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Türken entfliehen Inflation: Griechische Inseln als Urlaubsziel

Türkei

Urlaub von der Mega-Inflation in der Türkei

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    Touristen genießen Sonne und Strand auf der griechischen Insel Kos. Unter den Urlaubern befinden sich zunehmend Türken.
    Touristen genießen Sonne und Strand auf der griechischen Insel Kos. Unter den Urlaubern befinden sich zunehmend Türken. Foto: Santi Palacios, dpa

    Es war eine düstere Drohung: „Wir kommen plötzlich eines Nachts“, sagte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan vor zwei Jahren – und meinte damit eine Invasion seiner Landungstruppen auf Inseln wie Rhodos, Kos oder Lesbos. Sie gehören völkerrechtlich zu Griechenland, aber der glühende Nationalist Erdogan möchte sie gerne seinem „Blauen Vaterland“ einverleiben, einer Wiedergeburt des Osmanenreichs. Jetzt kommen die Türken tatsächlich.

    Aber: Sie tragen glücklicherweise keine Uniformen und Helme, sondern Shorts und Sonnenhüte. Und statt Sturmgewehren haben sie gut gefüllte Brieftaschen dabei. Eine solche Invasion haben die griechischen Inselbewohner in der östlichen Ägäis noch nie erlebt: Pausenlos pendeln die Ausflugsschiffe zwischen der türkischen Küste und ihren Inseln. Zehntausende Türkinnen und Türken kommen auf diese Weise täglich übers Meer. Der Reiseverkehr hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifacht. Beispiel Samos: 2023 landeten dort etwa 35.000 türkische Besucher an. In diesem Jahr werden bereits bis zu 150.000 erwartet.

    Die türkische Fremdenverkehrswirtschaft verzeichnet massive Einbrüche

    Bislang waren Urlaubsreisen ins benachbarte Griechenland für türkische Staatsbürger kompliziert. Sie benötigten ein schwer zu erhaltendes Schengen-Visum. Seit diesem Frühjahr gibt es ein neues Express-Visum, das bei der Ankunft auf den Inseln ausgestellt wird. Es kostet 60 Euro und gilt für sieben Tage. Weiterreisen aufs griechische Festland oder in andere EU-Staaten darf man damit zwar nicht. Das jedoch wollen die Besucherinnen und Besucher auch gar nicht.

    Einer der wichtigsten Gründe für ihr Kommen: Sie entfliehen für ein paar Tage der Inflation im eigenen Land. Zumal die Teuerung von derzeit fast 72 Prozent die Preise für Hotelzimmer und Restaurants in der Türkei hat explodieren lassen. Soziale Medien sind voll von Horrorgeschichten, in denen sich türkische Urlauber über Wucherpreise in türkischen Badeorten wie Cesme, Bodrum oder Marmaris beschweren. Viele wollen oder können die hohen Preise dort nicht zahlen. Im bisher als eher teuer geltenden Griechenland bekommen sie mehr für ihr Geld.

    Die türkischen Besucher sind beliebt auf den griechischen Inseln

    Das wird für die türkische Fremdenverkehrswirtschaft zu einem immer größeren Problem. In Bodrum an der Ägäisküste ging die Zahl der inländischen Urlauber in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gegenüber 2023 um 20 Prozent zurück, berichtet Ömer Faruk Dengiz vom Hotelverband Bodrum. In Antalya an der Südküste beträgt das Minus nach Angaben örtlicher Verbände fünf bis zehn Prozent.

    Derweil freuen sich die Gastwirte und Hoteliers auf den griechischen Inseln über den Boom. Die türkischen Besucher sind beliebt: Sie treten, im Gegensatz zu manchen Urlaubern aus mitteleuropäischen Ländern, höflich und zurückhaltend auf. Und sie geben deutlich mehr aus als die üblichen Pauschalurlauber. Von der sprichwörtlichen Erbfeindschaft zwischen den beiden Völkern ist auf den Inseln jedenfalls nichts zu spüren.

    Manche Türkinnen und Türken machen nicht nur Urlaub von den hohen Preisen im eigenen Land. Sie schnuppern in Griechenland auch Freiheiten, die man in Erdogans Türkei nicht mehr hat. „Ich liebe Griechenland“, sagte ein türkischer Besucher, der sich dem Reporter eines örtlichen Fernsehkanals auf Lesbos als Murat aus Istanbul vorstellte. Er hat sich mit seiner Frau auf Lesbos ein kleines Haus gekauft. Dank eines Schengen-Visums verbringt das Ehepaar mehrere Monate im Jahr dort. „Ich mag die Menschen, die Kultur, das Essen, die Musik“, erklärte Murat und ergänzte: „Das Leben ist schön hier, es gibt Freiheit – man kann sagen, was man denkt!“

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