Klar würde Louis Klamroth mit Frank Plasberg verglichen werden. Der hatte im November nach knapp 750 Sendungen in 22 Jahren „Hart aber fair“ an seinen Wunsch-Nachfolger abgegeben. Insbesondere in Branchenkreisen fragte man sich in den vergangenen Wochen, was der 33-Jährige denn nun anders machen würde – und ob er überhaupt etwas anders machen könne. Oder wolle. Zumindest ein Zuschauer, dessen Facebook-Post - wenig nett - in Plasbergs Abschieds-Talk eingeblendet worden war, wünschte sich, der neue Moderator möge „etwas Stimmung in die Bude“ bringen.
Klamroth selbst sprach von ein paar kleineren Neuerungen, und stand dann in der Trailer genannten Vorschau zu seinem Debüt (Montagabend, 21 Uhr, live im Ersten) in kaum veränderten Kulissen, wenn auch mit Händen in den Hosentaschen. Sogar das alte Sendungsmotto „Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“ übernahm er. Er sei ja nur der Moderator, hatte er zuvor in einem Interview gesagt; würde er mit einer Abrissbirne ins Studio geschossen kommen, würde er schnell wieder rausgeworfen werden. Ein interessanter Satz, wenn man weiß, dass Plasbergs Firma die Sendung weiterhin produziert.
Premiere von "Hart aber fair" unter Louis Klamroth: Alles bleibt fast so, wie es war?
Alles bleibt fast so, wie es in den vergangenen Jahrzehnten war? Kann das gelingen? Und: Wird hier nicht eine Chance verspielt? Klamroth hatte einen eigenen Stil bewiesen, unter anderem in dem Talk-Format „Klamroths Konter“ („konfrontativ, kritisch, kurzweilig“) auf n-tv.
Die Frage nach der vertanen Chance passte denn auch zu seinem ersten Debattenthema bei „Hart aber fair“: „Ein Land wird ärmer: Wer zahlt die Krisenrechnung 2023?“ Die altbekannten Gäste: die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer (von Klamroth konsequent „Wirtschaftsweisin“ genannt), die Spiegel-Journalistin Melanie Amann, der SPD-Chef Lars Klingbeil, der Unionsfraktionsvize Jens Spahn sowie – als Verkörperung der „Wirklichkeit“ – ein „Metallarbeiter und Familienvater“ namens Engin Kelik.
Debüt als Moderator: Und wieder ist da das Wort „Gefühl“
Es hätte andere Themen gegeben: die bevorstehende Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleorts Lützerath zum Beispiel, für den sich Luisa Neubauer gerade stark macht. Doch die Klimaaktivistin einzuladen, hatte Klamroth bereits ausgeschlossen. Sie ist schließlich seine Partnerin.
Positiv gewendet könnte man sagen: Klamroth machte nichts wirklich falsch und führte einigermaßen souverän durch einen Talk, in dem man Frank Plasberg anfangs nicht unbedingt vermisste (was härter klingt als es gemeint ist). Klamroth schaffte also einen nahtlosen Übergang und begann ohne Vorrede mit Kelik und der Frage, mit welchem Gefühl dieser ins Jahr gestartet sei. Ein üblicher Talkshow-Auftakt, und weil es 2023 ist, musste Kelik nicht auf dem „Betroffenheitssofa“ Platz nehmen (wie so viele „normale Bürger“ in der Geschichte des Polit-Talks), sondern saß inmitten der anderen prominenten Gäste.
Es warte eine schwere Zukunft auf uns, meinte er jedenfalls – und beantwortete umgehend auch die zweite Frage Klamroths nach seinem Einkommen mit „2300 Euro“, netto. Danach fragte Klamroth nach den Weihnachtsgeschenken für Keliks Kinder, und wieder war da das Wort „Gefühl“. Später folgte zur Abwechslung ein „Was macht das mit Ihnen?“
Unruhe oder Stimmung in der Talk-Runde unter Klamroth gibt es kaum
Hätte von Plasberg sein können. Genau wie der Klamroth-Satz: „Herr Klingbeil wird schon unruhig.“ Oder: "Das checken wir im Faktencheck." Oder: "Mit Bitte um kurze Antwort." Das Problem: Von Unruhe oder gar Stimmung in der Bude ließ sich bis zum Schuss der Sendung nicht reden, wenn damit eine hitzig geführte Diskussion gemeint gewesen sein sollte. Eher von einem fast ausnahmslos ruhigen Dahinplätschern ohne allzu großen Erkenntniswert und – leider – ohne kritische Nachfragen Klamroths, der seine Rolle offensichtlich in der des Stichwortgebers fand. Im deutlichen Unterschied zu Plasberg. Positiv gewendet: Diese „Hart aber fair“-Runde setzte nicht offensichtlich auf politischen Krawall, konnte dadurch aber kaum unterschiedliche, kontroverse Positionen herausarbeiten.
Stattdessen ließ sich eine Steffen-Hallaschka-isierung beobachten: gefühlig, erklärbärig, nutzwertig wie „stern TV“ (und dezidiert nicht wie das dort wiederbelebte Format der „Heiße Stuhl“). Dazu immer wieder Kelik als Kronzeuge für „die Wirklichkeit“. Wenngleich Klamroth wohl ein anderes, tristeres Bild der Realität vorschwebte. In Kelik hatte er da jedoch den falschen Gast, zumindest für Fragen wie: „Können Sie ihre Familie noch gut ernähren?“
Nach erster "Hart aber fair"-Sendung: Die Bild interessiert sich vor allem für Luisa Neubauer
Klamroth wird mit seinem mehr fairen als harten Debüt Schlagzeilen machen, klar. Mehr als die Sendungsinhalte scheint allerdings nicht nur die Bild ganz anderes zu interessieren. Einen um 20.57 Uhr veröffentlichten Artikel gab sie die Zeile: „Luisa Neubauer und Louis Klamroth – Sie kämpft fürs Klima, er für die Quote“. Und weiter, mit viel Gefühl: „Heute ist SEIN Tag: erste ,hart aber fair’-Sendung in den TV-Studios in Berlin-Adlershof. Und SIE ist nicht bei ihm!“
Am Ende sagte Kelik noch: "Ich als Armer würde euch alle einladen zu einer Linsensuppe."