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Tatort Zürich: Isabelle Grandjean jagt mysteriösen Serienmörder

Tatort-Kolumne

Neuer „Tatort“ aus Zürich: Rendezvous mit dem Tod

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    Daniel Wirsching ist einer von fünf „Tatort“-Kritikerinnen und -Kritikern unserer Redaktion.
    Daniel Wirsching ist einer von fünf „Tatort“-Kritikerinnen und -Kritikern unserer Redaktion. Foto: Augsburger Allgemeine (Illustration)

    Fast muss man sich wundern, dass diese Idee erst jetzt Film wurde. Zürich liegt zwar nicht am Styx, jenem sagenhaften Grenzfluss zwischen dem Reich der Lebenden und dem Totenreich des Hades. Aber am Wasser liegt die Stadt, in der manche im Geld schwimmen. Naheliegend, das eine mit dem anderen zu verbinden. So wird Ermittlerin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) in einer vorweihnachtlichen Nacht zu einem Toten geführt, der eine antike Münze auf der Zunge hat: In der griechisch-römischen Mythologie stellt sie einen Obulus für den Fährmann dar, der die Toten über den Totenfluss schippert.

    Lucas Gregorowicz spielt den Serientäter im „Tatort“ brillant

    Zunächst jedoch: Ein Unbekannter, „Marek aus Warschau“, spricht Grandjean auf dem Weihnachtsmarkt an. „Komm‘, das Leben ist kurz“, sagt er, und sie landen im Bett. Später erhält sie einen Brief von einem anonymen Absender: „Nichts leichter, als in den Hades hinabzusteigen ...“, steht darin. Sowie die Koordinaten des Leichenablageortes. Der Tote, vergiftet mit Schierling und erstickt, wird nicht das einzige bemünzte Opfer bleiben. Es ist der Beginn eines Psychothrillers um Grandjean und den elegant gekleideten Fremden Marek. Lucas Gregorowicz spielt ihn brillant. Er erinnert an den diabolischen Regus Patoff, den Christoph Waltz in der Prime Video-Serie „The Consultant“ gab.

    Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) wird dieses Weihnachten nicht so schnell vergessen: In „Fährmann“ wird sie auf ihre Vergangenheit und Anfänge als Ermittlerin zurückgestoßen.
    Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) wird dieses Weihnachten nicht so schnell vergessen: In „Fährmann“ wird sie auf ihre Vergangenheit und Anfänge als Ermittlerin zurückgestoßen. Foto: Sava Hlavacek, SRF

    Nach einigen schwachen Folgen aus der Schweiz ist die „Tatort“-Folge „Fährmann“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD), die bereits Anfang 2023 abgedreht war, eine der bislang stärksten. Was auch am Drehbuch-Duo Lorenz Langenegger und Stefan Brunner liegt, das das abstruse, aber unterhaltsame „Von Affen und Menschen“ schrieb – und das wiederum das Duo Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean entwickelt hatte. Man kann sagen: Es wird besser mit dem Krimistandort Zürich. In dem Maße, in dem die „Tatort“-Macher den schablonenhaften Entwürfen ihrer Hauptfiguren – rebellische Unternehmertochter Ott, ehrgeizige Arbeitertochter Grandjean – Leben einhauchen und vom Schablonenhaften abweichen. In „Fährmann“ bekommt Grandjean ihr Solo, und die beiden Ermittlerinnen nähern sich weiter an.

    Eiskalt: Lukas Gregorowicz als Serientäter, der ein brutales Spiel auf Leben und Tod mit Ermittlerin Isabelle Grandjean treibt.
    Eiskalt: Lukas Gregorowicz als Serientäter, der ein brutales Spiel auf Leben und Tod mit Ermittlerin Isabelle Grandjean treibt. Foto: Sava Hlavacek, SRF

    Da stört dann manche Plattheit gar nicht groß: aus Verzweiflung und Wut an die Wand geworfene Flaschen; der Ott-Satz: „Globalisierte Wirtschaft, globalisierte Serientäter“; der Dialog: „Ich bin eine schlechte Polizistin“ – „Auch du bist nur ein Mensch“. Störend allerdings ist das abgenutzte und filmisch nicht zwingende Bild des Fährmanns, das in diesem „Tatort“ laienspielartig allzu oft in Szene gesetzt wird. Für die „Tatort“-typischen Erwartbarkeiten der Handlung entschädigt der Versuch, die Geschichte tatsächlich einmal relativ konsequent als Thriller zu erzählen – auch wenn Ott betulich-konventionell vor sich hin ermittelt. Wett macht die meisten Schwächen und diese Folge sehenswert: Lucas Gregorowicz. Als Serientäter, der Grandjean brutal auf ihre Vergangenheit und Anfänge als Ermittlerin zurückstößt, hat er eine Präsenz, die im „Tatort“ schon lange niemand mehr erreichte. Nachdem im atmosphärisch-eiskalten Vorweihnachts-Zürich der Fährmann seinen Auftritt hatte, kann nun also das Christkind kommen und die Herzen wärmen.

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