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Unwort des Jahres: Liste bisheriger Unwörter mit Bedeutung

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Unwort des Jahres: Liste bisheriger Unwörter von "ausländerfrei" bis "Klimaterroristen"

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    Das Unwort des Jahres 2022 ist "Klimaterroristen".
    Das Unwort des Jahres 2022 ist "Klimaterroristen". Foto: Stephan Jansen, dpa (Symbolbild)

    Seit 1992 wird jährlich im Januar das Unwort des Jahres gekürt. Die Jury der Philipps-Universität in Marburg wählt aus mehreren hundert eingegangenen Vorschlägen ihren Gewinner aus. Welcher Begriff den Negativpreis für 2022 gewonnen hat und welche Wörter in den vergangenen Jahren gewählt wurden, lesen Sie hier.

    Was ist das Unwort des Jahres 2022?

    Das Unwort des Jahres ist "Klimaterroristen". Die Jury erklärte, dass mit diesem Begriff im öffentlichen Diskurs pauschal auf Akteure Bezug genommen werde, die sich für Klimaschutzmaßnahmen einsetzen. Der Ausdruck sei gebraucht worden, um ihre Proteste zu diskreditieren. Klimaaktivisten würden mit Terroristen gleichgesetzt und kriminalisiert. Die gewaltlose Protestform des zivilen Ungehorsams und des demokratischen Widerstands würde so in den Kontext von Staatsfeindlichkeit und Gewalt geraten, wie die Jury mitteilte. Die Forderungen der Klimaaktivisten würde so in den Hintergrund rücken.

    Aus mehr als 1476 eingesendeten Begriffen wählte die Jury der Philipps-Universität in Marburg den Begriff aus. Viele der Wörter bezogen sich auf den Ukraine-Krieg oder die Klimakrise, erklärte Constanze Spieß, Sprecherin der Jury der "Sprachkritischen Aktion". Aber auch Begriffe aus der Sozialpolitik, der Energie-Krise und der Corona-Pandemie seien eingegangen.

    Was waren die Vorschläge für das Unwort des Jahres 2022?

    Weitere Unwörter, die die Jury im Bezug auf die Klimaaktivisten als diffamierend einstufte, waren: Klimaterrorismus, Ökoterrorismus und Klima-RAF.

    Auf dem zweiten Platz landete das Wort "Sozialtourismus". Bereits 2013 war der Ausdruck Unwort des Jahres. Damals sei damit Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderung, besonders aus Osteuropa gemacht worden. Jetzt habe das Wort wieder aktuellen Bezug, da Friedrich Merz das Wort 2022 im Zusammenhang mit Geflüchteten aus der Ukraine benutzte. Es sei eine Diskriminierung der Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind und in Deutschland Schutz suchen. Merz entschuldigte sich allerdings danach für die Verwendung des Wortes.

    Auf dem dritten Platz wählte die Jury den Begriff "Defensive Architektur". Das Wort meint eine Bauweise, die sich gegen bestimmte Personen, meistens Obdachlose im öffentlichen Raum richtet. Das Verweilen dieser Personengruppen wird an bestimmten Ort als unerwünscht angesehen und durch diese Bauweise verhindert. Zum Beispiel, wenn Parkbänke Armlehnen zwischen den einzelnen Plätzen aufweisen, sodass sich Obdachlose dort nicht mehr gerade hinlegen können. Die Jury kritisiert die irreführende und beschönigende Bezeichnung dieser "menschenverachtenden Bauweise, da sie gezielt marginalisierte Gruppen aus dem öffentlichen Raum verbannen."

    Der diesjährige Gastjuror und Autor Peter Wittkamp wählte für sein persönliches Unwort des Jahres den Begriff "Militärische Spezialoperation" aus. Seiner Meinung nach ist der Ausdruck "eine zutiefst euphemistische Bezeichnung für einen aggressiven kriegerischen Akt, der als das enttarnt werden muss, was er ist: Propaganda, mit der der Kreml nicht nur die gesamte Welt und Deutschland belügt, sondern auch sein eigenes Land und seine Bürger:innen."

