Da ist er nun also – der Schwanengesang des Frankfurter „Tatort“-Duos Anna Janneke und Paul Brix. Die Krimi-Folgen aus Frankfurt polarisierten zuletzt mit ihrer unkonventionellen Art. Und in diese Kerbe schlägt auch der 19. und letzte Fall mit dem ganz schön knödeligen Titel „Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh’n“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD).
Aber wie jede Geschichte beginnt auch das Ende am Anfang. Und da steht die Figur des Psychologen Tristan Grünfels (Matthias Brandt). Der Mittfünfziger leidet nicht nur an Halluzinationen, sondern verliert zunehmend auch die Kontrolle über sein Privatleben: Der Sohn kifft, die Tochter hat einen seltsamen neuen Freund angeschleppt, die Beziehung zur Ehefrau ist abgekühlt. Als Grünfels dann versehentlich eine Ordnungsbeamtin tötet, während die ihm gerade einen Strafzettel fürs Falschparken verpasst, nehmen Schicksal und Film ihren Lauf. In seinem Versuch, alles richtig zu machen, verzettelt er sich immer weiter in einer Spirale von Chaos und Gewalt – und will doch eigentlich nur, dass alles gut ausgeht.
„Es grünt so grün“: Der Frankfurter „Tatort“ bleibt bis zum Schluss unkonventionell
„Im Untergang die Welt zu retten, ist nicht schwer. Man muss nur entschlossen sein“, sagt Grünfels an einer Stelle. Und entschlossen sind die Macher hinter „Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh’n“. Entschlossen, ihre unkonventionelle „Tatort“-Sprache durchzuziehen, mit aller Kraft. Entstanden ist dabei eine beeindruckende Tour de Force – die aber wohl erneut polarisieren und bei Fans von klassischen TV-Krimis nicht nur auf Gegenliebe stoßen wird.
Denn die Ermittlungsarbeit spielt in „Tatort“-Folge 1274 genauso wie die beiden Kommissare auf Abschiedstour, Anna Janneke und Paul Brix (Margarita Broich und Wolfram Koch), nur eine untergeordnete Rolle. Im Zentrum steht ganz und gar die Figur des Tristan Grünfels: Ein wunderbarer Teufelskerl, putzig und bedrohlich zugleich, abstoßend, faszinierend und irgendwie doch sympathisch und nahbar.
Matthias Brandt spielt sich hier die Seele aus dem Leib und auch den Rest des großartigen Casts, der offensichtlich mit viel Spaß und Leidenschaft bei der Sache war, an die Wand. Der komplette Film ist auf ihn und diese Figur ausgerichtet. Die für eine TV-Produktion unkonventionelle Filmsprache mit Voiceover, Slow-Motion und sparsam eingesetzten Computertricks leistet eifrig Unterstützung.
Dieser „Tatort“ ist mehr Thriller als klassischer Krimi
Große Teile der turbulenten Geschichte werden aus seiner Perspektive erzählt – also der des Täters. Miträtseln, was geschehen ist? Gemeinsames Grübeln mit Figuren und Mit-Guckern, wer es denn gewesen sein könnte? Gibt es hier alles nicht. Wendungen und Überraschungen bleiben gewiss nicht aus. Aber klar ist: Dieser „Tatort“ versucht nicht, irgendwie herkömmlich zu sein. Stattdessen ist „Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh’n“ ein nachdenklicher, aber nicht humorloser Thriller über Kontrollverlust, über den Tod, über das Ende und das, was bleibt – und über die Liebe.
Überhaupt, die Liebe: In der letzten Folge kommen sich die Kommissare Brix und Janneke noch einmal besonders nahe – das wirkt dann auf der Zielgeraden auch etwas erzwungen. Bisweilen droht der Streifen auf den letzten Metern ein wenig am über allem schwebenden Abschiedspathos zu ersticken, aber: Wenn nicht hier, wann dann? Und die nächsten „Tatort“-Kommissare aus Frankfurt stehen ja schon in den Startlöchern: Der erste neue Frankfurt-„Tatort“ mit Melika Foroutan (48) und Edin Hasanović (32) läuft 2025 im Fernsehen. Und auch Matthias Brandts Tristan Grünfels weiß: „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden