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TV-Kritik: "Wetten, dass..?": Danke, Thommy. Aber nicht nochmal!

TV-Kritik

"Wetten, dass..?": Danke, Thommy. Aber nicht nochmal!

Daniel Wirsching
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    Thomas Gottschalk zu Beginn seiner wirklich allerallerletzten "Wetten, dass..?".
    Thomas Gottschalk zu Beginn seiner wirklich allerallerletzten "Wetten, dass..?". Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Da steht er nun am Samstagabend um 23.14 Uhr in der Baden-Arena in Offenburg und darf sich noch einmal vom "Wetten, dass..?"-Saalpublikum den Schlussapplaus abholen. Quasi für sein Lebenswerk. Das besteht darin, die 80er und 90er Jahre mitgeprägt zu haben. Eben mit seinem göttlichen Schalk. Gottschalk traute sich was, als uneitel erscheinender Narr der Nation. Einfach entertainen wollte der frühere Ministrant aus dem oberfränkischen Kulmbach, wie man das heute sagen würde, und machte nie einen Hehl daraus.

    Gottschalk ist aus der Zeit gefallen, er kokettiert damit. Es ist ein Jammer

    So prägte er mindestens eine Generation von Radiohörerinnen und -hörern, etwa mit "Pop nach acht" oder seiner "B3 Radioshow“. So prägte er mindestens eine Generation, die die goldenen Zeiten des Fernsehens miterleben durfte. Im "klassischen Fernsehen", wo er bis heute alles wegmoderiert, was es wegzumoderieren gibt, ist sein Name untrennbar mit "Wetten, dass..?" verbunden. Jener einst größten Unterhaltungsshow Europas, über die die Zeit – vor allem das Internet – gnadenlos hinweggefegt ist. Aus der Zeit gefallen ist Gottschalk selbst, er kokettiert damit. Es ist ein Jammer. Jammer-Thommy.

    Back for Good: Take That während ihres bereits siebten Auftritts in der ZDF-Show.
    Back for Good: Take That während ihres bereits siebten Auftritts in der ZDF-Show. Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Am Samstagabend jedoch will Gottschalk nicht jammern, und das steht ihm gut. Wie sein Aubergine-farbener Anzug. Zügig kommt er zum ersten Gast (Matthias Schweighöfer), zur ersten Wette (Hähne an ihrem Krähen erkennen), zum ersten Show-Act. Schon um 20.42 Uhr treten Take That auf, ganz in Schwarz und ohne Robbie Williams. Und wie einst kreischt das Publikum, das sich allerdings nicht mehr aus Teenies zusammensetzt. Um 20.47 Uhr gleich eine Zugabe, natürlich "Back for Good".

    I guess now it's time for me to give up I feel it's time

    Um 21.48 Uhr müssen Take That zum Flieger. Echt jetzt? Manches ändert sich nie. Außer Gottschalk, leider. Es war in den vergangenen Jahren ein Jammer zu sehen, wie er, der früher so freundlich-zugewandte, sich abwendete von einer Welt, die nicht mehr die Seine ist. Wie er als der ewig Missverstandene durch die Medienöffentlichkeit wandelte, als "alter weißer Mann". Wie seine Ironie zynische Züge bekam. Dabei hatte er seine berühmt-berüchtigte Spontaneität daraus gezogen, dass er stets auf Höhe des Zeitgeistes war. In seinen besten Momenten war er der Zeitgeist.

    War sich zum Glück für wenig zu schade und liebte es, sich zu inszenieren: Thomas Gottschalk im Jahr 1991 mit Maria Brisonskaja als Schwanensee-Ballett-Prinz.
    War sich zum Glück für wenig zu schade und liebte es, sich zu inszenieren: Thomas Gottschalk im Jahr 1991 mit Maria Brisonskaja als Schwanensee-Ballett-Prinz. Foto: Carsten Rehder, dpa

    Jetzt sagte Gottschalk vor seiner wirklich allerallerletzten "Wetten, dass..?"-Ausgabe in einem Interview mit ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, er habe Angst davor, dass man ihm irgendwann die Leute erklären müsse, die bei ihm auf der Bank säßen. Angst ist für einen Moderator ein denkbar hinderliches Gefühl. Gottschalks Angst ist vor allem eine Verlust- und Zukunftsangst. Die "alte Cher" habe er nochmals zu Gast in seiner letzten "Wetten, dass…?", führte er also aus, um danach seine einstigen Heldinnen und Helden zu betrauern: Phil Collins könne nicht mehr laufen, Elton John habe es mit der Hüfte und sei in Rente gegangen, Sean Connery und Tina Turner seien tot. Und seine Neugier auf die Stars jüngerer Generationen halte sich in Grenzen.

