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Trendstudie: Krieg und Corona-Pandemie setzen der Jugend zu

Trendstudie

Krieg und Corona-Pandemie setzen der Jugend zu

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    Jugendlichen machen die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine zu schaffen. (Symbolbild)
    Jugendlichen machen die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine zu schaffen. (Symbolbild) Foto: Fernando Gutierrez-Juarez, dpa

    Krisen über Krisen prägen das Leben von jungen Menschen in Deutschland: Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Trendstudie "Jugend in Deutschland", die Jugendforscher Simon gemeinsam mit Klaus Hurrelmann nun vorgestellt hat.

    Simon Schnetzer (links) und Klaus Hurrelmann haben die Jugendstudie erstellt.
    Simon Schnetzer (links) und Klaus Hurrelmann haben die Jugendstudie erstellt. Foto: Marc-steffen Unger/www.ms-unger.

    "Die dichte Aufeinanderfolge von tief in das Leben eingreifende Krisen setzt der Jugend zu. Nach zwei Jahren Einschränkungen ihres privaten und schulisch-beruflichen Alltags durch die Pandemie sind viele von ihnen psychisch angespannt. Die Bedrohung durch einen Krieg in Europa drückt als eine weitere schwere emotionale Last auf ihre Stimmung. Viele machen sich große Sorgen um ihre berufliche, finanzielle und wirtschaftliche Zukunft", so Hurrelmann in einer Pressemitteilung zur Studie.

    Jugendliche sind laut Studie alterstypisch optimistisch und von Krisen verunsichert zugleich

    Die Forscher erklären, dass es unter der eigentlich zufriedenen Oberfläche brodle: Werde im Zusammenhang mit den konkreten Belastungen durch die Corona-Pandemie oder der Bedrohung durch den Angriffskrieg auf die Ukraine gezielt nachgefragt, offenbare sich unter der Oberfläche eines grundsätzlichen "jugendtypischen Optimismus" ein beträchtliches Ausmaß von Verunsicherung. "Obwohl sich die meisten zutrauen, trotz widriger Umstände das eigene Leben in den Griff zu bekommen, sehen sie im Blick auf die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Entwicklung Deutschlands erhebliche Probleme."

    Für die Studie wurden vom 9. bis 21. März 1.021 junge Menschen befragt. Die Quotierungen für die Repräsentativität wurden vom Institut für Demoskopie Allensbach erstellt.

    Jugendliche sind überwiegend pazifistisch geprägt

    Schnetzer erklärt, die Last, die auf jungen Menschen laste, sei sehr groß geworden. Der Krieg verdränge die anderen Krisen nicht, sondern diese blieben genauso hoch wie noch vor einem halben Jahr, der Krieg komme noch dazu. "Nach unserer Einschätzung sind die Angehörigen der jungen Generation stark pazifistisch geprägt und nicht im Geringsten auf kriegerische Auseinandersetzungen in Europa vorbereitet. Sie agieren deswegen in allen damit verbundenen Fragen unsicher und zurückhaltend."

    Corona hinterlässt immer noch einen Fußabdruck: "Diese Pandemie lässt die jungen Leute nicht frei", erklärt Hurrelmann in der Pressekonferenz. Die Forscher erklären: "Dadurch hat sich die Lebenssituation der jungen Menschen wieder verschlechtert. Das gilt vor allem für die Einschätzung der psychischen Gesundheit, das Gefühl, das eigene Leben kontrollieren zu können und die Beziehungen zu den Freund:innen." Dabei, so betont Hurrelmann, handele es sich um eine sehr disziplinierte Generation, die Angst habe, Verwandte zu infizieren. 84% sind eignen Angaben nach vollständig geimpft, acht Prozent mehr als in der Gesamtbevölkerung. Die Mehrheit fordere, Lockerungen nicht pauschal, sondern mit großem Augenmaß durchzuführen.

    Denn auch die Psyche leidet: Die drei am häufigsten berichteten Belastungen seien Stress (45 Prozent), Antriebslosigkeit (35 Prozent) und Erschöpfung (32 Prozent). Die Studienmacher warnen: "Erschreckende 27 Prozent berichten eine Depression, 13 Prozent Hilflosigkeit und 7 Prozent Suizidgedanken." Sofia Tahri, Studentin und Jugendrätin der Generationenstiftung, nahm ebenfalls an der Studie teil. Sie forderte für die Stiftung, dass vor allem in Bildungseinrichtungen Psychologen eine stärkere Rolle spielen sollten, "dass man einen Ort hat, wo man sich geborgen fühlt, man mit seinen Problemen hingehen kann". Und es brauche neue Kompetenzen, die der Lehrplan aufgreifen solle – zum Beispiel zu den Themen Selbstmanagement, Umgang mit Stress oder sozialen Problemen.

    Junge Leute wollen nicht im Homeoffice arbeiten

    Sinn finden die Jungen Menschen am häufigsten in der Familie (63 Prozent) und in Beziehungen zu Partnerin oder Partner oder Freunden. Aber auch Ziele im Leben und Erfolg zu haben nennt rund die Hälfte der Befragten. "Sich Ziele setzen, etwas schaffen als Gegenpol gegen diese Machtlosigkeit, die mit der Pandemie einhergeht", erklärte Hurrelmann diese Motivation. Der Glaube komme erst an letzter Stelle. Die Forscher betonen: Die Sinnsuche sei da, die jungen Befragten seien religiös, aber die christlichen Kirchen erreichen sie nicht. Hier sieht Hurrelmann die christlichen Kirchen am Zug, Strategien zu entwickeln, um die Jugend zu erreichen.

    Beim Thema Arbeit zeigt sich: Die Jungen wollen lieber nicht im Homeoffice arbeiten. Sofia Tahri erklärt: "Man hat das Gefühl, dass man ständig am Arbeiten ist, ohne mal Feierabend zu machen." Auch, was bei der Arbeit wichtig ist, hat sich geändert: "Die Balance von Arbeit und Freizeit schiebt sich mit 88% an die Spitze des Gute-Arbeit-Rankings und löst den langjährigen Spitzenreiter Arbeitsatmosphäre (87 Prozent) ab." Ebenso spielt Geld als Leistungsmotivation nun die wichtigste Rolle vor Spaß. Das sei aber kein Materialismus, sondern reiner Existenzialismus, erklärt Schnetzer: Junge Menschen hätten Sorgen, ihr Leben so fortführen zu können wie gewohnt, weil zum Beispiel Wohnen teuer geworden sei. Sofia Tahri erklärt: "Man konnte beobachten, dass Berufsfelder, die monetär nicht so interessant sind, deutlich weniger werden. Also alles, was in Richtung Medien geht, würde vielen Leuten Spaß machen, ich höre aber immer wieder auch im persönlichen Umfeld, dass man sich doch an was orientiert, was schnell viel Geld bringt und sicher ist."

    Nicht so bedeutsam sind Karrieremöglichkeiten und die Übernahme von Verantwortung. Schnetzer ordnet das ein: Junge Menschen seien genauso leistungsbereit, aber man müsse sie anders begeistern: Die Arbeit soll Sinn stiften, einen Beitrag leisten: "Wenn Arbeitgeber es schaffen, das zu verwirklichen, sind sie attraktiv für junge Menschen. Bei Start-ups sehen wir, dass junge Menschen bereit sind, sich 'verbrennen' zu lassen."

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