Düsteres Herbstwetter, die nackten Bäume stehen ohne Laub da. Drumherum nichts als leere Felder, dazu melancholisch-getragene Musik. Der neue „Tatort“ aus Dresden (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) macht gleich in den ersten Sekunden klar: Ich bin der perfekte Film zur Winterdepression.
Worum geht's? Während einer Verkehrskontrolle eröffnet ein Mann aus dem Auto heraus das Feuer auf die Polizisten. Ein Beamter stirbt, ein zweiter kommt schwer verletzt ins Krankenhaus. Dresden-Ermittlerin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) ist gerade in der Nähe – nicht zufällig, wie sich im Laufe des Films noch herausstellt – und deshalb als Erste vor Ort. Überhaupt nimmt sie eine zentrale Rolle in diesem Film ein: Die beiden Polizisten, die da in ihrem Blut auf der kalten Straße liegen, kommen von der gleichen Polizeistelle, auf der einst ihr eigener Bruder gearbeitet hatte. Der wurde vor neun Jahren erschossen, ebenfalls im Einsatz. Kann das Zufall sein? Klar ist sie bei ihrem Gestocher im Krimi-Nebel nicht allein: Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Peter Schnabel (Martin Brambach) komplettieren das Dresden-Trio – aber anders als Winkler tragen sie wenig Substantielles zur Geschichte bei, höchstens ein paar trockene Sprüche. Beispiel gefällig? Schnabel zu Gorniak: „Familie ist der Horror. Seien Sie froh, dass Sie keine mehr haben.“ Na toll.
Jedes „Tatort“-Ermittlerteam hat seine eigenen Themen, die in verschiedenen Folgen immer wieder auftauchen. In Dresden ist das die persönliche Verwicklung in die Verbrechen, so auch bei „Unter Feuer“. Das ist gut erzählt und intelligent konstruiert, erfüllt aber auch viele bekannte „Tatort“-Klischees: Ermittler, die viel mit sich und ihren eigenen Problemen beschäftigt sind und nachdenklich durch graue Landschaften latschen. Immerhin erfrischend, dass die Geschichte nach etwa einer Stunde in einer packenden Action-Sequenz auf links gestülpt wird: Aus Täter wird Opfer, und es wird offensichtlich, dass es tatsächlich um mehr geht, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Dieser „Tatort“ macht durchaus Spaß – wenn man sich auf die Stimmung einlassen kann und will.
„Unter Feuer“ ist der perfekte „Tatort“ zur Winterdepression
Denn das Winterdepressions-Gefühl wabert die ganzen 90 Minuten hindurch weiter. Die kleine Polizeidienststelle im sächsischen Niemandsland vor Dresden ist in einer profanierten Kirche untergebracht, schlecht ausgestattet, von der Decke tropft das Wasser. Hier ist nicht nur das Gebäude in einem schlechten Zustand, sondern wird der ganze Apparat und das Vertrauen in die gesamte Institution infrage gestellt. In diesem Schlechte-Laune-Land Sachsen, das der Film zeigt, ist vieles mürbe und marode, da ist Kälte, Misstrauen und Ablehnung, sogar innerhalb der eigenen Familie. Ob das mit der aktuellen politischen Stimmung zusammenhängt? Der Gedanke drängt sich auf, auch wenn der Film hier eine Leerstelle lässt. Die Momente der Wärme und Zärtlichkeit – ein freundlicher Händedruck, ein Kuss, ein warmer Blick – sind selten, verhuscht und nebenbei. Da ist schon eine Bürotür, die zum Schluss ausdrücklich und bewusst offen gelassen wird, ein Hoffnungsschimmer.
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