Dass Emine Erdogan, die Frau des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, eine Vorliebe für teure Handtaschen und andere Luxus-Accessoires hat, ist bekannt. Reden sollen die Türken aber nicht darüber – sonst landen sie vor Gericht.
Beleidigung von Erdogans Frau? Journalist in Türkei vor Gericht
Der Journalist Ender Imrek bekommt das derzeit zu spüren. Er musste sich diese Woche in Istanbul vor Gericht verantworten, weil er in der linken Tageszeitung Evrenseleine teure Handtasche der First Lady thematisiert hatte. Die Staatsanwaltschaft wirft Imrek vor, die Präsidentengattin beleidigt zu haben, weil seine Kolumne nichts Positives über sie enthalten habe. Diese Straftat, die es in den türkischen Gesetzen nicht gebe, habe sich der Staatsanwalt selber ausgedacht, sagte Imrek vor Gericht.
Imrek war nicht der einzige Türke, der sich über die Tasche ärgerte, die Emine Erdogan während des G20-Gipfels in Japan im vergangenen Jahr bei sich trug. Laut Medienberichten kostet die Tasche der Edelmarke Hermes rund 45.000 Euro: Sie ist demnach aus Krokodil-Leder gearbeitet und mit einem goldenen Verschluss ausgestattet.
Emine Erdogan shoppt gerne Handtaschen und Co.
In einem Land, in dem Familienväter Selbstmord begingen, weil sie ihren Kindern keinen Schulranzen kaufen könnten und in dem manche Leute im Müll nach etwas zu essen suchen müssten, sei die Tasche natürlich ein Thema für die Presse, verteidigte sich Imrek laut Evrensel jetzt vor Gericht. Der türkische Mindestlohn, mit dem viele Beschäftigte auskommen müssen, liegt bei etwa 400 Euro im Monat. Der Prozess gegen Imrek geht im Herbst weiter.
Die extravaganten Shopping-Gewohnheiten der Präsidentengattin erregen schon lange Aufsehen. Als Emine Erdogan ihren Mann vor einigen Jahren auf einem Besuch in Brüssel begleitete, meldeten belgische Medien, mehrere Luxus-Geschäfte seien für Normalsterbliche gesperrt worden, damit Frau Erdogan in Ruhe dort einkaufen konnte. Die britische Zeitung Daily Mail nannte Emine Erdogan „shopping-süchtig“.
Erdogan baute sich Präsidentenpalast für hunderte Millionen Euro
Erdogan betont häufig seine Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen, um sich als Mann aus dem Volk zu präsentieren. Doch spätestens seit dem Bau seines riesigen Präsidentenpalastes in Ankara für mehrere hundert Millionen Euro stößt diese Selbstdarstellung an ihre Grenzen. Erdogan-Kritiker werfen dem Präsidenten Prunksucht vor. Nach Angaben von Tezcan Karakuş Candan, Vorsitzende der Architektenkammer Ankara, kostet schon eines der mit Goldrand verzierten Gläser, die bei Empfängen im Palast benutzt werden, mehr als ein Arbeiter im Monat verdient.
Regierungsnahe Medien berichteten zwar von einem bescheidenen Lebensstil im Palast. Demnach verarbeitet Frau Erdogan selbst Äpfel und Zitronen in der Palastküche zu Essig, damit nichts verschwendet wird. Doch bei den Berichten über das angeblich frugale Leben im Palast kam auch heraus, dass die Erdogans vorzugsweise Weißen Tee von der Schwarzmeerküste trinken, der Heimatregion von Recep Tayyip Erdogans Familie. Die Spezialität koste mehr als 500 Euro das Kilo, merkte die Oppositionspresse an.
Türken sollen nicht über Emine Erdogans Handtasche reden
Nun wollen es die Behörden den mutmaßlichen Kritikern des Präsidentenpaares schwerer machen, über solche Dinge öffentlich zu reden. Vor wenigen Tagen ließ ein Gericht auf der beliebten Website Eksi Sözlük den Zugang zu allen Kommentaren unter der Überschrift „Emine Erdogans Handtasche“ sperren. Viel erreichte das Gericht damit nicht. Inzwischen wird bei Eksi Sözlük unter der – noch nicht gesperrten – Überschrift „Verbot, über Emine Erdogans Handtasche zu reden“ über das Thema diskutiert.
Auch der Spruch „Etwas wie für Bilal erklären“ darf bei Eksi Sözlük auf gerichtliche Anordnung hin nicht mehr debattiert werden. Die Redewendung geht auf das Jahr 2013 zurück. Damals wurden abgehörte Telefonate zwischen Erdogan und seinem Sohn Bilal bekannt, bei denen Bilal die Anordnungen seines Vaters nicht auf Anhieb verstand. Erdogan sagte damals, die angeblichen Äußerungen seien von seinen Gegnern montiert worden.
Etliche Journalisten sitzen in der Türkei in Haft
Möglich sind Gerichtsurteile wie die gegen Eksi Sözlük laut dem Journalisten Imrek vor allem deshalb, weil türkische Staatsanwälte die Beschwerden von Regierungsanwälten über angeblich beleidigende Äußerungen kritiklos übernehmen und vor Gericht bringen. Die Gefängnisse platzten inzwischen aus allen Nähten, weil so viele Journalisten, Intellektuelle und Normalbürger wegen Präsidentenbeleidigung in Haft säßen, sagte Imrek der Presserechtsvereinigung Reporter Ohne Grenzen. Doch einschüchtern lassen will er sich nicht: „Wir werden weiter schreiben.“
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