    Unter den eingesendeten Wörtern waren am häufigsten folgende Begriffe:

    • 71 mal Sozialtourismus
    • 64 mal (militärische) Sonder-/Spezialoperation
    • 54 mal Sondervermögen
    • 52 mal (Doppel-)Wumms
    • 34 mal Klima-RAF
    • 32 mal Klima-Terrorist(en)
    • 26 mal Gratismentalität
    • 18 mal Klima-Kleber
    • 18 mal nachhaltig
    • 15 mal mithitlern
    • 15 mal Zeitenwende

    Unwort des Jahres: Liste bisheriger Unwörter

    • Unwort des Jahres 2021: Pushback (Zurückweisen von Geflüchteten an der Grenze durch Europas Grenztruppen)
    • Unwort des Jahres 2020: Rückführungspatenschaften (EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollen dafür die Verantwortung für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber übernehmen) & Corona-Diktatur (Begriff der „Querdenker“-Bewegung für Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Pandemie)
    • Unwort des Jahres 2019: Klimahysterie (Zu große emotionale Einstellung gegenüber der Klimaschutzbemühungen)
    • Unwort des Jahres 2018: Anti-Abschiebe-Industrie (Personen, die Abschiebungen von Flüchtlingen auf dem Rechtsweg prüfen und damit Geld verdienen)
    • Unwort des Jahres 2017: alternative Fakten (Falschbehauptungen werden gesellschaftsfähig gemacht und mit Tatsachenbehauptungen gleichgestellt)
    • Unwort des Jahres 2016: Volksverräter (Vorwurf gegenüber Politikern)
    • Unwort des Jahres 2015: Gutmensch (Personen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder die Angriffe auf Flüchtlingsheime verurteilen)
    • Unwort des Jahres 2014: Lügenpresse (Gesamtheit der Journalisten, die bezichtigt werden, die Unwahrheit zu verbreiten)
    • Unwort des Jahres 2013: Sozialtourismus (Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, den Sozialstaat ausnutzen und wieder gehen)
    • Unwort des Jahres 2012: Opfer-Abo (Frauen, die sexuelle Gewalt erfinden und eigentlich selbst Täterinnen sind)
    • Unwort des Jahres 2011: Döner-Morde (Damit wurden die von einer neonazistischen Terrorgruppe verübten Morde an zehn Menschen bezeichnet)
    • Unwort des Jahres 2010: alternativlos (Bei einem Entscheidungsprozess gibt es von vornherein keine Alternativen somit auch keine Notwendigkeit der Diskussion)
    • Unwort des Jahres 2009: betriebsratsverseucht (Wort von Abteilungsleitern, wenn ein Angestellter von einer Filiale mit Betriebsrat in eine Filiale ohne Betriebsrat wechseln will)
    • Unwort des Jahres 2008: notleidende Banken (Banken, die während der Weltwirtschaftskrise in Schieflage geraten sind)
    • Unwort des Jahres 2007: Herdprämie (Betreuungsgeld für Eltern, insbesondere Frauen, die ihre Kinder zu Hause betreuen und nicht in eine Kita abgeben)
    • Unwort des Jahres 2006: freiwillige Ausreise (Gesetzes- und Behördenbegriff, wenn abgelehnte Asylbewerber aus deutscher Abschiebehaft in ihre Herkunftsländer zurückkehren)
    • Unwort des Jahres 2005: Entlassungsproduktivität (Gewinne aus Produktionsleistungen eines Unternehmens, nachdem "überflüssige" Mitarbeiter entlassen wurden)
    • Unwort des Jahres 2004: Humankapital (Wirtschaftsbegriff, der die Leistung eines Menschen meint)
    • Unwort des Jahres 2003: Tätervolk (Anlässlich der sogenannten „Hohmann-Affäre“)
    • Unwort des Jahres 2002: Ausreisezentrum (Behördenbegriff für Lager, aus denen abgewiesene Asylbewerber abgeschoben werden)
    • Unwort des Jahres 2001: Gotteskrieger (Selbst- und Fremdbezeichnung der Al Qaida-Terroristen und der Taliban)
    • Unwort des Jahres 2000: national befreite Zone (Eine Region, die von Rechtsextremisten bewohnt wird)
    • Unwort des Jahres 1999: Kollateralschaden (Begriff der NATO für die Tötung Unschuldiger im Kosovo-Krieg als notwendiges Übel)
    • Unwort des Jahres 1998: sozialverträgliches Ableben (Begriff, der in der medizinischen Versorgung die Leistungs- und Qualitätskürzungen von älteren Personen kritisiert)
    • Unwort des Jahres 1997: Wohlstandsmüll (Arbeitsunwillige und arbeitsunfähige Menschen, die das System ausnutzen)
    • Unwort des Jahres 1996: Rentnerschwemme (Hohe Zahl zu versorgender Rentner durch die demographische Entwicklung)
    • Unwort des Jahres 1995: Diätenanpassung (Die Erhöhung der Diäten im Bundestag)
    • Unwort des Jahres 1994: Peanuts (Bezeichnung des ehemaligen Vorstandssprechers der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, für die Verluste in Höhe von etwa 50 Millionen DM, die durch den Bankrott eines Baukonzerns entstanden waren)
    • Unwort des Jahres 1993: Überfremdung (Zu großer Zuzug von Ausländern)
    • Unwort des Jahres 1992: ethnische Säuberung (Propagandabegriff im ehemaligen Jugoslawien, der Menschenrechtsverletzungen wie Vertreibung und Massenmord beschreibt)
    • Unwort des Jahres 1991: ausländerfrei (Fremdenfeindliche Parole während der Angriffe auf eine Ausländerunterkunft in Hoyerswerda)

