Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Türkei: Giftiger Müll nach dem Erdbeben in der Türkei

Türkei

Giftiger Müll nach dem Erdbeben in der Türkei

    • |
    Sechs Monate nach den Erdbeben in der Südosttürkei am 6. Februar leiden die Menschen noch immer unter den Folgen - Trümmerlandschaften prägen noch immer vielerorts das Bild.
    Sechs Monate nach den Erdbeben in der Südosttürkei am 6. Februar leiden die Menschen noch immer unter den Folgen - Trümmerlandschaften prägen noch immer vielerorts das Bild. Foto: Bradley Secker

    Die Überlebenden der Erdbeben-Katastrophe in der Türkei halten beherzt und mutig durch. Obwohl fast alle Überlebenden damals Freunde oder Verwandte verloren und ihre Heimatstädte in Schutt und Asche liegen, blieben viele Bewohner der elf Unglücksprovinzen und nahmen das schwierige Leben in Zelten und anderen Notunterkünften auf sich. Andere, die sich außerhalb der Region in Sicherheit brachten, sind inzwischen wieder heimgekehrt. Wie schon nach dem schweren Erdbeben von 1999 bei Istanbul zeigen die Türken, dass sie selbst nach den schlimmsten Schicksalsschlägen nicht aufgeben. 

    Ressourcen werden vergeudet

    Widerstandsfähigkeit und Durchhaltevermögen der Betroffenen sind eine Ressource für das Land, doch die Politik ist dabei, diese Ressource zu vergeuden. Statt im Erdbebengebiet einen Neuanfang mit Bürgerbeteiligung und Experten-Wissen zu gestalten, setzt die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf eine möglichst rasche Rückkehr zur Normalität und auf einen Wiederaufbau in Rekordzeit. 

    Seine Erfolge im Erdbebengebiet bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Mai bestärken Erdogan in diesem Kurs. Obwohl seine Regierung bei der Erdbebenhilfe viele Fehler machte, blieben ihm die meisten Wähler der Region treu. Der Präsident und seine Partei AKP verloren dort zwar an Zustimmung, doch konnte die Opposition davon nicht profitieren. Sechs Monate nach dem Unglück steht fest, dass das Erdbeben keine Zäsur für die türkische Politik war.

    Regierungstreue Justiz behindert Oppositionspartei

    Erdogan versteht das als Auftrag, so weiterzumachen wie vorher. Seine Regierung lehnt einen Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen, Experten oder Parteien ab, weil sie alle als Feinde betrachtet werden. Der Kandidat einer Oppositionspartei, der in der Unglücksprovinz Hatay im Mai mit mehr als 100.000 Stimmen ins Parlament gewählt wurde, wird von der regierungstreuen Justiz bis heute daran gehindert, sein Mandat wahrzunehmen.

    Ohne Rücksicht auf Kritik und Einwände drückt die Regierung im Erdbebengebiet aufs Gaspedal. Überall in der Region werden neue Wohngebäude aus dem Boden gestampft. Das ist einerseits verständlich: Obdachlose Erdbebenopfer sollen ein neues Dach über dem Kopf bekommen. Doch in der Eile werden wichtige Vorsichtsmaßnahmen wie eingehende seismische Untersuchungen des Bodens unter den neuen Häusern missachtet, sagen Fachleute. Auch ist der Fortschritt sehr ungleichmäßig. Während mancherorts wieder gebaut wird, fehlt es in anderen Gebieten an sauberem Trinkwasser. Giftige oder krebserregende Stoffe im Schutt zerstörter Häuser, der häufig ohne Sicherheitsvorkehrungen in die Landschaft gekippt wird, könnten sich in Zukunft zu einer Gesundheitsgefahr für Millionen erweisen.

    Pfusch am Bau kostete viele Menschen das Leben

    Nicht alle Probleme sind nach einer Katastrophe dieser Dimension vermeidbar. Wenn Politiker nicht rasch handeln, setzen sie sich dem Vorwurf aus, wertvolle Zeit mit Untersuchungen und Diskussionen zu verplempern. Doch Erdogan riskiert, mit seiner neuen Beton-Politik alte Fehler zu wiederholen. Pfusch am Bau und Nachlässigkeit bei Kontrollen kosteten im Februar viele Menschen das Leben. In der Stadt Malatya stürzte zum Beispiel ein nagelneuer Wohnblock ein, der für erdbebensicher erklärt worden war. Nun verspricht die Regierung den Türken, dass die neuen Häuser nicht nur Erdstößen der Stärke 7,8 wie im Februar, sondern sogar Erdbeben der Stärke 9 standhalten werden. Können sich die Bewohner darauf verlassen? 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden