Millionen Ukrainer sind auf der Flucht, seit Russland den Krieg ins Land gebracht hat. Knapp 400.000 von ihnen sollen in den ersten zwei Monaten der Invasion nach Deutschland gekommen sein. Das geht aus den Zahlen des Bundesinnenministeriums hervor, das aber nur die offiziell registrierten Flüchtlinge auflistet. Zwischen Ende Februar und dem 16. Januar 2023 wurden 1.047.176 Geflüchtete aus der Ukraine im Ausländerzentralregister (AZR) registriert.
Weil Männer im wehrfähigen Alter in der Ukraine bleiben müssen, um das Land zu verteidigen, sind vor allem Frauen, Kinder und Senioren in die Bundesrepublik gekommen. Was erwartet sie hier? Welche Rechte haben sie? Welche Pflichten? Diesen Fragen gehen wir nach.
Aufenthalt für Ukraine-Geflüchtete in Deutschland: Registrierung und Aufenthaltserlaubnis beantragen
Eine Registrierung ist laut der neu eingerichteten Internetseite germany4ukraine.de in allen deutschen Städten möglich. Es wird empfohlen, aufgrund des großen Andrangs in Berlin, Hamburg oder München auf kleinere Städte oder andere Regionen auszuweichen. Unterstützend beraten können auch die Lotsen an den Bahnhöfen, etwa in Frankfurt/Oder, Cottbus oder Hannover.
Die Aufenthaltserlaubnis kann elektronisch beantragt werden. Diese wird "über Germany4Ukraine schnell und bequem an die Ausländerbehörde übermittelt". Für die Abwicklung zeichnet das Innenministerium des Landes Brandenburg verantwortlich.
Bis zum 31. August 2022 dürfen sich Personen, die "im zeitlichen Zusammenhang mit der militärischen Invasion der russischen Streitkräfte am 24. Februar 2022 aus der Ukraine" vertrieben wurden, ohne Visum in Deutschland aufhalten. Insofern ist eine Aufenthaltserlaubnis nur nötig, wenn ein längerfristiger Verbleib geplant ist oder vor September eine Arbeit aufgenommen werden soll respektive staatliche Unterstützung benötigt wird. Letzteres umfasst auch die Bereitstellung einer Wohnung, Geldzahlungen oder medizinische Versorgung.
Von den Behörden wird eine sogenannte Zuweisungsentscheidung erteilt, die über das Ziel-Bundesland oder den Ziel-Ort Auskunft gibt. Dabei können Antragsteller aber auch Gründe darlegen, die für einen bestimmten Ort sprechen, genannt werden hier familiäre Beziehungen, der Arbeitsplatz oder eine dauerhafte Unterkunft.
Möglichst viele Dokumente für Aufenthaltserlaubnis bereitsstellen
Voraussetzung für den Antrag für eine Aufenthaltserlaubnis sind der Nachweis der Staatsangehörigkeit - etwa über den Reisepass oder ukrainische Personaldokumente - sowie ein Nachweis über die Vertretungsbefugnis, wenn eine andere Person vertreten wird.
Darüberhinaus können Nachweise über das Einreisedatum (Einreisestempel im Pass oder in anderen Dokumenten), über eine schon erfolgte Registrierung (Anlaufbescheinigung oder Ankunftsnachweis), über einen schon vorhandenen Wohnsitz (Meldebestätigung oder Mietvertrag) sowie bei nicht-ukrainischen Staatsangehörigen über ein bisheriges Aufenthaltsrecht in der Ukraine hochgeladen werden. Die Empfehlung lautet, "so viele Informationen wie möglich bereitzustellen".
Sollte ein Pass oder ein anderes Nachweisdokument auf der Flucht verloren gegangen sein, können die Botschaft oder das Generalkonsulat der Ukraine helfen. Auch die zuständige Ausländerbehörde ist dann zu informieren.