    Warum gibt es das Unwort des Jahres?

    Das Unwort des Jahres soll auf unangemessenen, diffamierenden oder verschleiernden öffentlichen Sprachgebrauch hinweisen. Die Wörter, die gewinnen, verstoßen gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder der Demokratie, diskriminieren gesellschaftliche Gruppen oder sind verschleiernde, irreführende oder euphemistische, also beschönigende Formulierungen.

    Wer wählt das Unwort des Jahres aus?

    Die Jury der "Sprachkritischen Aktion" besteht aus vier Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern sowie einer Journalistin. Im jährlichen Wechsel wird die Jury durch ein anderes sprachinteressiertes Mitglied aus dem Kultur- und Medienbetrieb ergänzt.

    Die Jury arbeitet institutionell unabhängig, das heißt, dass sie an keine Universität, Gesellschaft, Vereine oder Verlage gebunden ist. Sie arbeitet ehrenamtlich. Die Jury erklärte, dass sie sich als "Vermittler:innen öffentlichen Unbehagens an bestimmten Sprachgebrauchsweisen, nicht aber – ein häufiges Missverstehen – als Sprachschützer:innen" verstehen.

    Wie wird das Unwort des Jahres ermittelt?

    Das Unwort des Jahres soll durch Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger gefunden werden. Jede Person kann jedes Jahr bis zum 31. Dezember seine Vorschläge schriftlich an die Mailadresse vorschlaege@unwortdesjahres.net einreichen. Der Vorschlag braucht eine Begründung und eine Quellenangabe. Wie oft ein Wort eingereicht wird, spiele nach Angaben der Jury keine Rolle. In einer gemeinsamen Diskussion wird dann aus allen Einsendungen der Gewinner gekürt.

    Welchen Kriterien muss das Unwort des Jahres entsprechen?

    Denkbar sind alle Wörter in der öffentlichen Kommunikation. Sie müssen zum Beispiel gegen das Prinzip der Menschenwürde oder gegen das Prinzip der Demokratie verstoßen. Wenn Wörter einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren, stigmatisieren oder diffamieren oder wenn Wörter irreführend, verschleiernd oder euphemistisch sind, dann entsprechen sie auch den Kriterien für den Negativpreis.

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