Corona ist zwar noch immer nicht Vergangenheit, aber dieser Sommer fühlt sich zu weiten Teilen wieder an wie in den Jahren vor der Pandemie. Gerade in Sachen Urlaub, denn Reisen in die Ferne sind derzeit ohne größere Einschränkungen möglich.
Wobei das ehrlicherweise nur halb stimmt, denn in diesen Wochen lassen Meldungen über Flugausfälle und chaotische Zustände an Flughäfen aufschrecken. Personalmangel soll dafür verantwortlich sein, dass Maschinen nicht abheben, sich die Abfertigung an den Airports in die Länge zieht.
Besonders zu beobachten war dies während der Pfingstferien. Doch auch über die Hauptreisezeit im Juni, Juli und August ist wohl kaum mit Besserungen zu rechnen.
Urlaubs-Chaos im Sommer? Flughafen-Mitarbeiter rechnet mit "vielen weinenden und schreienden Kindern"
Die Rheinische Post zitiert einen Check-in-Mitarbeiter des Düsseldorfer Flughafens, der mit Blick auf die Sommerferien in Nordrhein-Westfalen (NRW) befürchtet: "Es werden unendlich viele Familien mit Kindern da sein, die nach zwei Jahren Pandemie wieder einen großen Urlaub machen. Und wir werden deshalb viele weinende und schreiende Kinder sehen und hören. Das ist für mich definitiv sicher."
Täglich fallen alleine in der Landeshauptstadt Dutzende Flüge aus. Im Bericht ist die Rede von teils tumultartigen Szenen, bei denen die Bundespolizei einschreiten muss.
Der Schwarzwälder Bote schreibt, die Lufthansa würde nur im Juli 900 Flüge innerhalb Deutschlands und Europas streichen. Betroffen seien vor allem die Frei-, Sams- und Sonntage.
Eurowings werde demnach in jenem Monat mehrere Hundert Flüge aus dem Angebot nehmen. Hier hätten demnach bereits spontane Streichungen zum Ende der NRW-Pfingstferien für Dramatik an den Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn geführt. Womöglich nur ein Vorgeschmack auf den Sommer an überfüllten Airports? Die Gefahr scheint groß, dass aus Reiselust schnell Reisefrust werden kann.
Flughäfen versinken im Chaos: Viele Corona-Infektionen auch bei Fluglinien-Personal
Zumal bei Eurowings besonders der hohe Krankenstand für die Personalnot verantwortlich sein soll. Zahlreiche Corona-Infektionen seien innerhalb der Belegschaft registriert worden. Und die nächste Viruswelle scheint ja gerade erst anzurollen.
Mehrere Tausend Beschäftigte sollen an den Flughäfen Deutschlands fehlen. Besonders betroffen sind demnach die Airports München und Frankfurt. In Bayerns Landeshauptstadt seien statt einst rund 10.000 nur noch 8700 Beschäftigte im Einsatz. Grund sind vor allem Vorruhestandsregelungen und nicht neu besetzte Stellen. Immer wieder heißt es, dass Angestellte wegen der unsicheren Situation während der Corona-Pandemie in andere Branchen abgewandert seien.
In Frankfurt sind allein für die Gepäck- und Bodenabfertigung 1000 Stellen zu besetzen. Zwar wolle hier niemand von Chaos sprechen. Allerdings soll offenbar "umgeschult" werden. Beschäftigte aus der Verwaltung könnten die Ladecrew zum Flugzeug fahren, zitiert der Schwarzwälder Bote eine Sprecherin von Airport-Betreiber Fraport.
Flughäfen im Dauerstress: Koffer-Scharen in Hamburg - Einstellungsoffensive in Stuttgart
Ein wahres Koffer-Chaos herrschte mitunter am Hamburger Flughafen, wie Fotos und Videos offenbaren. Dort drängelten sich herrenlose Gepäckstücke in Scharen wie sonst Urlauber in freudiger Erwartung ihres Abflugs.
Offenbar haben sich die Verantwortlichen komplett verkalkuliert. Wie das Portal 24hamburg berichtet, hätten im Mai 1,1 Millionen Reisende den Flughafen passiert, die Betreiber hätten jedoch gerade einmal mit 45.000 Fluggästen an Spitzentagen gerechnet.
Gewappnet sieht sich dagegen der Flughafen in Stuttgart. "Die Pfingstferien waren unser Probelauf - und da hat es mit deutlich mehr Verkehr sehr gut geklappt", frohlockt die Sprecherin im Schwarzwälder Bote. Zwar hätten sich auch hier Angestellte umorientiert, doch sei eine Einstellungsoffensive gestartet worden: "Der weitaus größte Teil der 200 Stellen ist besetzt."
Viele offene Stellen an Flughäfen: Arbeitsmarktexperte erwartet keine Normalisierung der Personallage in diesem Jahr
Ob auch in anderen Airports die Schlüsse aus den jüngsten Erfahrungen gezogen werden? So mancher hat da so seine Zweifel.
In besagtem Bericht kommt auch Marija Linnhoff, Chefin des Verbands unabhängiger selbstständiger Reisebüros, zu Wort. Sie scheint beinahe schon zu verzweifeln: "Einen Plan B gibt es - wie gewohnt - erst dann, wenn die Uhr fünf nach zwölf schlägt. Das können wir nicht zulassen, und deshalb muss jetzt endlich gehandelt werden, im Interesse der Reisenden und der ganzen Branche."
Auch Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) glaubt nicht an eine schnelle Besserung. Denn dem Arbeitsmarktexperten zufolge sei das große Problem der Tourismusbranche, dass über längere Zeit keine neuen Mitarbeiter mehr eingestellt worden seien.
Zwar hätten die Betriebe nach den corona-bedingten Lockdowns schnell wieder öffnen wollen, seien jedoch nicht vorbereitet gewesen auf den jetzigen Ansturm. "Corona ist zu schnell für den Arbeitsmarkt", legt Weber im Redaktionsnetzwerk Deutschland den Finger in die Wunde.
Er spricht von einer "Sondersituation" für den Tourismussektor. Die Beschäftigungssituation werde noch einige Zeit benötigen, bis sie sich wieder normalisiert habe: "Fertig wird man damit dieses Jahr nicht mehr." Kein ermutigender Satz für Sommerurlauber in Deutschland 2022.