Es wird darauf hingewiesen, dass ein bereits erworbener Aufenthaltstitel für Deutschland beim Verlassen der Bundesrepublik aus zwei Gründen erlöschen kann. Dies ist der Fall, wenn die Person Deutschland nicht nur aus vorübergehenden Gründen verlässt oder sich mehr als sechs Monate nicht hierzulande aufhält.
Innenministerin Nancy Faeser betont hierzu: "Sie können jederzeit zurück in die Ukraine reisen, wenn der Krieg vorbei ist. Auch dabei unterstützen wir Sie."
Infos für Ukraine-Geflüchtete: Unterkunft finden
Fast drei Viertel aller Geflüchtete aus der Ukraine wohnen in privaten Wohnungen und Häusern. So heißt es in der Studie "Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland" vom Dezember 2022. 17 Prozent der Geflüchteten wohnen demnach in Hotels oder Pensionen und weniger als zehn Prozent in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete.
Da Ukraine-Flüchtlinge keinen Asylantrag stellen müssen, können sie direkt an die staatlichen Erstaufnahmestellen verwiesen werden. Dort wird dann nach einem ersten Schlafplatz, Verpflegung und Hilfe geschaut. "Wir finden für jeden einen Übernachtungsplatz. Sie erhalten finanzielle Hilfe und ihr Grundbedarf an Lebensmitteln und Kleidung wird gedeckt", verspricht Faeser.
Es gibt aber auch Möglichkeiten selbst aktiv zu werden, um ein neues (vorübergehendes) Zuhause zu finden. So gibt es auf www.unterkunft-ukraine.de ein Online-Formular, über das Interessierte Informationen zur Verfügung stellen können, um mit passenden potenziellen Gastgebern in Verbindung gebracht zu werden.
Außerdem finden sich Angebote unter www.warmes-bett.de oder www.host4ukraine.com, auf www.booking.com gibt es kostenlose oder stark reduzierte Unterkünfte. Übernachtungsmöglichkeiten hat auch www.jugendherberge.de parat, unter www.gdw.de bietet die Wohnungswirtschaft Deutschland eine Übersicht. Alle genannten Seiten werden auf germany4ukraine.de gelistet.
Besondere Angebote für Ukrainer in Deutschland
Faesers Ministerium hat mehrere Kurse und Angebote auf den Weg gebracht. Dazu zählt die Migrationsberatung für Erwachsene des Bundes (MBE), die auf persönliche Fragen rund um das Einleben in Deutschland abzielt. Erstorientierungskurse für Asylbewerber (EOK) verschaffen einen Überblick über das Leben in der Bundesrepublik und vermitteln einfache Deutsch-Kenntnisse zu Themen wie Gesundheit, Arbeit oder Bildung.
Das Programm "Migrantinnen einfach stark im Alltag" (MiA-Kurse) richtet sich speziell an Frauen und vereinfacht die Anfangszeit in Deutschland, wobei Infos rund um den Alltag, das Schul- und Bildungssystem sowie die Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung im Mittelpunkt stehen.
Die Integrationskurse umfassen einen Sprach- und einen Orientierungskurs mit Inhalten wie dem Verfassen von Briefen oder E-Mails sowie der deutschen Rechtsordnung oder wichtigen Werten wie Religionsfreiheit, Toleranz und Gleichberechtigung. Berufssprachkurse (BSK) bauen auf die Integrationskurse auf und bereiten auf die Arbeitswelt vor, wobei zwischen Basiskursen und Kursen mit unterschiedlichen Ziel-Sprachniveaus unterschieden wird.
Alle Angebote sollen kostenlos sein.
Arbeit aufnehmen für Flüchtlinge aus der Ukraine
Schon die vorläufige Bescheinigung - die sogenannte "Fiktionsbescheinigung" - über das Aufenthaltsrecht genügt, um einer Arbeit nachgehen zu können. Wichtig ist nur der Eintrag "Erwerbstätigkeit erlaubt".
Ende November 2022 waren laut der Bundesagentur für Arbeit etwa 452.000 Flüchtlinge aus der Ukraine bei den Jobcentern gemeldet, die meisten von ihnen in Nordrhein-Westfalen (rund 96.000 Menschen), Bayern (61.000) und Baden-Württemberg (etwa 60.000 Personen). Zum Vergleich: Im Februar, zu Beginn des russischen Angriffskriegs, waren es 15.700 in ganz Deutschland. Demnach sind nur etwa 40 Prozent von ihnen arbeitslos gemeldet.
Kinder aus der Ukraine in die Schule schicken
Hier greift der deutsche Föderalismus. Denn für seine Schulpolitik ist jedes Bundesland selbst verantwortlich. "In allen Ländern laufen seit Kriegsbeginn Vorbereitungen, um geflüchtete Schülerinnen und Schüler unbürokratisch an den vielen Schulen willkommen zu heißen und eine Beschulung sicherzustellen", teilt das Bundesbildungsministerium mit.
Da es bei den Kleinen größtenteils an der Sprachkenntnis hapern dürfte, werden nach Möglichkeit neue Klassen gegründet und gezielt von Lehrkräften mit ukrainischem Hintergrund unterrichtet. Allerdings herrscht in Deutschland bereits seit längerer Zeit ein Lehrermangel, Klassen mit mehr als 30 Schülern sind nicht ungewöhnlich.
Sozialhilfe für Ukraine-Geflüchtete: Sozialleistungen beantragen
Um in den Genuss von Sozialleistungen kommen zu können, muss zunächst die Hilfsbedürftigkeit festgestellt werden. Das bedeutet, die Person kann ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken. Hierbei werden Freibeträge berücksichtigt. Vermögen, das sich in der Ukraine befindet, wird als nicht verwertbar angesehen und spielt daher keine Rolle. Werden die Sozialleistungen bewilligt, gibt es verschiedene Abstufungen.
Wie andere Asylbewerber und Geduldete können geflüchtete Ukrainer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Diese umfassen Unterkunft, Verpflegung, medizinische Versorgung und einen monatlichen Geldbetrag. Das gilt sowohl für ukrainische Staatsbürger als auch für Drittstaatsangehörige, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, so das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Medizinische Hilfe
Ukrainische Kriegsflüchtlinge haben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Anspruch auf die Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie die "Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder Linderung von Krankheiten und Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen". Dies teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.
Desweiteren stehen ihnen amtlich empfohlene Schutzimpfungen und medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen zu, wenn diese der Verhütung oder Früherkennung von Krankheiten oder deren Folgen dienen. Werdenden Müttern und Wöchnerinnen werden "ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel" gewährt.
Weitere Leistungen sind möglich, wenn diese im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind. Infolge einer Aufenthaltserlaubnis ist zudem weitere medizinische oder sonstige Hilfe zu erwarten, wenn besondere Bedürfnisse bestehen, etwa aufgrund von schwerer psychischer oder physischer Gewalt.
Kostenlose Zugfahrten
Wenn Flüchtlinge aus der Ukraine mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Deutschland einreisen, brauchen sie von der Grenze bis Berlin, Dresden, Nürnberg, München kein Ticket zu bezahlen. Zunächst genügt ihr Pass oder ein entsprechendes Ausweisdokument. Für die Weiterfahrt mit dem Zug wird dann ein kostenloses "helpukraine"-Ticket ausgestellt. Es ist zwei Tage gültig und in sämtlichen öffentlichen Verkehrsmitteln in Deutschland anwendbar.
Aktuell erhalten Geflüchtete lauf der Deutschen Bahn in den folgendenStandorten einen Flyer mit eToken für das helpUkraine-Ticket:
- Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt des Landes Brandenburg
- Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten Berlin
- Diverse Aufnahmeeinrichtungen in Bayern (z.B. Zirndorf, München)
Kindergeld und Bafög
Geflüchtete aus der Ukraine, die in Deutschland arbeiten oder sich mindestens 15 Monate im Land aufhalten, haben zudem laut der Bundesagentur für Arbeit Anspruch auf Kindergeld. Studierende, die als Flüchtlinge aus der Ukraine kamen, haben ab dem 1. Juni 2022 Anspruch auf BAföG. Das erklärte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, im vergangenen Sommer.