Am Telefon werden manchmal intime Geheimnisse ausgetauscht. In dem Bewusstsein, außer dem Gesprächspartner als anvisierten Adressaten bekommt es ja niemand mit. Doch immer häufiger stellt sich die Frage: Stimmt diese Annahme wirklich?
In Deutschland wird Datenschutz zwar großgeschrieben. Und zwar so groß, wie wohl kaum irgendwo anders auf der Welt. Dennoch drängt sich vielen Bürgern der Gedanke auf, dass da doch jemand mithört, wenn telefoniert wird. Oder besser: nicht jemand, sondern etwas.
Nämlich das Telefon selbst - also das Multifunktions-Handy, das nur noch sporadisch für seinen ursprünglichen Bestimmungszweck herangezogen wird.
Passende Werbung: Hört das Handy Gespräche mit?
Schließlich ist es schon auffällig, wie häufig im Nachgang eines Telefonats genau die passende Werbung zum Gespräch angezeigt oder regelrecht aufgedrängt wird.
Ob nach dem Austausch zweier Freundinnen über Schmuck oder Duft. Der Diskussion zweier Freunde über den nächsten Besuch eines Fußballspiels oder Konzerts. Telefonate über Backtipps in der Weihnachtszeit oder den besten Handwerker der Stadt für die dringend nötige Reparatur im Bad.
Das Telefon liefert auffällig oft die passende Werbung. Zufall? Oder hat die Künstliche Intelligenz im Gerät etwa gelauscht und will sich nützlich machen? Den Verdacht gibt es auch längst, wenn ein Gespräch auch nur in Handy-Nähe stattgefunden hat.
Die Frage aber lautet: Sind das alles berechtigte Befürchtungen? Oder doch eher Hirngespinste?
Hört das Handy Gespräche mit? US-Firma informiert über "Active Listening"
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Artikel des Portals winfuture.de demzufolge die US-Marketing-Firma "Cox Media Group" (CMG) auf ihrer Webseite selbst damit geworben hatte, Gespräche in der Nähe etwa von Handys mithören zu können, um so passende Werbung zu schalten.
Nachdem das Portal 404media.co darüber berichtet hatte, verschwanden die Hinweise zwar von der "CMG"-Homepage. Im Google Cache sind sie jedoch weiter auffindbar. Das Ganze wurde als "Active Listening" beworben, also aktives Zuhören.
Laut "CMG" ist es legal, die gewonnenen Sprachdaten zu nutzen. Weiter heißt es: Wer ein Gerät kauft und den Geschäftsbedingungen zustimmt, erklärt sich damit einverstanden, dass das Telefon beim Einschalten zuhört. In gewisser Weise mache es das auch durchgängig. Ansonsten würden auch die Sprachassistenten gar nicht funktionieren.
Informatiker über Abhörmöglichkeiten von Handys: "Technisch sind Apps dazu in der Lage"
Professor Hannes Federrath von der Universität Hamburg erklärte im Gespräch mit dem SWR3 auch, dass die Bedenken der Handynutzer keineswegs unbegründet sind. Über Lauschangriffe der Telefone sagte er: "Technisch gesehen sind die Apps dazu ohne Weiteres in der Lage. Das sage ich als Informatiker."
Er verweist darauf, dass Social-Media-Apps beim Aktivieren kurzzeitig das Mikro einschalten: "Es könnte technische Gründe haben, aber es könnte auch den Grund haben, dass man ganz gezielt Wortfetzen aufschnappen und die analysieren möchte."
Allerdings nennt Federrath auch Gründe, warum die Konzerne auf die Möglichkeit verzichten sollten, ihre Kunden abzuhören. "Es wäre ein riesen Skandal, wenn so etwas bekannt würde und deswegen werden die App-Anbieter, so meine Hoffnung, vermeiden, solche Funktionen in Apps zu integrieren", gibt er zu bedenken.
Andernfalls würden "Ungemach und Vertrauensverlust" drohen. Zudem "leben die auch von unseren Daten, die wir mehr oder weniger freiwillig hergeben und deswegen ist Vertrauen für die Branche absurderweise relativ wichtig".
Lauschen Apps Gesprächen? Begriff "Alphonso" in Nutzungsbedingungen sollte stutzig machen
Aber ob diese Sichtweise auch in den Chefetagen der Handy-Hersteller vorherrscht? Die Konzerne haben auf jeden Fall auch andere Möglichkeiten, den Interessen der Kunden auf die Spur zu kommen – etwa mit einem Blick auf die installierten Apps oder die aufgerufenen Webseiten.
Das Portal wissen.de erwähnt jedenfalls, dass es sich lohnen würde, die Nutzungsbedingungen wirklich durchzulesen. So sollten etwa beim Begriff "Alphonso" die Alarmglocken schrillen. Dabei handelt es sich demnach um eine Software, die es Apps ermöglicht, Hintergrundgeräusche wie Musik und Fernseher mitzuhören. Auch auf diesem Weg werden die nötigen Informationen für personalisierte Werbung gesammelt.
Außerdem wird der Tipp gegeben, Apps den Zugriff auf das Mikrofon zu verweigern, wenn dies nicht unbedingt nötig ist. Dies geht direkt beim Download oder nachträglich über die App-Berechtigungen.
Lauschangriff der Apps? Tracking kann eingeschränkt werden
Wie zumindest das App-Tracking eingeschränkt werden kann, verrät das Portal dr-datenschutz.de. So können Apple-Nutzer ab iOS 14.5, also auch der 15er-Generation, die APP-Tracking-Transparenz (ATT) aktivieren, damit sie mehr Kontrolle und Transparenz darüber haben, wie die persönlichen Daten von Apps verwendet werden. Die Funktion wird wie folgt eingeschaltet:
- "Einstellungen"-App auf iPhone oder iPad öffnen
- "Datenschutz" auswählen
- "Tracking" auswählen
- Option "Apps erlauben, um Erlaubnis zu bitten, mich zu verfolgen", aktivieren
Bei Android-Geräten sieht der Weg so aus:
- "Einstellungen" öffnen (z.B. über das Zahnrad-Symbol im Benachrichtigungsbereich)
- "Google" auswählen
- mit Klick auf "Anzeigen" Menü öffnen
- falls Werbe-ID vorhanden, entweder "zurücksetzen" (dann greifen Apps auf eine neu erstelle ID zu) oder "löschen"
Es lässt sich also festhalten: Die technischen Voraussetzungen, um den Nutzer abzuhören, haben Handys längst. Laut eines Experiments des Teams "AI + Automation Lab" vom Bayerischen Rundfunk aus dem Jahr 2022 können sie das übrigens auch heimlich, still und leise. Ob diese Funktion jedoch genutzt wird, lässt sich aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten, an die relevanten Informationen zu kommen, nicht so einfach beweisen.
Der Verdacht, dass Handys Gespräche mithören und sich die Konzerne das zunutze machen, lässt sich auf jeden Fall nicht so einfach entkräften.