Es gibt diese Urängste. Dass man im Meer in die Tiefe gezogen wird oder ein Hai auftaucht. Dass man sich verirrt, im finsteren Wald. Oder dass das Flugzeug abstürzt. Dass man in einer Seilbahngondel im Schwarzwald von einer Schwangeren mit dem Nothammer erschlagen werden könnte, gehört nicht zu den verbreiteten Urängsten. Das Szenario ist gleichwohl perfekt für einen „Tatort“: eine stickige Kabine, in der man kaum Luft und Platzangst bekommt, dazu ein komischer Kauz, der sich weigert, das Fenster zu öffnen.
Tatort aus dem Schwarzwald: Man wünscht sich die Betulichkeit früherer Folgen zurück
Christina Ebelt, die beim neuen Schwarzwald-„Tatort“ um Tobler und Berg Buch und Regie verantwortete, hatte eine gute Idee. Nur: Die Idee trägt nicht weit in ihrer „Tatort“-Premiere. „Die große Angst“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) ist großer Krampf. Oder weniger harsch: ein abstruser „Tatort“, der ein klitzeklitzeklitzekleines bisschen an Oliver Stones „Natural Born Killers“ denken lässt. In bodenständig-belanglos. Oder, noch weniger harsch: „Die große Angst“ gibt vor, spannende Krimi-Hetzjagd und Beziehungsdrama zu sein – behauptet das jedoch bloß effekthascherisch.
Da können die Kameras wackeln, bis einem vom Zuschauen schlecht wird. Da können Nina und Sven Kucher (Pina Bergemann und Benjamin Lillie) verzweifeln bis zur Besinnungslosigkeit. Da können die Ermittler Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) sich anblaffen wie zwei Boxer, bevor sie in den Ring steigen: Geschichte und Figuren sind unglaubwürdig und unentwickelt. Die große Betulichkeit (hier lobend gemeint), die den Schwarzwald-„Tatort“ auszeichnet, ist einer großen Gereiztheit gewichen. Warum? Man weiß es nicht.

Es ist also unerträglich heiß im Schwarzwald, Waldbrandzeit, die Menschen sind dauerschweißgebadet und aggressiv. In der Gondel tickt die hochschwangere Nina Kucher aus, nimmt den Nothammer, drischt auf die Scheibe ein, plötzlich hat sie Blut an den Händen und der komische Kauz, der partout nicht das Fenster öffnen wollte, ist tot. Statt zur Polizei zu gehen, sucht sie mit ihrem ziemlich aufgeregten Mann Sven das Freiburger Klinikum auf. Dort arbeitet er als Pfleger, dort checkt sie ein befreundeter Arzt durch – und dann wird es von „Tatort“-Minute zehn an völlig abwegig. Denn er wird zum Fluchthelfer. Anschließend irrt das seltsame Paar im finsteren Wald umher. Warum? Warum? Warum? Darum, sagt der Ebelt-„Tatort“, und man würde gerne wissen, was aus ihrer Idee hätte werden können.
„Die große Angst“ ist wirklich kein „Natural Born Killers“
So wie man gerne wissen wollen würde, warum ständig geschrien werden muss. Nina schreit („Fuck! Fuck! Fuck!“), Sven schreit, die Ermittler schreien. Berg nämlich ist richtig sauer auf Tobler. Weil sie seine Chefin werden könnte? Man hatte ihn anders in Erinnerung, in sich ruhender. Viel mehr passiert im Grunde nicht. Was soll auch groß passieren? „Die große Angst“ ist ja wirklich kein „Natural Born Killers“. Es wird herumgerannt, es kommt zu unlogischen, unfreiwillig komischen Szenen – die nicht verraten werden, sonst ist das letzte Spannungszweiglein abgeknickt – und am Ende... Wer es bis dahin aushält, wird es sehen.
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