    In seiner letzten "Wetten, dass..?"-Show nimmt er sich auffallend zurück. Und das ist gut. Netter Onkel Thommy

    Am Samstagabend macht sich Thomas Gottschalk das größte Abschiedsgeschenk selbst. Es ist fast unerhört: Nicht nur, dass er das "alter-weißer-Mann-sein" bleiben lässt. Er stellt überdies seine Gäste in den Vordergrund, nicht sich. Verzichtet auf Gags um der Gags willen. Verzichtet überhaupt fast auf Gags. Netter Onkel Thommy. Sogar die Peinlichkeiten, die vielfach aus seiner schlechten Vorbereitung resultieren, bewegen sich im unteren Bereich der Gottschalk-Peinlichkeits-Skala. Wobei: Wie spricht man eigentlich Ivanović aus, die Frau von "Bastian Schweigsteiger" oder "Bastian Stein..." oder "Sebastian..."? Komplett wurschtegal. Doch wer bitte ist "Lars Riedle"?

    Auftritt Gottschalk: Am Samstagabend betritt er zum letzten Mal die ganz große Showbühne.
    Auftritt Gottschalk: Am Samstagabend betritt er zum letzten Mal die ganz große Showbühne. Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Das Ende einer, seiner Ära gerät, wohlwollend formuliert, unspektakulär. Ein wenig ist's wie eine "Giovanni Zarrella Show" mit Wetten. Nett anzusehen. Die Magie aber ist völlig weg. Und so ist es auch ein Jammer, dass Gottschalk von "Wetten, dass..?" und den – vermeintlich – schönen alten Zeiten nicht lassen konnte. Schon vor einem Jahr hatte er etwas Besonderes zerstört. Durch den Versuch, einmal mehr das deutsche TV-Lagerfeuer schlechthin zu entfachen. Wie es ihm wider Erwarten 2021 gelungen war. Die damalige erklärtermaßen einmalige "Wetten, dass..?"-Neuauflage wurde zum Nostalgie-Festival, das viele verzauberte. Gerade weil viele dieser vielen sich daran erinnerten (und erinnern wollten), wie sie als Kinder muggelig in Decken gehüllt diese besonderen "Wetten, dass..?"-Abende erlebt hatten.

    So schön, schön war die Zeit. Danke dafür, Thommy. Ehrlich! Für das lange Aufbleiben-dürfen. Die Bagger-, Saal- und Stadtwetten. Michael Jackson. Die halbnackte, in Leder und Strapsen singende noch etwas jüngere Cher (1987), die nicht nur damals Unter-Zehnjährige irritierte. Danke sogar für den tränenreichen Abschied von Take That, die ganz in (Krankenpfleger-)Weiß und ohne Robbie Williams ihr letztes "Back for Good" in Deutschland schmachteten (1996). Vorerst. Denn wie "Wetten, dass..?" ging es ja auch für Take That und Cher weiter.

    22.32 Uhr. Auftritt Cher, 77 Jahre alt. 77? Ihr Oberteil ist transparent wie 1987.
    22.32 Uhr. Auftritt Cher, 77 Jahre alt. 77? Ihr Oberteil ist transparent wie 1987. Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    22.32 Uhr. Auftritt Cher, 77 Jahre alt. 77? Ihr Oberteil ist transparent wie 1987, und sie kann es tragen. Gottschalk fragt sie, ob sie sich an ihn erinnere. Hand in Hand schreitet er dann mit ihr zum Wett-Sofa, wo unter anderem "soccer guy" Schweinsteiger wartet. Gottschalk stellt fest: Er ist nicht auf Kurs – zu überziehen. Zügig geht es weiter. Und man bemitleidet Cher aufrichtig, dass sie "I Got You Babe" aus den Mündern von Jan Josef Liefers und Stefanie Stappenbeck über sich ergehen lassen muss.

    Und nun? Mach's bitte nicht noch einmal!

    Immer weiter ging es, immer weiter. Wer wüsste das nicht besser als Thomas Gottschalk? Dem freilich gefiel es, nach einer weiteren Neuauflage und noch einer weiteren gebeten zu werden. Hätte er der Versuchung bloß widerstanden... Es wurde nicht besser. Er wurde nicht besser. Aber klar: Hätte hätte Saalwette! Und nun? Mach's bitte nicht noch einmal, Thommy! Ehrlich. Immerhin: Gottschalk sprach tatsächlich selbst von einem "Wetten, dass..?"-Abschied für ihn und for good. Für immer. Ist das zu glauben? Topp, die Wette gilt!

    I guess now it's time for me to give up I feel it's time

    In der Schaufel eines Baggers wird Gottschalk aus der Baden-Arena gefahren. The show must go on? Diese nicht.

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