„Wir haben Glück gehabt“, sagt Rupert Neumann, ein deutscher Manager, der im Nordwesten der Stadt Valencia lebt. „Meine Familie ist unversehrt.“ Neumann erzählt davon, wie er die Katastrophe erlebt hat. In seinem Wohnviertel habe es weniger stark geregnet, es sei nichts zerstört worden, berichtet er erleichtert. Aber andere Vororte der spanischen Mittelmeerstadt habe es schwer erwischt. Vor allem in den südwestlichen Vorstädten habe es schwere Schäden und viele Tote gegeben.
Aber der Schreck sitzt auch Rupert Neumann und seiner Frau Susana noch in den Knochen. Denn am Tag, als die sintflutartigen Regenfälle über der Region Valencia niedergingen, waren Susanas Schwester, ihre 82 Jahre alte Mutter und der sechsjährige Enkel gerade im Auto unterwegs. Die in Valencia gelegene Schule des Sechsjährigen war zu Ende und die Familie wollte nach Hause in den südlich gelegenen Ort Alginet fahren.
Meterhohe Wasser- und Schlammfluten überschwemmten Valencia
Doch die Polizei stoppte sie auf der Stadtautobahn Richtung Süden. Das rettete den Neumanns womöglich das Leben. Die Familie fuhr zurück in die Stadt und übernachtete dort. Später sahen sie im Fernsehen, dass auf dieser Straße viele Autofahrer von den Wassermassen eingeschlossen wurden, sich auf Fahrzeugdächer oder Brücken retten mussten und Todesangst ausstanden. Die meisten dieser Eingeschlossenen mussten die Nacht in den Fluten verbringen, bis sie am nächsten Morgen gerettet wurden.
Nicht weit entfernt von dieser überschwemmten Stadtautobahn Valencias liegt das Arbeiterviertel La Torre, das am Dienstag von meterhohen Wasser- und Schlammfluten verwüstet worden war. Auch zwei Tage nach der Katastrophe sieht man hier Hunderte von Autos, die von der Gewalt der durch die Straßen geschossenen Sturzbäche aufeinander geschoben wurden. Die meisten Fahrzeuge haben nur noch Schrottwert.
Im Wohnviertel La Torre starben elf Menschen. Allein neun Personen kamen um, als sie ihre Autos aus zwei Tiefgaragen retten wollten. Als sie in die Garagen gingen, stand das Wasser dort nur knöcheltief. Minuten später reichte das Wasser bis zur Garagendecke. Die Eingeschlossenen hatten keine Chance, der plötzlichen Flut zu entkommen und ertranken.
Dabei hatte es in diesem Viertel an diesem Tag kaum geregnet, berichtet Padre Salvador, der Pfarrer der katholischen Gemeinde Nuestra Señora de Gracia. „Hier kam das ganze Wasser aus höhergelegenen Bachbetten und Schluchten an, die über die Ufer getreten waren. Das Wasser drang mit solcher Gewalt in das Stadtviertel ein, dass alles überschwemmt wurde. Das war wie ein Tsunami.”
Regierungschef Sánchez erklärt Valencia zum Katastrophengebiet
Auch am Donnerstag suchten tausende Helfer in der Katastrophenregion nach Vermissten. Bisher wurden in der Provinz Valencia mehr als 200 Tote geborgen. In Nachbarregionen gab es weitere Tote. Viele Menschen werden noch vermisst. Allein in dem südwestlich von Valencia gelegenem Ort Paiporta, der entlang eines meist trockenen Bachbettes gebaut wurde, starben mindestens 45 Menschen. Das ausgetrocknete Bachbett hatte sich am Dienstag in einen tobenden Strom verwandelt.
Es wird wird erwartet, dass nach Beseitigung der Trümmer- und Schlammmassen noch weitere Opfer gefunden werden. Die Zahl der Toten also noch weiter ansteigen. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez erklärte die Zone zum Katastrophengebiet. Unterdessen nahm die Polizei mindestens 60 Plünderer fest, die sich in den zerstörten Orten in Geschäften und Wohnungen bedienen wollten.
Die Starkregen-Tragödie ist die schlimmste Katastrophe im Großraum Valencia seit mehr als einem Jahrhundert. 1957 waren 87 Menschen ertrunken, als nach heftigen Regenfällen der damals mitten durch Valencia führende Fluss Turia über die Ufer trat. Nach diesem Flutunglück wurde in den 1960er-Jahren ein neues und sehr breites Flussbett gebaut, das jetzt im großen Bogen um die Stadt herumführt.
Tourismusbehörde rät von Reisen nach Valencia ab
„Das neue Bett des Turia-Flusses hat die Stadt Valencia gerettet”, titelte die Lokalzeitung Las Provincias. Das bestätigt auch der deutsche Valencia-Resident Rupert Neumann. „Das Stadtzentrum Valencias ist nicht so sehr betroffen.” Die City Valencias ist weitgehend unbeschädigt davongekommen. Auch spanische Stadtbewohner berichten: „Es gab viel Wind, und es stürzten Bäume um, aber es hat in der Stadt kaum geregnet.” Das Wasser, das vor allem in den südlichen Stadtteilen für schwere Überflutungen sorgte, sei aus dem hügeligen Hinterland gekommen.
Die Tourismusbehörde Valencias rät aber trotzdem in diesen Tagen von einem Stadtbesuch ab. Der Verkehr auf den Zufahrtsstraßen und der Betrieb der Busse oder Bahnen sei immer noch gestört. Die Schnellzugverbindungen mit Madrid und Barcelona seien suspendiert. Der Betrieb auf dem Flughafen laufe ebenfalls nur stockend.
Deswegen der Appell des Touristenamtes an die Urlauber, einen Ausflug nach Valencia ein paar Tage aufzuschieben: „Es wird darum gebeten, in der Provinz Valencia Fahrten mit dem Auto zu vermeiden und die Mobilität innerhalb der Stadt möglichst zu reduzieren, um die Rettungskräfte nicht zu behindern.
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