Heftiger Dauerregen hat am Wochenende in Bayern und Baden-Württemberg für Überschwemmungen teils extremen Ausmaßes gesorgt. Zehntausende Einsatzkräfte sind seit Freitagabend vielerorts im Dauereinsatz. Sie errichten Dämme aus Sandsäcken, pumpen ab, sperren Gefahrenzonen ab oder retten Menschen aus ihren überfluteten Häusern. In Bayern kam ein Feuerwehrmann ums Leben, ein weiterer wird noch vermisst, ebenso wie eine Frau. An der Donau bereitet man sich indes auf die drohende Hochwasserwelle vor. Experten gehen davon aus, dass der Klimawandel Extremwettereignisse wahrscheinlicher macht.
Am Montag wollen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Innenministerin Nancy Faeser die Flutgebiete besuchen und sich im oberbayerischen Reichertshofen mit Einsatzkräften unterhalten. Am Sonntag reisten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sowie aus Bayern Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in besonders betroffene Kommunen, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Söder zollte den Menschen in den betroffenen Gebieten Anerkennung. Der Zusammenhalt und die gegenseitige Hilfe seien beeindruckend.
Und er sprach ihnen Mut zu: "Gemeinsam kommen wir da durch", schrieb er auf der Plattform X. Er und Habeck zeigten sich erschüttert vom Tod eines Feuerwehrmannes in Pfaffenhofen an der Ilm. Die Einsatzkräfte, ehrenamtliche wie hauptberufliche, riskierten in den Hochwassergebieten ihr Leben, um Menschen zu retten, sagte Habeck. "Es ist furchtbar. Er starb, als er Menschen vor dem Hochwasser retten wollte", sagte der Vizekanzler. Der Mann war mit anderen Helfern mit einem Schlauchboot unterwegs, als das Boot dem Landratsamt zufolge kenterte. Während sich die anderen retten konnten, blieb der Mann verschwunden und wurde erst am frühen Sonntagmorgen tot geborgen.
Lebensgefährlich verletzt wurde ein Beschäftigter eines Energieunternehmens. Der 27-Jährige erlitt in Allershausen im oberbayerischen Landkreis Freising einen Stromschlag, vermutlich als er Arbeiten im Zusammenhang mit dem Hochwasser ausführte, wie die Polizei mitteilte.
Kretschmann: Situation nicht überstanden
Gravierend ist die Lage auch in Baden-Württemberg. Ortschaften und Straßen wurden überflutet, etwa die Gemeinde Meckenbeuren im Bodenseekreis. Am Samstagabend waren zwei Waggons eines ICE mit 185 Passagieren an Bord bei Schwäbisch Gmünd nach einem Erdrutsch entgleist. Die Passagiere blieben laut einem Bahnsprecher unverletzt und wurden in der Nacht zu Sonntag in Sicherheit gebracht.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach den Menschen Mut zu. "Wir haben es mit einer sehr herausfordernden Situation zu tun, die noch nicht überstanden ist", sagte er. Und er erklärte, warum er sich bislang kein Bild von der Lage vor Ort machte: "Ich selbst habe nach intensiver Abwägung entschieden, dass ich in der akuten Situation, wo jede Hand gebraucht wird und jeder Sandsack einen Unterschied machen kann, zunächst nicht vor Ort gehe, sondern mich fortlaufend und engmaschig informieren lasse". Wenn die Belastung der Einsatzkräfte dies zulasse, werde er gegebenenfalls am Montagvormittag vor Ort sein.
Menschen weiterhin vermisst
In Bayern bangen Helfer weiter um einen Feuerwehrmann, der in Offingen in Schwaben vermisst wird. Der 22-Jährige war in der Nacht zu Sonntag bei einem Einsatz in einem Boot unterwegs. In Schrobenhausen wird in einem überfluteten Keller zudem eine vermisste Frau vermutet.
Es sind extreme Regenmengen, die seit Freitagabend vom Himmel fallen und die der Boden schlicht nicht mehr aufnehmen kann. Zahlreiche Bäche und Flüsse in Bayern traten über die Ufer. So fielen in Bad Wörishofen westlich von München laut Deutschem Wetterdienst (DWD) bei dem Starkregen 129 Liter binnen 24 Stunden. Der Schnitt liege bei 101 Litern im Monat. Feuerwehren und andere Nothelfer sind im Dauereinsatz - um Wasser abzupumpen, Gebiete abzusperren, aber auch um Menschenleben zu retten. Auf den Straßen kam es wegen Aquaplanings zu Unfällen mit Verletzten. Der DWD gab am Sonntagabend noch keine Entwarnung und sagte weitere Niederschläge voraus. Zahlreiche Kommunen riefen den Katastrophenfall aus, darunter am Sonntagabend der Landkreis Straubing-Bogen.
Verschärfung entlang der Donau erwartet
Das bayerische Innenministerium sprach von mehr als 3000 Menschen, die wegen des Hochwassers ihre Wohnungen verlassen mussten. Im Kreis Pfaffenhofen an der Ilm sowie entlang der Donau spitzte sich die Lage am Sonntag weiter zu. Ein Feuerwehrsprecher sprach von einem unberechenbaren Hochwasser, "das wir so auch noch nie verzeichnen mussten". "Jetzt werden alle Schäden erfasst, um einen Überblick zu bekommen und schnell helfen zu können", schrieb Söder auf der Plattform X. "Wir hoffen, dass sich auch der Bund finanziell an Hilfen beteiligen wird."
Zu Beginn der neuen Woche erwartet Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber entlang der Donau und im weiteren Donau-Einzugsgebiet eine Verschärfung der Hochwasserlage. "Alle Beteiligten arbeiten mit vollem Einsatz daran, die Regionen bestmöglich auf die drohende Hochwasserwelle vorzubereiten", teilte der Freie-Wähler-Politiker mit. "Menschen werden in Sicherheit gebracht, Sandsäcke gefüllt und die Anlagen zum Hochwasserschutz verstärkt", sagte Glauber.
Luftrettung setzt mehr Hubschrauber ein
Auch die ADAC-Luftrettung stellt sich auf eine Verschärfung entlang der Donau ein. Mittlerweile stünden zehn Rettungshubschrauber im Freistaat zur Verfügung, davon vier mit Winde, sagte ein Sprecher. Ein erster zusätzlicher Rettungshubschrauber mit Winde flog am Sonntag vom Klinikum Augsburg aus in die Hochwassergebiete und flog gleich in den ersten Stunden ein halbes Dutzend Menschen aus. Der ADAC rechnet damit, bis Mitte der neuen Woche wegen der Hochwasser-Situation in Bayern im Dauereinsatz zu sein.
Stromausfall in mehreren Landkreisen
In mehreren Landkreisen fiel am Wochenende der Strom aus. "Die Stromausfälle konzentrieren sich entlang der Flüsse und sind aus Netzsicht beherrschbar", teilte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit. "So weit das möglich ist, versuchen die zuständigen Verteilnetzbetreiber die Stromversorgung durch Umschaltungen auf andere Leitungen zu gewährleisten. Mit flächendeckenden Stromausfällen rechnen wir derzeit nicht." Vielerorts wurde der Strom auch vorsorglich abgeschaltet. Nicht wenige konnten deshalb nicht mehr kommunizieren, weil der Handy-Akku leer war.
(dpa)