Es begann am 23. Juli vergangenen Jahres auf der Ägäisinsel Paros. Hunderte Inselbewohner, darunter Familien mit kleinen Kindern, zogen zum Strand Santa Maria. Ein Unternehmer hatte den kleinen, malerischen Flecken völlig mit Liegen und Sonnenschirmen zugepflastert – und kassierte nun für deren Benutzung. Die Einwohnerinnen und Einwohner von Paros forderten freien Zugang zu dem Strand und Platz für ihre mitgebrachten Handtücher.
Tourismus: Natur- und Klimaschützer sind in höchster Sorge
In den folgenden Wochen erlebte die "Handtuchbewegung" eine unvorhersehbare Dynamik. Von Kreta im Süden bis zur Halbinsel Chalkidiki im Norden, von Korfu im Nordwesten bis nach Kos im Südwesten protestierten Griechinnen und Griechen für die freie Nutzung ihrer Strände. Der Protest brachte die Regierung in Zugzwang, sie versprach neue gesetzliche Regelungen. Diese wurden nun vom Parlament mit den Stimmen der konservativen Regierungsfraktion verabschiedet. Doch das Strand-Gesetz fiel anders aus als von vielen erhofft. Sämtliche Oppositionsabgeordnete stimmten dagegen. Zuvor hatten acht Umweltschutzorganisationen in der vergangenen Woche an die Regierung appelliert, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Natur- und Klimaschützer sind jetzt in höchster Sorge um die Zukunft vieler Strände.
Ihr schwerwiegendster Kritikpunkt: Die bisherige Bestimmung, wonach Strände nur in einer Entfernung von 30 Metern von der Wasserlinie bewirtschaftet werden dürfen, fällt weg. Sie wurde zwar ohnehin fast nirgendwo eingehalten, aber ihre Streichung wird massive Folgen haben – nach Überzeugung der Kritiker wird sie zu massiven Zerstörungen führen. Zum Vergleich: In Frankreich gilt eine Schutzzone von 100 Metern, in der nichts gebaut werden darf; in Deutschland sind es 150 und in Dänemark sogar 300 Meter.
Besonders alarmiert ist man auf Inseln wie Kos und Rhodos. Dort waren seit der italienischen Besatzung der Dodekanes-Inselgruppe zwischen den beiden Weltkriegen große Schutzzonen eingerichtet worden. Ihre Festlegung hatte damals militärische Gründe. Der Regelung verdanken Kos oder Rhodos allerdings ihre breiten, unbebauten Strände. Und damit ihre Beliebtheit bei Urlauberinnen und Urlaubern. Mit dem neuen Gesetz werden also die Schutzzonen vollständig abgeschafft – ein Zugeständnis der Regierung an die Tourismusunternehmer, die mit den landschaftlichen Reizen Geld verdienen wollen und sie zugleich offensichtlich gefährden.
Was passiert, wenn es keine Schutzzonen mehr gibt?
Hinzu kommt, dass viele griechische Strände ohnehin wegen des steigenden Meeresspiegels bedroht sind. Niki Evelpidou, Professorin für Geografie und Klimawissenschaften an der Universität Athen, hat 293 Strände identifiziert, die in den kommenden Jahren infolge des Klimawandels vermutlich verschwinden werden. Costas Synolakis, Professor für Umweltingenieurwissenschaften an der University of Southern California, sagt: "Jüngere Prognosen kommen zu dem Ergebnis, dass der Wasserspiegel im Mittelmeer bis 2100 um etwa einen Meter ansteigen wird." Wissenschaftler warnen, dass schon kleine Eingriffe in die Natur wie der Bau von Beach Bars, Strandrestaurants oder Bootsstegen die Erosion der Küsten erheblich beschleunigen. Eingriffe in das natürliche Hinterland der Strände mit ihren Dünen, Gewächsen und Wasserläufen verschärfen ebenfalls die Erosion.
Doch auch die Regelungen des Gesetzes zur Bewirtschaftung der Strände durch Liegestuhl- und Sonnenschirmunternehmer bleiben weit hinter den Hoffnungen zahlreicher Inselbewohner zurück. Sie werden künftig nach wie vor Schwierigkeiten haben, an ihren Stränden ein freies Plätzchen zu finden. Die nächsten Proteste der "Handtuchbewegung" scheinen damit programmiert.