützung auf. „Dieses korrupte, sterbende politische System will aus mir einen Teufel machen“, hetzte der Mann, der einst behauptete, die US-Demokraten betrieben in einer Washingtoner Pizzeria einen Kinderporno-Ring.

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